Erste Details vom Meeting in Paris: Wolfgang Hatz neuer FIA-Berater, Alfa Romeo denkt ernsthaft über Einstieg nach, MGU-H soll abgeschafft werden
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Nach dem Herstellermeeting über die Zukunft der Formel-1-Motoren ab 2021 am Freitag in Paris sickern nach und nach mehr Details darüber durch, was bei dem Treffen besprochen wurde. Neben den offiziell kommunizierten Punkten steht laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' auch eine Abschaffung der MGU-H zur Diskussion.
Unter den Anwesenden herrschte demnach Einigkeit über einige grundlegende Punkte, zum Beispiel darüber, dass das aktuelle Antriebskonzept zu kompliziert, für die Privatteams zu teuer ist und nicht den Nerv der Zuschauer trifft. Mit der Abschaffung der MGU-H soll das Hybridsystem weniger komplex und somit in der Theorie auch marginal billiger werden. Gleichzeitig würde der Sound lauter. Die MGU-K, die Energie aus den Bremsen zurückgewinnt, soll aber bleiben.
Die MGU-H ist ein an den Turbolader gekoppelter Elektromotor. Dieser kann ungenutzte Energie aus dem heißen Abgasstrom abgreifen und in elektrische Energie umwandeln. Diese Energie wandert zunächst in die Batterie und wird dann zum Beispiel dazu verwendet, den Turbolader zu beschleunigen. Auf diese Weise kann etwa das sogenannte Turboloch ausgeglichen werden.
Einheits-KERS wird von vielen forciert
Eine weitere Maßnahme zur Kostensenkung, die sich insbesondere die herstellerunabhängigen Teams wünschen, ist ein Einheits-KERS. Dazu kämen noch die anvisierten 1.000 PS. Ein solcher Motor könnte laut Aussage von Mario Illien theoretisch mit Entwicklungskosten in der Höhe von zehn Millionen Euro gebaut werden. Die aktuellen V6-Hybrid-Turbos haben weit über 100 Millionen gekostet.
Neben den in der Formel 1 engagierten Herstellern Ferrari, Honda, Mercedes und Renault saßen am Freitag in Paris auch Stefano Domenicali (für den Volkswagen-Konzern), Harald Wester (für Alfa Romeo) und Mario Illien (für Ilmor) am Tisch. Ross Brawn vertrat die Position von Liberty Media. Den Vorsitz hatte FIA-Präsident Jean Todt inne.
Ein für viele überraschender Gast war Wolfgang Hatz, der ehemalige Forschungs- und Entwicklungsvorstand von Porsche. Hatz vertrat allerdings nicht die Interessen eines Herstellers, sondern ist laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' neuer FIA-Berater für den Bereich Antriebsstränge. Diesen Bereich hatte zuvor Gilles Simon über, der wechselte jedoch zu Honda (wo er inzwischen schon wieder entlassen wurde).
Marchionne deutet Alfa-Einstieg an
Abseits von den bereits erwähnten Herstellern ließ sich niemand in Paris blicken. Gerüchte über einen Interessenten aus Japan entpuppten sich als heiße Luft. Das sorgte bei Brawn für Stirnrunzeln, der sich mehr Teilnehmer gewünscht hätte. Offenbar wurden von FIA-Seite aber keine Hersteller proaktiv eingeladen, sondern jeder interessierte Hersteller musste sich bei der FIA anmelden.
Für die herstellerunabhängigen Teams ist es elementar, einen unabhängigen Hersteller wie etwa Ilmor oder Cosworth in die Formel 1 zu bekommen. Ein Anliegen, das Brawn unterstützt. Indes wird ein Einstieg von Alfa Romeo wahrscheinlicher: "Ich sehe Alfa Romeo eines Tages wieder in der Formel 1", sagt FIAT-Chrysler-Chef Sergio Marchionne. "Ich glaube, die Marke gehört dorthin. Ich weiß nicht, wie wahrscheinlich das ist - aber dass wir darüber reden, ist ein gutes Zeichen."
Welche Rolle spielt Hatz für den Vierzylinder?
Volkswagen kann die Formel 1 wohl am ehesten mit einem Konzeptwechsel von sechs auf vier Zylinder locken. In diesem Zusammenhang interessant: Hatz (der im September 2015 aufgrund des Dieselskandals entlassen wurde) ist der geistige Vater jenes Porsche-Vierzylinders, mit dem die Traditionsmarke des Volkswagen-Konzerns zuletzt zweimal hintereinander Le Mans gewinnen konnte.
Sollte der Formel-1-Motor ab 2021 tatsächlich dem von Volkswagen befürworteten "Weltmotor"-Konzept entsprechen, könnte ein Einstieg einer der Marken des Konzerns (Audi? Porsche? Lamborghini?) näher rücken. Denn dann würde man Entwicklungskosten einsparen und mit ein und demselben Basiskonzept parallel in der Formel 1, in der WEC und im Rallyesport antreten.
Auch Todt gilt als Befürworter des Vierzylinders. Auf Bemerkungen, er sei der Vater des aktuellen V6, reagiert der Franzose allergisch: "Das stimmt nicht. Ich bin nicht der Vater, ich bin ein Befürworter. Mein Vorgänger Max Mosley hat diese Regeländerungen eingeleitet, und was dabei herauskam, war ein Vierzylinder mit Energierückgewinnung. Dann wurde ich zum FIA-Präsidenten gewählt und wollte an diesem Motor festhalten."
Todt will V6 nicht als "sein Baby" stehen lassen
"Dieser Vierzylinder", bedauert Todt heute noch, "wurde in letzter Minute von Ferrari gekippt, von meinem Freund und früheren Präsidenten Luca di Montezemolo. Er sagte, dass Ferrari keinen Vierzylinder will, was frustrierend war, denn Ferrari saß von Anfang an in allen Meetings. Deswegen mussten wir einen Kompromiss finden, und dabei kam der Sechszylinder-Turbo mit Energierückgewinnung heraus."
"Ich habe kürzlich Mark Webber getroffen, im Flugzeug von Hongkong nach Melbourne. Er erzählte mir, wie toll der Porsche-Motor ist, und das ist auch ein Vierzylinder. Also: Vier Zylinder, Turbo, Energierückgewinnung - das wäre meiner Meinung nach die beste Wahl gewesen." Und dass ein solcher Motor nach 2020 kommt, erscheint Stand heute zumindest nicht ausgeschlossen.
Die derzeitigen V6-Turbos mit 1,6 Liter Hubraum laufen noch bis mindestens 2020. Sie leisten zwischen 900 und 1.000 PS, verbrauchen aber um 30 Prozent weniger Benzin als die alten V8-Saugmotoren. Der Wirkungsgrad liegt bei beeindruckenden 50 Prozent - so effizient war davor noch kein Formel-1-Motor.