Hamiltons in der Zwickmühle: Treue oder Erfolg?

, 16.07.2012

Der Brite muss an der sportlichen Konkurrenzfähigkeit seines langjährigen Teams zweifeln, weiß aber, was er an McLaren hat - Lösung Ein-Jahres-Vertrag?

Die einst spannendste Frage auf dem Formel-1-Transfermarkt scheint nicht mehr zu lauten, ob Lewis Hamilton einen Vertrag bei McLaren unterschreibt - sondern wann er es tut. Für den 27-Jährigen liegen kaum noch Optionen auf dem Tisch. "Wir haben uns noch nicht zusammengesetzt und das besprochen. Aber ich bin mir sicher, dass es gut wäre, während der Sommerpause etwas in die Gänge zu bringen", zitiert 'Autosport' den Briten aus einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur 'R-Sport'. Das klingt danach, als seien die Würfel gefallen.

Hamilton will weder Stress noch Druck: "Das wäre eine Zeit, in der wir entspannter sein und die vernünftigste Entscheidung für die Zukunft treffen können", insistiert er. Der Ex-Weltmeister will sich nicht von der aktuellen Formschwäche seines Teams leiten lassen. "Man muss seine Entscheidungen mit Blick auf einen viel, viel größeren Zeitraum treffen. Ein halbes Jahr kann nicht sechs Jahre- oder sogar 13 Jahre - der Zusammenarbeit prägen."

McLarens Patzer veranlassen zum Grübeln

Doch Hamilton sitzt in der Zwickmühle. Einerseits fühlt er sich McLaren verpflichtet und schätzt Woking als sicheren Hafen. Er hat viele Vertraute. Anderseits braucht er für sein sportliches Glück ein Auto, mit dem er um den Titel fahren kann. "Es gibt einige Dinge zu berücksichtigen. Ich arbeite mit dem Team, seitdem ich 13 oder 14 Jahre alt bin. Diese Leute haben mich unterstützt, mich in die Formel 1 gebracht. Aber ich will eben auch gewinnen", beschreibt Hamilton das Dilemma.

Zweifel an der Siegfähigkeit von McLaren sind - zumindest in der laufenden Saison - angebracht. Das Team leistete sich mit Hamilton zahlreiche Schnitzer: Strafversetzung wegen Getriebewechsels in China, Boxenstopp-Probleme in Bahrain, der Fauxpas mit der Spritmenge in Spanien und ein Strategiepatzer in Monaco. Dazu haben Ferrari und Red Bull ein Entwicklungstempo vorgelegt, dass McLaren offenbar im Moment nicht mitgehen kann.

Zu wenig neue Teile aus Woking

Hamilton betont, eine komplexe Entscheidung treffen zu müssen: "Es geht also um viel mehr als die kleinen Details, es ist ein viel, viel größeres Puzzle", sagt der Brite, der die aktuelle McLaren-Krise nicht überbewerten will. "Ich war das ganze Jahr über bereit, Rennen zu gewinnen. Wir hätten viel mehr siegen sollen als wir es tatsächlich getan haben, aber es sind noch viele Grand Prix zu bestreiten. Wir haben noch mehr Chancen." Nur wann reißt der Geduldsfaden?

Denn Hamilton weiß auch: "Bis jetzt haben wir nicht so schnell entwickelt wie andere." Allen voran die Tatsache, dass für den Heim-Grand-Prix in Silverstone keine bahnbrechenden neuen Teile vorbereitet wurden, hatte Hamilton geärgert. "Andere haben in der Vergangenheit mehr Upgrades gebracht, aber wir haben ein großes für das nächste Rennen in der Hinterhand. Hoffentlich tut es, was es soll und bringt uns zurück in eine gute Ausgangsposition", gibt er sich optimistisch.

Siegen als oberste Maxime

Doch geht es wirklich um das aktuelle Auto? 'Autosport'-Redakteur Jonathan Noble schreibt in seiner Kolumne: "Vielleicht brennt Hamilton gar nicht so unter den Nägeln, was ihn im Moment frustriert. Vielleicht ist es eher die Frage, wie sich die Dinge in der Zukunft entwickeln", spekuliert er. "Er könnte das Gefühl bekommen, dass McLaren für ihn nicht so einen guten Job macht wie er für McLaren - auch wenn er das in der Öffentlichkeit niemals zugeben wird."

Eine Aussage, die Hamilton selbst im Gespräch mit 'R-Sport' macht, untermauert diese These: "Ich bin nicht mehr so jung und will sicherstellen, dass jede Entscheidung, die ich treffe, die richtige ist und ich so alles aus meiner Karriere herausholen kann." Dabei scheint der sportliche Erfolg die Verbundenheit zu McLaren in den Hintergrund zu drängen: "Ich muss nur sicherstellen, dass ich gewinne. Dafür lebe ich, dafür trainiere ich und dafür arbeite ich jeden Tag."

Flexibilität durch Ein-Jahres-Vertrag?

Zurück zu den nicht vorhandenen Optionen: Nach Mark Webbers Vertragsverlängerung bei Red Bull dürfte der Weg zu den Österreichern endgültig versperrt sein, bei Ferrari scheint Sebastian Vettel deutlich höher im Kurs zu stehen und eine Zusammenarbeit mit Fernando Alonso wäre ohnehin auf tönernen Füßen gebaut. Die einzig verbleibende Wechseloption - Mercedes - ist nur dann eine, wenn Michael Schumacher seine Karriere beendet. Der Rekordweltmeister spielt jedoch auf Zeit. Zeit, die Hamilton nicht hat.

Heißt die Lösung also Ein-Jahres-Vertrag bei McLaren, wie Noble es glaubt? Wird aus verschiedenen Quellen immer wieder ein Deal über fünf Jahre und 100 Millionen Euro kolportiert, könnte eine entsprechende Einigung für Hamilton zwar finanzielle Nachteile, dafür aber sportliche Flexibilität bringen. Hinzu kommt, dass die Partnerschaft mit Hauptsponsor Vodafone über das Jahr 2013 hinaus ungeklärt ist steht und das neue Reglement ab 2014 die Dinge in einem neuen Licht erscheinen lassen könnte.

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