Handschlag Red Bull & Mercedes: Missverständnis mit Folgen

, 07.11.2015

Laut Bernie Ecclestone hat Red Bull den Renault-Deal gekündigt, weil man nach einem Handschlag Lauda-Mateschitz glaubte, Mercedes in der Tasche zu haben

Eigentlich wollte Red-Bull-Konzernchef Dietrich Mateschitz bis Ende Oktober Klarheit darüber, mit welchen Motoren seine beiden Formel-1-Teams 2016 antreten sollen. Diese Frist wurde nun noch einmal um drei Wochen verlängert. Bekannt geworden ist inzwischen aber, warum Red Bull überhaupt in der Motorenmisere steckt: Ein Missverständnis mit Folgen...

Im Juli dieses Jahres zeichnete sich bereits ab, dass Red Bull den bis Ende 2016 laufenden Vertrag mit Renault vorzeitig kündigen würde. Das Wunschszenario war Mercedes, der anerkannt beste Antriebsstrang in der gegenwärtigen Formel 1. Also fand ein Treffen zwischen Mateschitz und Niki Lauda statt.

"Ich kenne ihn gut", erinnert sich Lauda daran. "Die erste Frage, die ich ihm gestellt habe, war: 'Kannst du bitte dein negatives Denken über Mercedes beiseite schieben? Sonst wird es nicht funktionieren.' Er hat mich eine Weile angesehen, weil er Mercedes aus irgendeinem Grund nicht mag, und dann hat er gesagt: 'Okay, machen wir.'"

Der Mythos um die "Brausehersteller"-Aussage

Warum Mateschitz Mercedes nicht mag, darüber ranken sich im Paddock Mythen. Am hartnäckigsten hält sich die Theorie, dass der Energydrink-Milliardär Toto Wolff nie verziehen hat, vom Mercedes-Sportchef abschätzig als "Brausehersteller" bezeichnet worden zu sein, ohne die gleiche Formel-1-Tradition wie die großen Hersteller. So oder so: Die Red-Bull-Granden Mateschitz und besonders Helmut Marko sprechen mit Lauda relativ offen, haben mit Wolff aber keine Freude.

Aber zurück zum Meeting Mateschitz-Lauda. "Die andere Sache", so Lauda, "über die wir gesprochen haben, war, dass wir gemeinsam wachsen wollen, wenn wir ihnen einen Motor geben. Wir würden ihnen einen Motor geben, weil wir wollen, dass die jungen Red-Bull-Kids eine A-Klasse fahren. Langfristig hätten wir uns eine gesunde Kooperation zwischen der Marke Red Bull und Mercedes gewünscht. Aber er kam nie auf uns zurück, also haben die Verhandlungen nie offiziell begonnen. Damit war die ganze Sache gestorben."

Das war im Juli dieses Jahres. Aber noch bevor die Verhandlungen endgültig für gescheitert erklärt wurden, kam es (nach dem Meeting Mateschitz-Lauda) zu einem weiteren Gespräch, das bisher nicht öffentlich bekannt war. "Ende Juli", verrät Wolff, "fand eine Telefonkonferenz mit Bernie (Ecclestone), Christian (Horner; Anm. d. Red.) und mir selbst statt, nachdem Niki Dietrich Mateschitz getroffen hatte."

Keine Mercedes-Aktivitäten gegen Renault

Denn: "Für uns sind zwei Punkte extrem wichtig. Punkt eins: Wir brauchen eine Carte blanche von Renault", stellt der Mercedes-Sportchef klar. "Renault ist ein Industriepartner von Mercedes, und wir würden nie etwas gegen Renault unternehmen. Solange uns Renault kein grünes Licht gibt, sind uns die Hände gebunden, weil das ein Vertragsbruch wäre. Das würden wir nicht tun. Es gibt zwischen Mercedes und Renault eine Zusammenarbeit, die weit über die Formel 1 hinausgeht. Wir haben in Mexiko sogar gemeinsame Fabriken."

Was viele nicht wissen: Der Daimler-Konzern und die Renault-Nissan-Allianz arbeiten auf dem Automobilmarkt eng zusammen. So stecken zum Beispiel in der von Lauda angesprochenen A-Klasse, die besonders ein junges Zielpublikum ansprechen soll, Renault-Motoren. Und solange der Vertrag zwischen Red Bull und Renault nicht formell gekündigt ist, wäre es für eine Drittpartei wie Mercedes unter Umständen sogar juristisch gesehen illegal, proaktiv eine Auflösung dieses Vertrags voranzutreiben, um selbst als Motorenlieferant einspringen zu können.

Wolff nennt zudem noch einen Punkt zwei, der aus Mercedes-Sicht gegen Red Bull spricht: "Wenn wir Red Bull einen Antrieb für die Formel 1 liefern, besteht die Möglichkeit, dass wir unseren eigenen Erfolg verwässern. Denn sie könnten mit dem von uns entwickelten Motor sehr erfolgreich sein. Fair and square. Aber um das hinnehmen zu können, müssen wir wissen, welche Marketingaktivitäten wir gemeinsam durchführen könnten."

Red Bull gibt zu: Zu negativ über Renault gesprochen

Sprich: Mercedes möchte wenigstens Red-Bull-Erfolge vermarkten können, wenn es keine eigenen durch das Werksteam gibt. Wolff: "Wenn wir schon in der Formel 1 beschädigt werden, wie viel können wir dann auf der globalen Bühne von den Red-Bull-Erfolgen profitieren? Können wir ein Sondermodell bringen, können wir gemeinsame Events durchführen, können wir gemeinsame Plattformen aufbauen? Wir haben zu ihnen gesagt: 'Bitte gebt uns den Namen einer Person, mit der wir darüber sprechen können.'"

Aber daraufhin ist von Red-Bull-Seite, zumindest laut Mercedes-Darstellung, nichts mehr passiert. Weswegen es jetzt für Red Bull als letzter Ausweg gilt, den bereits gekündigt geglaubten Renault-Vertrag doch noch irgendwie zu retten. Denn Ferrari hat abgesagt, Mercedes hat abgesagt, Honda darf wegen McLaren-Veto nicht und der Alternativmotor der FIA kommt, wenn überhaupt, frühestens 2017. Bleibt nur noch Renault.

Das sieht auch Lauda so, der regelmäßig mit seinem Landsmann Marko frühstückt: "Ferrari hat abgesagt, Mercedes kann nicht, weil wir schon vier Teams haben. Also bleibt nur noch Renault. Ich habe Marko gefragt, ob er zu negativ über Renault gesprochen hat. Seine ehrliche Antwort war: 'Ja.' Wenn Red Bull in der Formel 1 weitermachen will - und ich glaube, das wollen sie -, dann müssen sie mit Renault einen Weg finden. Das ist ganz klar."

Das Missverständnis um den Handschlag

Dass Red Bull die Partnerschaft mit Renault trotz Vertrag für 2016 als beendet dargestellt hat, liegt laut Formel-1-Boss Ecclestone übrigens an einem großen Missverständnis: "Zur Verteidigung von Red Bull, und ganz besonders von Christian, muss man sagen, dass der Grund für die Kündigung der Renault-Vereinbarung war, dass sie dachten, sie hätten einen Deal mit Mercedes. Weil sie sich darauf die Hand gegeben haben." Mit "sie" meint Ecclestone Mateschitz und Lauda, am Ende des geschilderten Meetings im Juli.

Aber das war offensichtlich ein folgenschweres Missverständnis: Denn Mateschitz verstand den Handschlag möglicherweise als Besiegelung einer mündlichen Vereinbarung über eine Motorenlieferung 2016, während Lauda ihm die Hand schüttelte, "um sich zu verabschieden", wie Ecclestone aufklärt. "Solche Dinge passieren in großen Familien", sagt der Formel-1-Boss, und Lauda stellt bezüglich einer angeblichen Einigung klar: "Nein. Wir haben uns nie die Hand drauf gegeben."

Auch wenn Marko laut Lauda zumindest im persönlichen Gespräch bereut, Renault öffentlich so stark kritisiert zu haben: Sobald Journalisten dabei sind, klingt das anders. "Man muss die Geschichte, den Hintergrund und die Umstände verstehen", relativiert Horner die Lauda-Behauptungen. "Es ist im Nachhinein immer leicht, dies und jenes zu sagen, aber es wurden auf beiden Seiten Dinge gesagt. Vieles konzentriert sich auf das, was Red Bull gesagt hat. Aber es ist keine Einbahnstraße."

Motor gekündigt, ohne einen neuen zu haben

Letztendlich bleibt stehen, dass sich Red Bull die Misere, keinen Motor zu haben, selbst zuzuschreiben hat. Man hatte einen bestehenden Vertrag mit Renault für 2016, der aus freien Stücken und ohne Not gekündigt wurde, weil man einen besseren Motor wollte. Jetzt den anderen Herstellern den Schwarzen Peter zuzuschieben, weil diese nicht liefern wollen, ist ein clever platziertes Ablenkungsmanövern von den eigenen Management-Fehlern.

Wolff weiß, wie man es besser macht: "Als ich zu Williams kam, hatte sich irgendjemand bei Williams für den Cosworth-Motor entschieden, weil der billiger war", erinnert er sich. "Er war damals aber nicht konkurrenzfähig. Also hatten wir die Wahl zwischen Renault und Mercedes. Ich kannte Mercedes ja gut, also ging ich zu Mercedes und fragte, ob wir Motoren haben können. Die Antwort war: 'Nein, könnt ihr aus diesem und jenem Grund nicht haben.'"

"Also gingen wir zu Renault, obwohl das damals nicht der beste Motor war. Er hat im Red Bull am besten funktioniert, wegen der Werkspartnerschaft und weil Red Bull die aerodynamische Nutzung der Auspuffgase perfektioniert hatte. Das funktionierte nur am Red Bull, weil das ein gemeinsames Entwicklungsprojekt war, und an keinem anderen Auto mit Renault-Motor", so der Österreicher. "Obwohl wir den schnellsten Motor, Mercedes, wollten, bekamen wir ihn nicht. Das war unsere Situation, und die ist ganz ähnlich wie die von Red Bull jetzt."

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