Norbert Haug sieht sich nicht als Bauernopfer und übernimmt die sportliche Verantwortung für die Misserfolge: "Ein Mercedes hat gefälligst zu gewinnen"
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Norbert Haug sieht sich knapp eine Woche nach seiner Ablösung als Motorsportchef von Mercedes nicht als Bauernopfer. Im Interview mit der 'Bild'-Zeitung erklärte Haug, dass er sowohl für Erfolge als auch für Misserfolge im Motorsport-Programm von Mercedes die Verantwortung übernehme: "Wenn ich mit unseren Niederlagen in den letzten drei Jahren nichts zu tun hätte, dann hätte ich auch mit unserem Sieg in China dieses Jahr nichts zu tun gehabt", erklärt Haug. Letztlich habe die schwache Leistung in der zweiten Saisonhälfte, die "nicht mehr akzeptabel" gewesen sei, den Ausschlag gegeben.
Haug gesteht in diesem Zusammenhang auch Fehler des Teams ein. Die Basis des W03 sei gut gewesen, aber "die Weiterentwicklung war schlecht bis sehr schlecht. Dann muss man als Chef ein Zeichen setzen - in das Unternehmen hinein und nach draußen. Jemand, der es über diese Zeitspanne nicht zum Erfolg bringt, muss die Konsequenz ziehen", so Haug. Nach 22 Jahren bei Mercedes sei Haug zwar stolz auf zahlreiche Erfolge, vor allem in der DTM, unter dem Strich habe jedoch der erfolgreiche Abschluss gefehlt.
"Das muss ich akzeptieren und das tut mir sehr leid", so Haug, der jedoch weiterhin fest an Erfolge von Mercedes in der Formel 1 glaubt. Das sei der Anspruch, denn der Hersteller an sich selbst richte: "Die Kollegen werden es vollenden. Nur darum geht es. Ein Mercedes hat gefälligst zu gewinnen, und vorher wird keiner im Team Ruhe geben."
Entscheidung erst nach Saisonende
Haug bestritt, dass sein Rücktritt schon vor dem Saisonende zur Debatte stand. An entsprechenden Gerüchten, die im Fahrerlager der Formel 1 kursierten, sei bis nach dem Rennen in Brasilien "nullkommanull dran gewesen. Erst dann habe ich mich mit dem Vorstand besprochen und wir sind gemeinsam zu dieser Lösung gekommen", so Haug. Nach Informationen der 'Sport Bild' sei Haug am Mittwoch nach dem Rennen in Brasilien (28. November) zu Daimler-Chef Dieter Zetsche bestellt worden.
Im Gespräch sei dann die Entscheidung für die Trennung gefallen, die jedoch erst am 13. Dezember dem Aufsichtsrat des Formel-1-Teams mitgeteilt worden sei. Auch Niki Lauda habe, so Haug, erst dann davon erfahren und sei keinesfalls die treibende Kraft hinter seiner Entmachtung gewesen. "Da ist nichts dran. Niki Lauda ist ein Freund von mir. Er kam über mich zu Mercedes", sagt Haug. Auch gesundheitliche Gründe hätten bei der Entscheidung keine Rolle gespielt: "Gott sei Dank gar nicht! Mir geht's sehr gut, ich bin total gesund", so Haug, der sich vor drei Jahren einer Operation an der Schilddrüse unterziehen musste.
Haug rechnet mit "Unruhestand"
Die Reaktionen auf seine Ablösung seien durchweg mitfühlend gewesen. "Ich habe von drinnen wie draußen überwiegend positives Feedback bekommen, und natürlich haben manche auch gesagt - und gedacht - endlich ist er weg", so Haug. "Drinnen sind wir ein eng zusammengeschweißtes Team. Aber wir sind bestimmt keine schnurrenden Pussycats mit Samtpfoten und übertriebener Harmonie-Sucht."
Einen Wechsel zu einem anderen Hersteller oder eine Rückkehr in den Journalismus schloss Haug aus: "Ich will mir viel Zeit für mich nehmen, mein Sportprogramm absolvieren, viel Ski fahren. Ich tippe eher auf Unruhestand." Auch als Buchautor will er nicht in Erscheinung treten, obwohl es bereits entsprechende Angebote gegeben habe.
"Den Titel 'Die Wahrheit über die Formel 1' wird es von mir sicher nicht geben. Auch nicht für hohe Geldbeträge." An Spekulationen über seine Nachfolge will sich Haug nicht beteiligen. Zu Namen wie Michael oder Ralf Schumacher oder Mika Häkkinen, die bereits gehandelt wurden, sagt er lediglich: "Ich hab da ehrlich gesagt meine Zweifel, ob das die geborenen Büroarbeiter sind."