2,5 Millionen weniger Zuschauer: Die TV-Zahlen der Formel 1 in Deutschland weisen im Vergleich zu 2011 ein Minus auf - "Formel verrückt" als Abschreckung?
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Wer Sebastian Vettel (Red Bull) zu Beginn der vergangenen Saison siegen sehen wollte, der schaute erst einmal in die Röhre. Die Formel 1 präsentierte sich 2012 nämlich überaus unvorhersehbar und brachte in den ersten neun Rennen des Jahres nicht weniger als neun unterschiedliche Sieger hervor. Spannung pur, möchte man meinen. Die TV-Zuschauerzahlen in Deutschland gingen aber zurück.
Und zwar um 2,5 Millionen auf insgesamt 34,3 Millionen, wie der jährliche Formel-1-TV-Report erklärt. Wesentlich dafür ist die Anzahl an Personen, die während der Saison mehr als 15 Minuten lang - nicht am Stück - eine Formel-1-Übertragung verfolgt haben. In Deutschland hatten die Fans im vergangenen Jahr durch den frei empfangbaren Privatsender RTL sowie durch das Bezahlfernseh-Programm von Sky Zugang zu Live-Bildern von der Formel 1.
Für Deutschland heißt es im TV-Jahresreport: "Die Reichweite hat sich 2012 verringert, was am vergleichsweise verhaltenen Auftakt der deutschen Fahrer lag. 2011 hatte Vettel das erste Saisonrennen gewonnen. 2012 musste er bis spät im September, bis Singapur, auf seinen zweiten Saisonerfolg warten. In den ersten Rennen des Jahres hatten die ausbleibenden Ergebnisse einen Einfluss auf die Live-Zuschauer."
USA-Rennen kein Quoten-Garant
"Als Vettels Titel-Hattrick wieder aktuell wurde, kamen auch die RTL-Zuseher zurück. Beim Großen Preis der USA in Austin lagen die durchschnittlichen Zuschauerzahlen wieder bei über 7,5 Millionen. Beim Finalrennen in Brasilien verfolgten 11,5 Millionen Fans die Berichterstattung von RTL."
Insgesamt gingen die Zuschauerzahlen der Formel 1 weltweit geringfügig zurück. Von 515 Millionen auf knapp über 500 Millionen, was von Einbrüchen in neuen Kernmärkten ausging. Dazu zählen China, Russland und die Vereinigten Staaten von Amerika. In den USA entsprachen die Quoten nicht den Erwartungen, obwohl es erstmals seit fünf Jahren wieder ein Rennen auf US-amerikanischem Boden gab. Der Grand Prix wurde im Fahrerlager zwar mit viel Applaus bedacht, doch die Formel-1-Zuschauer in Amerika gingen um drei Prozent auf 9,7 Millionen zurück.
Den größten Zuschauer-Rückgang hatte 2012 aber China zu verzeichnen. Dort nahm das Publikum um ein Drittel ab: von 78,5 auf "nur" 48,9 Millionen, weil die Formel-1-Übertragungen mit anderen örtlichen Sportveranstaltungen kollidierte. In Russland gingen die Zuschauerzahlen um 12,8 Prozent zurück. Und das, obwohl schon im kommenden Jahr der erste russische Grand Prix in Sotschi stattfinden wird. Der Rückgang ist aber wohl auf das bescheidene Abschneiden von Russlands einzigem Formel-1-Fahrer Witali Petrow zurückzuführen. Er hatte 2012 keine Punkte geholt und erhielt keinen neuen Vertrag für 2013.
Tendenz zu mehr Bezahlfernseh-Inhalten
Deutschland war aber nicht der einzige Traditionsmarkt, der mit den Einschaltquoten zu kämpfen hatte. In Großbritannien gingen die Zuschauerzahlen um 3,8 Millionen auf 28,6 Millionen zurück. Erstmals war die TV-Berichterstattung dort zwischen der frei empfangbaren BBC und dem Bezahlsender Sky aufgeteilt worden.
Erst dieser Tage wurde ein neuer Vertrag unterschrieben, wonach die Formel 1 ab dieser Saison in Frankreich nur noch im Bezahlfernsehen bei Canal+ zu sehen ist. Im vergangenen Jahr hatten Italien und die Niederlande ebenfalls mit neuen Verträgen bereits zu einem Modell gewechselt, in dem die Formel-1-Berichterstattung teilweise durch frei empfangbare Kanälen und teilweise durch Bezahlsender erfolgt. Dieser Ansatz könnte Schule machen, denn im Zuge des 2012 auf Eis gelegten Formel-1-Börsengangs hatte Formel-1-Chef Bernie Ecclestone angekündigt, weitere Pay-TV-Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen.
Die Teams verfolgen diese Entwicklung, die Tendenz zu mehr Bezahlfernseh-Inhalten, genau. "Das könnte das Fanprofil schärfen und zu einem etwas besser informiertem Publikum führen", meint Lotus-Teamchef Eric Boullier. "Wir müssten aber unsere Sponsoren-Daten genau unter die Lupe nehmen, wenn es sich dabei um eine weltweite Tendenz handelt."
Weniger Zuschauer, geringere Budgets
Denn der Verlust an TV-Zuschauern trifft die Teams in einem ohnehin schwierigen Wirtschaftsklima just an ihrer Budgetkasse. Im Schnitt tragen Sponsorenverträge rund 42 Prozent zum Gesamtbudget eines Formel-1-Teams bei. Und je geringer die Zuschauerzahlen, umso geringer die Beträge, die ein Rennstall dafür ansetzen kann.
Doch aus der Sicht der Rennställe ist nicht alles schlecht. In diesem Jahr erhalten sie beispielsweise erstmals 63 Prozent der gesamten Formel-1-Profite als Preisgelder. Das bedeutet: Die Teams profitieren von den steigenden Preisen der TV-Rechte. Der Deal in Großbritannien, der dort die BBC und Sky umfasst, ist so ein Ecclestone'sches Meisterstück, der pro Jahr rund 100 Millionen US-Dollar (etwa 75 Millionen Euro) wert sein soll.
Das entspricht einer Wertsteigerung von 25 Prozent gegenüber der vorherigen Berichterstattung, die lediglich im frei empfangbaren Fernsehen erfolgte. "Ich denke, Sky hat gute Arbeit geleistet. Ich bin zufrieden damit. Sie hatten schließlich nie irgendwelche Zuschauerzahlen als Ziel ausgegeben", sagt Ecclestone dazu.
Brasilien ist der Formel-1-Topmarkt
2011 spülten die TV-Rechte insgesamt 488,9 Millionen US-Dollar (rund 366 Millionen Euro) in die Formel-1-Kassen, was 32,1 Prozent der gesamten Einkünfte darstellte. Fast drei Viertel dieser Summe stammen aus nur zehn Märkten, die neben Großbritannien und Italien auch Frankreich und Spanien umfassen. In Spanien läuft der aktuelle TV-Vertrag übrigens zum Jahresende aus.
Der Formel-1-TV-Report gibt in diesem Jahr darüber hinaus erstmals keine Auskunft über die Zahl der weltweiten Formel-1-TV-Zuschauer. Ecclestone: "Eine kleine Handvoll an Gebieten hat die Erwartungen an die Reichweite nicht erfüllt. Die Verluste in China konnten nicht durch eine sehr große Zunahme an anderer Stelle ausgeglichen werden."
Der größte Markt für die Formel 1 ist Brasilien. Dort stiegen die Zuschauerzahlen im vergangenen Jahr um 8,9 Prozent auf 85,6 Millionen an. Spanien und Italien hatten kleinere Zuwächse zu verzeichnen. Dort gingen die Zahlen um 11,5 beziehungsweise 15 Prozent nach oben. Was sicherlich auf die starke Leistung von Fernando Alonso, dem Spanier bei Ferrari, zurückzuführen ist. Sollte es Alonso in diesem Jahr gelingen, Red Bull den Titel abzunehmen, dann könnte es ihm auch im Alleingang gelingen, die sinkende Tendenz der Formel-1-Zuschauerzahlen zu stoppen.