Der Wechsel von McLaren zum Mercedes-Werksteam bringt Lewis Hamilton Unabhängigkeit - auch mit Einflüssen von außen will er in Zukunft anders umgehen
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Der Wechsel von Lewis Hamilton von McLaren zum Mercedes-Werksteam brachte dem 28-Jährigen nach eigenen Aussagen Eigenständigkeit und eine zuvor nicht gekannte Unabhängigkeit. Ein Rückblick: Im Jahr 2007 debütiert er im Alter von 22 Jahren als Teamkollege von Fernando Alonso bei McLaren. Der erste dunkelhäutige Formel-1-Pilot erobert die Formel 1 im Sturm: Erstes Rennen, erster Podestplatz. Beim sechsten Saisonlauf in Kanada der erste Grand-Prix-Sieg. Im Jahr 2008 wird er, zum damaligen Zeitpunkt, jüngster Weltmeister aller Zeiten.
Zwei Männer haben damals an seinem Aufstieg einen maßgeblichen Anteil: Sein Vater Anthony und der damalige McLaren-Teamchef Ron Dennis, als dessen Ziehsohn Hamilton gilt. Zwischen beiden gäbe es "definitiv Parallelen", berichtet der Brite 'Mirror'. Beide seien ähnliche Charaktere sowie sehr ehrgeizige und starke Personen: "Mein Vater ist der Kopf der ganzen Familie, jeder geht zu ihm. Er ist wie der 'Godfather'." Diese Bezeichnung habe auch Dennis bei seinem ehemaligen Team inne, fügt Hamilton hinzu: "Bei McLaren ist Ron der 'Godfather'."
So hoch und glänzend wie sein Stern aufging, erging es Hamilton in der Folgezeit jedoch nicht immer. Unter anderem die Kontrolle seitens des Teams und seinem Vater machten ihm zu schaffen. Im Jahr 2010 entschied Hamilton, sich von seinem Vater als Manager zu trennen. An dem Punkt, wo es um seine Eigenständigkeit ging, hatte der Brite ein wenig Angst: "Ich wusste nicht, ob es richtig oder falsch war, weil ich so aufgewachsen bin." Er sei einfach nichts anderes gewohnt gewesen: "Ich war, seit ich denken kann, in einer sehr kontrollierten Umgebung. Erst in den letzten Jahren entkam ich dieser Kontrolle."
Hamilton sieht unter anderem fehlende Motivation als Ursache
"Da war dieser Druck, den ich jetzt nicht mehr habe", berichtet Hamilton über das veränderte Verhältnis zu seinem Vater. "Das schöne ist, dass ich jetzt meinen Vater anrufe und sage: 'Dad, ich habe mich entschlossen ein Haus oder ein Auto zu kaufen und ich möchte es dir gerne zeigen.' Es ist eine andere Chemie zwischen uns, die ich zuvor nicht hatte." Ende 2012 verließ er mit McLaren das Team, in dem er aufgewachsen ist und in dem er im übertragenen Sinne seine Pubertät durchlebt hat. Neben dem Fahrertitel 2008 auf der Haben-Seite stehen einige Fahrfehler und Momente der Unkonzentriertheit im Soll.
"Es war mangelnde Energie und fehlende Motivation", blickt Hamilton selbstreflektierend auf die Zeit zurück, die als "eine Krise, aber keine Depression" beschreibt. Es gab Momente, so Hamilton, wo er nicht in der Lage gewesen sei, sich auf die Arbeit zu konzentrieren: "Es gab einen Punkt, wo ich gefahren bin und einfach einen Unfall gebaut habe. Ich war nicht auf der Höhe."
In der Königsklasse des Motorsports darf man sich jedoch nicht von äußeren Einflüssen beeindrucken lassen: "In der Formel 1 musst du die ganze Zeit zu 100 Prozent fokussiert sein. Du hast nicht die Zeit, an etwas anderes zu denken." Aus dieser lehrreichen Phase seiner Karriere hat der Mann aus Stevenage eine wichtige Erkenntnis für sich gezogen: "Es hat bei mir Jahre gebraucht um an den Punkt zu gelangen, dass es mich nicht stört, was andere Leute sagen."
Hamilton fühlt sich bei Mercedes freier und unkontrollierter
"Ich glaube, dass ich definitiv eine dickere Haut entwickelt habe", sagt Hamilton 'Daily Mail'. Ein Beispiel, wie der neue Hamilton mit Kritik und Einflüssen von außen umgeht, liefert er umgehend: Zunächst bezeichnete der dreimalige Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart Hamiltons Wechsel zu Mercedes als größten Fehler seiner Karriere. Später korrigierte sich der Schotte: Er könne sich nun doch vorstellen, dass der Brite die Weltmeisterschaft gewinnen könne. Hamiltons Konter: "Ich bin jetzt mehr im Einklang, weil sich meine mentale Stärke verbessert hat. Wenn Jackie Stewart also über mich spricht, lache ich darüber."
"Manche Menschen sind neugierig oder haben nichts Besseres zu tun. Sie haben ein Recht auf ihre Meinung, aber Jackie redet viel", legt Hamilton gegenüber 'Daily Mail' nach. Mit seinem Vater habe er wieder ein gutes Verhältnis, wie Hamilton betont: "Die Sache mit meinem Vater ist jetzt gut, aber das war nicht sofort so. Es bedurfte einer Menge Unterhaltungen."
Nach der erfolgreichen Abnabelung von seinem Vater und seiner "Kinderstube" McLaren kann der Brite bei Mercedes endgültig erwachsen und unabhängig werden: "Niemand kontrolliert mich jetzt. Ich bin in der Lage, mein eigener Herr zu sein", sagt Hamilton, gleichwohl er weiß, dass mit Ross Brawn, Toto Wolff und Niki Lauda drei neue Chefs auf der Kommando-Brücke sitzen: "Meine Familie hat mir eine gute Moral und Grundlagen mitgegeben. Ich bin in der Lage, jederzeit respektvoll zu sein."
Mit dem bisherigen Saisonverlauf kann der Brite zufrieden sein: Bei allen vier Rennen kam er mit seinem Silberpfeil ins Ziel. Die beiden fünften Plätze beim Auftakt in Australien sowie beim vorigen Grand Prix in Bahrain wurden eigerahmt von jeweils zwei Podest-Besuchen auf Platz drei. Eine Fortsetzung dieser Serie strebt er beim Großen Preis von Spanien (10. bis 12. Mai 2013) an. "Ich bin jetzt glücklicher", freut sich Hamilton. "Ich kann jetzt Dinge tun und muss es nicht mehr jemandem erzählen", so der Brite gegenüber 'Mirror'.