"Er hat es versemmelt", sagt Sportchef Wolff, ohne seinen Piloten anzuprangern - Nach dem Fauxpas mit durchdrehenden Rädern war Platz zwei das Optimum
© Foto: xpbimages.com
Es war alles angerichtet für den Sieg beim Italien-Grand-Prix in Monza, doch Lewis Hamilton warf den nach dem Qualifying scheinbar beschlossenen Erfolg am Sonntag weg - direkt am Rennstart. Beim Losfahren von der Pole-Position hatte der Brite zu stark durchdrehende Räder und fiel auf den sechsten Rang zurück, ehe er sich mit zwei Überholmanövern und mit der Hilfe der Boxenstrategie wieder auf Platz zwei vorarbeitete. Noch im Boxenfunk nahm Hamilton die Sache auf seine Kappe und beruhigte seine Ingenieure: "Jungs, macht euch wegen des Starts keine Sorgen, das war mein Fehler."
Auch nach dem Rennen streitet er nicht ab, die Schuld zu tragen und fortan chancenlos gewesen zu sein. "Ganz einfach", sagt Hamilton, "der Start war entscheidend, und danach wollte ich einfach nur zurückkommen, punkten und Zweiter werden." Teamkollege und WM-Rivale Nico Rosberg war ab der ersten Runde auf und davon. Er zog den Plan durch, mit dem Hamilton bis zum Erlöschen der Ampel geplant hatte. "Er ist mit freier Fahrt weggezogen und hat es laufen lassen", seufzt der Brite.
Hamilton dagegen sollte trotz Verkehr die Reifen schonen, zumal ein möglicher Bremsplatter aus dem Qualifying zusätzlich für Bauchschmerzen sorgte. Das tat er, nachdem er sich an Daniel Ricciardo im Red Bull und an Valtteri Bottas auf Rang vier vorgearbeitet hatte. Die Ferrari kassierte Hamilton dank perfekter Boxenstopps mit taktischen Mitteln. Sowohl Sebastian Vettel als auch Kimi Räikkönen kamen zweimal, der Weltmeister zog einen langen ersten Stint auf Soft durch und legte am Ende zu. Er holte sich kurz vor Halbzeit Mediums und fuhr das Podium sicher nach Hause.
Neue Startregeln sorgen für mehr Fehlerquellen
Hamilton lobt seine Crew für das Lösen einer kniffligen Aufgabe: "Wir haben die beste Strategie durchgezogen. Wenn man aber hinter langsamen Autos steckt..." Er habe sich nur rehabilitieren wollen, nicht mehr an den Sieg gegen Rosberg gedacht. Und immerhin musste er nicht in dem Stile durch das Feld pflügen wie nach Antriebsstrafen in Spa-Francorchamps. "Eigentlich ein einfaches Wochenende verglichen mit dem vergangenen", ist Hamilton wieder zu Scherzen aufgelegt.
Nach großen Lobeshymnen infolge der Fabelrunde am Samstag musste Mercedes-Sportchef Toto Wolff seinem Superstar ein schlechtes Zeugnis ausstellen - ohne Vorwürfe zu formulieren: "Das hat er versemmelt", stellt er klar, will seinen Schützling damit aber nicht an den Pranger stellen. "Wir versuchen, im Team Transparenz zu haben. Mal machst du den Fehler, mal ein anderer. Aber wir zeigen nicht mit dem Finger drauf, sondern versuchen, das Problem zu lösen", erklärt Wolff.
Auch wenn Hamilton wohl nicht akkurat mit der Kupplung arbeitete, Mercedes wird in dem Fall Ursachenforschung betreiben. "Wir wissen es nicht ganz genau. Die Hinterreifen sind von Anfang an weggerutscht", schildert Chefingenieur Aldo Costa seine Beobachtungen. 'Sky'-Experte Marc Surer wundert sich derweil: "Er fuhr rechtzeitig los, aber dann ging nichts mehr. Ich denke, dass er in den zweiten Gang schaltet und dann durchdrehende Räder bekommt." Bei über 900 PS Systemleistung und einer Beschleunigung in 2,5 Sekunden von null auf 100 ist das fatal.
Übrigens: Im Funk wurde Hamilton offenbar noch deutlicher als bei den Worten, die im TV-Bild gesendet wurden. "In Deutschland und in Österreich hat man das Wort verstanden. Er war einfach so dominant gestern im Qualifying - und dann hat er es am Start verloren", sagt Toto Wolff. Es war nicht das erste Mal, dass Hamilton den Start verpatzte. Nach vielen Kupplungsproblemen zum Saisonauftakt misslang das Losfahren auch in Kanada. Anschließend hatte nur noch Rosberg Probleme, was den Sportchef nicht wundert: "An einem Tag geht es richtig gut, an einem richtig schlecht. Wir haben die Regeln geändert und den Fahrern mehr Verantwortung gegeben. Das kann passieren."