Weil der FIA-Vertraute Marcin Budkowski wohl zu Renault gehen wird und alle Details der Teams mitnehmen könnte, sind diese sauer - Längere Sperrfrist gefordert
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Die Formel-1-Welt ist in Aufruhr. Marcin Budkowski hatte am Anfang der Woche seinen Posten bei der FIA mit sofortiger Wirkung gekündigt. Zwar mag der Name dem geneigten Formel-1-Zuschauer nicht geläufig sein, doch der Pole war einer der wichtigsten Vertreter des Automobil-Weltverbandes und kennt als Technikdirektor alle Geheimnisse der Teams. Und die fürchten nun, dass ihre intimsten Details zu einem anderen Team wandern könnten.
Denn Budkowski sitzt derzeit ein Arbeitsverbot ab, das jedoch nur drei Monate läuft. Das bedeutet, dass der 40-Jährige schon im Januar 2018 bei einem Rennstall anheuern könnte. Gerüchten zufolge soll sich Renault bereits mit ihm über eine Anstellung einig sein. Rennleiter Charlie Whiting hatte jüngst bereits eine Mail an die Teams geschickt und gebeten, Budkowski keine Informationen und Fragen zu Fahrzeugdesigns mehr zu schicken, doch einen Einblick für 2018 hat dieser bereits mehr als genug.
Denn Budkowski hatte in diesem Jahr die technischen Aufgaben von Whiting übernommen und sich um alle Anfragen der Teams zum neuen Reglement gekümmert. Er kennt die Planungen aller Teams für die kommende Saison und besitzt sogar genaue Zahlen und Details. "Er weiß alles. Das ist ein Wert, den man nicht kaufen kann", sagt Experte Paul di Resta. Und genau das bringt nun die Teams auf den Plan.
Kann der FIA noch vertraut werden?
"Wir haben ein großes Problem damit, wenn er bei einem anderen Team landet", betont Red-Bull-Teamchef Christian Horner und sieht sein Vertrauen missbraucht. "Es ist eine wichtige Rolle, in die die Teams viel Vertrauen gesetzt haben, dass sie ihr technisches Wissen und die Geheimnisse weitergeben können", so der Brite weiter. "Wir hatten die Zuversicht, dass die Informationen nicht bei einem anderen Team landen können."
Das Problem ist hierbei die kurze Arbeitssperre von drei Monaten: Diese geht den Rennställen nicht lange genug. Normalerweise werden Personen auf wichtigen Positionen für zwölf oder 18 Monate aus dem Verkehr gezogen, bevor sie zur Konkurrenz gehen dürfen, doch weil die Arbeitsverträge der FIA-Angestellten im schweizerischen Genf registriert sind, gelten die dortigen Bedingungen - und die sehen eine längere Freistellung nicht vor.
"Drei Monate sind nicht lang genug - nicht einmal annähernd", ärgert sich Force Indias Betriebsdirektor Otmar Szafnauer, was seine Kollegen in der Pressekonferenz mit Zustimmung quittieren. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff sagt: "Um das volle Vertrauen der Teams zu haben, ist eine gewisse Stabilität wichtig - und auch das Wissen, wie schnell jemand die FIA verlassen und einem anderen Team beitreten kann."
Kurzfristiges Treffen bei Williams
Aus diesem Grund gab es heute auch eine kurzfristige Sitzung der Teamvertreter aus der Strategiegruppe, die sich bei Williams trafen und über die Situation sprachen. Herausgekommen ist dabei aber nur, dass man das Thema beim nächsten planmäßigen Treffen der Strategiegruppe auf die Agenda nehmen möchte. "Es wird ziemlich intensiv diskutiert werden", kündigt Red Bulls Christian Horner an.
Warum Budkowski seine Rolle bei der FIA verlassen wird, ist die andere Frage. Eigentlich sollte er zusammen mit dem stellvertretenden Rennleiter Laurent Mekies die Nachfolge von Charlie Whiting antreten, doch weil sich in dieser Richtung bislang nichts bewegt hat, soll er seinen Abgang forciert haben, heißt es im Fahrerlager. Die Situation erinnert ein wenig an die 1990er-Jahre, als Whiting selbst schon einmal fast zu einem anderen Team gegangen wäre.
Damals soll er sich bereits mit Benetton-Teamchef Flavio Briatore einig gewesen sein, doch weil insbesondere McLaren-Boss Ron Dennis davon Wind bekam und dagegen kämpfte, überredeten Bernie Ecclestone und der damalige FIA-Präsident Max Mosley Whiting mit einer saftigen Gehaltserhöhung zum Bleiben. Und in der vergangenen Saison soll Whiting wieder mit einem Wechsel geliebäugelt haben, weil sein Vertrag auslief und FIA-Präsident Jean Todt lieber einen günstigeren Nachfolger hätte.
Längere Zwangspause gefordert
Doch Whiting ist noch an Bord - im Gegensatz zu Budkowski. Doch auch dessen Abgang sorgt nun für hohe Wellen. Die Teams fordern nun eine Klarstellung zu den Sperrfristen und wünschen sich eine längere Zwangspause. "Es muss eigentlich so lange sein, dass die Technik, von der er weiß, obsolet wird", sagt Szafnauer und beruft sich auf eine Regel, nach der aktuelle Autos aus den gleichen Gründen nicht verkauft werden dürfen. "Und die Kündigungsfrist sollte dem folgen", so der Force-India-Mann.
Gleichzeitig ist man aber auch sauer auf den möglichen neuen Arbeitgeber von Budkowski: "Es ist genauso die Schuld desjenigen, der ihn nimmt", ärgert sich Haas-Teamchef Günther Steiner über das pikante Vorgehen der Konkurrenz. Doch dass Teams gerne ihren eigenen Vorteil suchen, ist bekannt. Dass man aber nun möglicherweise nicht mehr so vertrauenswürdig in den Weltverband sein kann, ist ein größeres Problem. "Wenn wir am Ende nicht offen zu der FIA sein können, ist es eine schwierige Situation", weiß Sauber-Boss Frederic Vasseur.