Ex-Renault-Testpilotin Carmen Jorda fordert eine Formel 1 für Frauen: Wie sie damit einen Shitstorm auslöste und vor allem von Kolleginnen scharf attackiert wurde
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Lange war es ruhig um die ehemalige Renault-Testpilotin Carmen Jorda. Doch am internationalen Mädchentag (11. Oktober) sorgte die 29-Jährige für Aufregung, als sie bei einer Diskussionsrunde ihrer Agentur klarstellte, dass sie Frauen in der Männerdomäne Formel 1 für chancenlos hält. "Es ist nicht fair mit Männern verglichen zu werden, weil wir niemals auf dem gleichen Niveau konkurrieren werden", sagte die Spanierin.
Und ergänzte später auf Twitter, dass sie ähnlich wie im Tennis oder im Fußball auch im Motorsport eine Trennung der Geschlechter fordert: "Ich glaube, eine Formel 1 für Frauen würde es uns ermöglichen, unsere Träume zu erfüllen und mit gleichen Voraussetzungen zu kämpfen." Frauen müssten "anerkennen, dass all die weltweit erfolgreichen Frauen-Sportarten Weltmeisterinnen hervorbringen. Bei unserem Sport ist das nicht der Fall."
Doch damit zog sich Jorda vor allem den Ärger vieler Rennfahrerinnen in den Sozialen Netzwerken zu. Die 16-jährige deutsche Formel-4-Pilotin Sophia Flörsch, die diese Saison am Sachsenring auf dem Podest stand, stellte rasch klar: "Dem kann ich nicht zustimmen. Das ist Unsinn. Die Herausforderung ist es, gegen die Besten anzutreten. Das ist keine Frage des Geschlechts."
Rennfahrerinnen-Front gegen Carmen Jorda
Und manche fühlten sich von Jorda sogar verraten. "Ich denke, dass einige von uns bereits das Gegenteil bewiesen haben", twitterte die Schweizerin Simona de Silvestro, die in der IndyCar-Serie im Jahr 2013 einmal Zweite wurde. Ex-IndyCar-Kollegin Pippa Mann verwies sofort auf die Dänin Christina Nielsen, die 2016 und 2017 die GTD-Klasse der US-amerikanischen IMSA-Serie für sich entschied: "Sie weiß das, oder nicht?"
Die 25-Jährige, die im Vorjahr in der Amateur-Klasse der 24 Stunden von Le Mans auf Platz sechs kam, ließ ihrem Ärger über Jorda auf Twitter freien Lauf: "Das ist so schlecht! Es ist so traurig, dass sie wegen der Formel 1 eine der stärksten weiblichen Stimmen im Rennsport ist."
Damit spielt Nielsen darauf an, dass Jorda nicht wegen ihres Könnens 2015 von Lotus und später von Renault als Testpilotin engagiert wurde, sondern aus Marketing-Gründen. Seit damals absolvierte sie übrigens kein Rennen mehr. Auch ihre Ergebnisse in den Nachwuchsklassen waren alles andere als berauschend: In 44 GP3-Rennen holte sie keinen einzigen Punkt und verlor pro Runde meist mehrere Sekunden auf die Spitze. Am Ende blieben von 2012 bis 2014 die Gesamtränge 28, 30 und 29.
Seit Lombardi im Jahr 1975 kein Erfolg mehr
Zu ihrer Verteidung muss man sagen, dass es Frauen seit jeher schwer hatten, sich in der Formel 1 durchzusetzen. Das bisherige Highlight war der halbe WM-Punkt der Italienerin Lella Lombardi, den sie wegen des Abbruchs des Grand Prix von Spanien 1975 für Platz sechs erhielt.
Die darauf folgenden Versuche von Frauen, in der Formel 1 Fuß zu fassen, waren nur bedingt von Erfolg gekrönt: Ex-DTM-Pilotin Susie Wolff absolvierte im Gegensatz zu Jorda einige Tests für Williams und kam auch bei Freien Trainings zum Einsatz, wodurch sie nach 20 Jahren Pause die erste Frau war, die an einem Rennwochenende zum Einsatz kam. Dabei fuhr fuhr sie durchaus achtbare Rundenzeiten. Ende 2015 hängte die Ehefrau von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff aber ihren Helm an den Nagel.
Warum Frauen in der Formel 1 kaum Erfolge vorweisen können
Auch die Schottin, die dieses Jahr ihr erstes Kind bekam, meldete sich nach Jordas Aussagen übrigens kritisch zu Wort: "Das Geschlecht ist irrelevant." Auf die Performance komme es stattdessen an. Dass sich Frauen vor allem in der Formel 1 bislang nicht gegen ihre männlichen Kollegen durchgesetzt haben, hat auch damit zu tun, dass deutlich weniger Mädchen eine Karriere im Motorsport überhaupt in Betracht ziehen.
"Das Schwierige ist, dass es 100.000 Jungs gibt, die in die Formel 1 wollen, aber nur 50 Mädchen. Bis sich dann eine Frau findet, die das Talent hat, dauert das einfach länger", meinte der amtierende Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg vor ein paar Jahren gegenüber der 'SportWoche'. Und auch die ehemalige Rallye-Pilotin Michele Mouton, die 1981 als erste Frau einen Rallye-WM-Lauf gewann, stimmt Rosberg zu: Ich persönlich bin überzeugt, dass es nur mit einer höheren Anzahl an Mädchen im Motorsport die Chancen geben wird, auf irgendeine Art erfolgreich zu sein."