Großbritannien-Vorschau: Heimspiel für die Gejagten

, 02.07.2014

Die Formel-1-Gemeinde betritt am Wochenende historischen Boden: Behält das Mercedes-Team auch beim Heimrennen in Silverstone die Oberhand?

Der Grand Prix von Großbritannien ist Tradition pur. Am 13. Mai 1950 fand auf dem ehemaligen Militärflugplatz Silverstone in der englischen Grafschaft Northamptonshire das erste Rennen der damals neu ausgeschriebenen Formel-1-Weltmeisterschaft statt. Seitdem hat sich viel getan in der Königsklasse. Vieles hat sich verändert, nur weniges ist geblieben.

Silverstone befindet sich - wenn auch in mehrfach umgebauter Form - noch immer im Kalender und dient am kommenden Wochenende wieder als Bühne für den Grand Prix von Großbritannien. Es ist die 65. Auflage dieses Events. In Silverstone wird dabei zum 48. Mal gefahren. Zwischenzeitlich war der britische Grand Prix auch in Aintree beziehungsweise Brands Hatch zu Hause.

In seiner heutigen Form misst der Silverstone Circuit 5,891 Kilometer und hat 18 Kurven. Vorjahressieger ist Nico Rosberg, der diesmal als WM-Spitzenreiter anreist. Mit 29 Punkten Vorsprung auf seinen Mercedes-Teamkollegen und Lokalmatador Lewis Hamilton geht Rosberg in dessen Heimrennen.

Die beiden Silberpfeil-Piloten gelten nach sieben Siegen aus den bisherigen acht Saisonrennen auch diesmal wieder als die Favoriten. Die Konkurrenz aber wittert nach zuletzt ansprechenden Vorstellungen Morgenluft. So ging der Sieg beim Grand Prix von Kanada vor knapp vier Wochen an Red Bull. Beim Grand Prix von Österreich vor knapp zwei Wochen konnte das Williams-Duo dem Mercedes-Werksteam lange Zeit Paroli bieten, wurde dann aber über die Boxenstoppstrategie auf die Plätze drei und vier verwiesen.

Im WM-Klassement führt Rosberg mit 165 Punkten vor Hamilton (136). Kanada-Sieger Daniel Ricciardo ist mit 83 gesammelten WM-Zählern Dritter und liegt damit zwei Plätze und 23 Punkte vor seinem Teamkollegen Sebastian Vettel. Zwischen den beiden Red-Bull-Piloten rangiert Ferrari-Speerspitze Fernando Alonso mit 79 Punkten.

Mercedes auf der Hut

Der amtierende Weltmeister Vettel hat nach zwei Ausfällen bei den zurückliegenden drei Rennen als Gesamtfünfter nur noch einen Zähler Vorsprung auf Landsmannn Nico Hülkenberg (Force India; 59). Kann Vettel ausgerechnet bei dem Rennen, bei dem er im vergangenen Jahr seinen einzigen Ausfall der Saison verkraften musste, zurückschlagen?

Bei Mercedes ist man jedenfalls gewarnt. "Die Konkurrenz rückt näher und bei uns läuten die Alarmglocken", beschreibt Niki Lauda, Aufsichtsratschef der Silberpfeile, die Ausgangslage vor dem Grand Prix von Großbritiannien, der für das gesamte Team ein Heimspiel ist. Die Chassis-Entwicklung ist in Brackley, die Motorenentwicklung in Brixworth angesiedelt.

Von Panik kann im Lager der WM-Führenden aber keine Rede sein. "Wenn die Alarmglocken rechtzeitig läuten, kann man auch reagieren. Nur wenn man sich zurücklehnt, was nicht unsere Absicht ist, dann verpasst man den Anschluss. Wir müssen das Auto jetzt konsequent weiterentwickeln", gibt Lauda die Mercedes-Marschrichtung vor dem Heimrennen vor.

Nur ein Heimsieg für Hamilton: Segen statt Enttäuschung

Doch nicht nur für das Team ist Silverstone ein Heimspiel. "Für jeden Sportler ist es großartig, in sein Heimatland zu kommen und es zu repräsentieren", sagt Lokalmatador Hamilton. "Die Unterstützung ist dort sehr viel größer als an jedem anderen Ort. Es ist einfach unglaublich, zu sehen, wie die Leute hinter einem stehen und wie sie einen mögen. Ich erhalte immer noch Nachrichten von Leuten, die mich 2008 gesehen haben und sagen: 'An diesem Wochenende ist ein Traum wahr geworden.'"

Der Triumph in seinem Weltmeisterjahr 2008 war für Hamilton (damals bei McLaren unter Vertrag) allerdings der einzige Heimsieg. Spürt der heutige Mercedes-Pilot angesichts der Ausbeute, von sieben Heimrennen nur eines gewonnen zu haben, so etwas wie Enttäuschung? "Ich sehe das nicht als Enttäuschung, sondern als Segen", stellt Hamilton klar.

"Viele britische Fahrer hatten ja gar nicht die Gelegenheit, zu gewinnen. Jenson war Weltmeister, aber er hatte nicht die Chance. Einmal gewonnen zu haben ist mehr als ich mir je hätte wünschen können", so der aktuelle WM-Zweite über sein Heimrennen.

Button erwartet emotionales Heimspiel

Der Grand Prix von Großbritannien ist für drei Piloten das Heimrennen: Neben WM-Kandidat Hamilton sind dies der angesprochene McLaren-Pilot Button und Max Chilton (Marussia). "Ich glaube, der britische Grand Prix ist für jeden britischen Fahrer etwas ganz Besonderes", sagt Button

"Es ist eine der Oldschool-Strecken, wo die Tribünen voll sind. Die britischen Fans unterstützen eigentlich jeden sehr gut - die Landsleute natürlich ein bisschen mehr, aber trotzdem unterstützen sie immer noch alle. Das ist einfach toll", bemerkt Button und kommt zum Schluss: "Eigentlich genießt jeder Pilot den britischen Grand Prix, wenn es um das Event an sich geht."

Für den Weltmeister von 2009 wird der 15. Heim-Grand-Prix seiner Formel-1-Karriere auch aus anderer Sicht ein ganz besonderer. Erstmals muss er vor heimischem Publikum auf die Unterstützung seines Vaters verzichten. John Button erlag am 12. Januar einer Herzattacke. "Ich werde einen pinkfarbenen Helm tragen. Es wird generell viel Pink zu sehen sein in Silverstone. Ich freue mich sehr drauf, aber es wird auch sehr emotional", ist sich der 34-jährige McLaren-Pilot sicher.

Platzt bei Williams der Knoten?

Basierend auf den Erkenntnissen des bisherigen Sasionverlaufs zählt das McLaren-Team mit Button und Rookie Kevin Magnussen auch in Silverstone nicht zum engen Favoritenkreis. Gleiches gilt für das nur einen Steinwurf vom Silverstone Circuit entfernt ansässige Lotus-Team mit den Piloten Romain Grosjean und Pastor Maldonado. Force India mit Sergio Perez und Hülkenberg, vor allem aber Williams mit Valtteri Bottas und Felipe Massa, dürfen sich nach den jüngsten Vorstellungen deutlich größere Hoffnungen auf ein gutes Ergebnis machen.

Und was ist mit Ferrari? Zwar ist Alonso neben Rosberg und Hülkenberg der einzige Fahrer im Feld, der bei allen acht Rennen im bisherigen Saisonverlauf in die Punkteränge gefahren ist. In die Nähe eines Sieges ist die Scuderia mit dem F14 T bisher aber nicht gekommen. Alonsos dritter Platz beim Grand Prix von China steht nach wie vor als einziger 2014er-Podestplatz des Teams in den Ergebnislisten. Rückkehrer Kimi Räikkönen liegt nach enttäuschender erster Saisonhälfte nur auf Gesamtrang zwölf. Der Finne braucht dringend ein Erfolgserlebnis. Ob dieses am Silverstone-Wochenende kommen wird, bleibt abzuwarten.

Reifenlieferant Pirelli hat für den britischen Grand Prix die beiden härtesten Mischungen im Sortiment ausgewählt: Medium und Hard. Damit setzt man in puncto Auswahl der Mischungen erneut auf die 2013er-Karte. Ein Reifendebakel wie vor zwölf Monaten will man diesmal aber unbedingt vermeiden.

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