Red Bull ist nach der Strafe gegen Max Verstappen sauer auf die Rennkommissare und den Prozess der Entscheidung: "Idioten-Steward" Garry Connelly im Blickpunkt
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Nach dem Rennen kannte die Wut bei Red Bull keine Grenzen mehr. "Solche Entscheidungen zerstören den Sport", tobt Motorsportberater Helmut Marko. Der Österreicher ist fassungslos über die Entscheidung der Rennkommissare, Max Verstappens Manöver in der letzten Runde des Großen Preises der USA mit einer Fünf-Sekunden-Strafe zu belegen und ihm somit den Podestplatz in Austin zu klauen.
Der Niederländer war wenige Kurven vor Rennende spektakulär an Kimi Räikkönen (Ferrari) vorbeigegangen, hatte bei seinem Angriff aber Kurve 17 abgekürzt und war mit allen vier Rädern neben der Strecke. Laut Reglement hat der Red-Bull-Pilot damit die Strecke verlassen und sich dabei einen Vorteil verschafft - was laut Regelbuch eben bestrafungswürdig ist.
Technisch kann man die Entscheidung der Rennkommissare daher vertreten, doch die Diskussionen entbrennen nun, ob ein solcher Weg der richtige ist, den die Formel 1 einschlagen will. "Mit diesen dummen Entscheidungen tötet man den Sport", kann Verstappen selbst die Rennkommissare nicht verstehen. "Ich bekomme eine Fünf-Sekunden-Strafe und einen Strafpunkt aufgebrummt. Aber wofür?"
Connelly schon in Mexiko im Fokus
Bei Red Bull richtet sich die Wut vor allem auf einen Mann: Garry Connelly. Der ehemalige Rallye-Pilot ist Direktor des Globalen und Australischen Instituts für Motorsport-Sicherheit sowie Mitglied des FIA-Motorsport-Weltrats - und regelmäßiger Rennkommissar in der Formel 1. Red Bull fühlt sich von ihm systematisch benachteiligt: "Es ist dieser eine Idioten-Steward da oben, der immer Entscheidungen gegen mich trifft", wütet Verstappen nach der Sanktion gegen seine Person.
Denn im Team hat man vor allem das Rennen in Mexiko im vergangenen Jahr nicht vergessen. Auch dort wurde das Podium durch eine schnelle Entscheidung der Rennkommissare noch einmal verändert. "Wir haben das Theater gehabt, als Max in einer halben Stunde einmal Dritter, einmal Vierter, einmal Fünfter war", winkt Helmut Marko ab. "Diese Marshalls hier - es waren die gleichen, die auch in Mexiko letztes Jahr dieses Desaster verursacht haben."
"Es ist immer der gleiche Steward", hadert auch Teamchef Christian Horner offen. Dabei hatte man gehofft, dass man solche Vorkommnisse wie in Mexiko-Stadt nicht noch einmal erleben muss. "Nach Mexiko haben sie gesagt, dass sie die vorschnellen Entscheidungen nicht mehr machen wollen. Sie wollen auf alle Fakten schauen, die Fahrer anhören und dann eine Entscheidung treffen. Und jetzt haben sie sofort eine Entscheidung getroffen - und zwar eine schockierende."
Horner moniert: Verstappen nie angehört
Und dieser Umstand stößt den Bullen sauer auf. Dem Team geht es nicht primär um die Diskussion, ob Verstappens Manöver legal oder nicht war, sondern man ärgert sich darüber, dass man nicht einmal die Chance bekommt, seine Sicht der Dinge zu schildern. Bei Rennzwischenfällen werden die beteiligten Piloten häufig noch einmal zu den Stewards gebeten, um sich zu erklären. In diesem Fall wurde aber sofort entschieden - ohne Chance auf Einspruch.
"Man kann sehen, dass Kimi in der Rechtskurve ein paar Probleme hat. Max hätte sagen können, dass er ihm ausweichen wollte. Aber sie haben ihm nicht einmal das Recht eingeräumt, zu antworten", schüttelt Christian Horner den Kopf. "Sofort ist die Entscheidung gekommen. Es wurde niemand angehört. Nichts. Wenn man Paragraphen reiten will: Gratuliere! Bestens gelungen", stimmt Marko wütend ein.
Dabei habe man in der Formel 1 doch einen neuen Weg einschlagen wollen: Weg mit den Strafen, her mit dem Racing! "Wir hatten ein langes Meeting mit Charlie Whiting (Formel-1-Rennleiter; Anm. d. Red.)", erklärt Niki Lauda. Dabei wurde der Wunsch geäußert, dass man die Rennfahrer Rennfahrer sein lassen und sich weniger einmischen soll. Bisher hat das in dieser Saison auch geklappt, doch in Austin kochen die Emotionen nach dem Verstappen-Manöver nun hoch.
Niki Lauda: "Sauerei!"
"Hier ist überhaupt nichts passiert. Max macht ein ganz normales Überholmanöver. Wenn man ihn dafür bestraft, dass er 30 Zentimeter über das rote Ding fährt, dann ist das eine Sauerei", äußert Lauda sein Unverständnis über die plötzlich so strikte Bestrafung. Die Crux: Laut Horner soll in der Fahrerbesprechung geklärt worden sein, dass Track Limits in Austin kein Thema seien. Viele Fahrer haben am Wochenende die Strecke ohne Konsequenzen verlassen - doch nur Verstappen wurde bestraft.
"Das ist falsch für den Sport. Es versteht kein Mensch. Er ist ein super Rennen gefahren und steht nicht auf dem Podium - und keiner weiß warum. Blöder kann man es nicht machen", äußert sich Lauda ziemlich eindeutig. "Das kann man der Außenwelt nicht verkaufen. Jeder vor dem Fernseher greift sich an den Kopf."
Das Problem ist in der Formel 1 aber hausgemacht. Auf den modernen Kursen gibt es fast überall breite asphaltierte Auslaufzonen statt Gras oder Kiesbett. Fahrer werden somit ermutigt, neben die Strecke zu fahren, weil es häufig keinen Nachteil mit sich bringt. Wäre an der Stelle Gras gewesen, dann wäre Verstappen dort auch nicht drübergefahren, da ist sich Rennsieger Lewis Hamilton sicher. "Das ist das Problem der heutigen Strecken. Überall gibt es diese verdammten Auslaufzonen", sagt er.
Marko: "Dann können wir gleich Playstation spielen"
Der Brite fordert, dass die FIA beim Bau neuer Strecken nicht überall einen breiten Asphaltauslauf anlegt, weil Fahrer diese heutzutage gerne ausnutzen und Fehler nicht bestraft werden. Außerdem kommt es dann nicht zu solchen Diskussionen, wie am Sonntagabend in Austin. "Man muss die Show und was er da gemacht hat im Vordergrund stehen lassen und nicht wegen zwei, drei Millimeter hin- und herdiskutieren", sieht auch Ex-Pilot Timo Glock das Problem.
Über weiße Linien diskutieren, will auch Helmut Marko nicht. Er will vor allem spannende Rennen sehen. "Wenn wir das nicht wollen, dann können wir gleich Playstation spielen", so der Österreicher. Denn statt Verstappen für sein mutiges Manöver zu feiern, wird nur diskutiert, ob er oder ob er nicht innerhalb der Streckenbegrenzung war. "Da kann man jede Argumentation finden, und das mit Recht. Aber darum geht es nicht", sagt Marko.
Für Red Bull fühlt sich die Entscheidung der Rennkommissare "einfach falsch" an. "Für mich war es faires und hartes Racing", meint Christian Horner. Selbst Kimi Räikkönen hatte nach dem Rennen erklärt, dass er überhaupt nicht gewusst habe, wieso Verstappen bestraft wurde, und auch Niki Lauda bezeichnet es als "ganz normales Überholmanöver".
Verstappen hofft auf Fan-Reaktion
"Aber wie zur Hölle erklärt man den Fans, dass der Kerl, der gerade das Manöver gezeigt hat, heute nicht auf dem Podium steht. Das ergibt keinen Sinn", meint Horner weiter und sieht es als Problem an, dass es ausgerechnet in den USA passiert ist, wo die Formel 1 bekanntermaßen ohnehin einen schwierigen Stand hat und dank Liberty Media wieder Fuß zu fassen versucht.
Ob sich die Entscheidung bei den Fans, die mit solchen Strafen in den USA eher wenig anfangen können, rächt, wird die Zukunft zeigen. Verstappen wünscht es sich auf jeden Fall: "Ich hoffe, dass den Fans die Entscheidung nicht gefallen hat und dass sie nächstes Jahr einfach nicht kommen", sagt er trotzig.
Und Papa Jos? Der hat seine eigene Theorie zur Entscheidung: Auf Twitter postete er ein Bild mit dem Logo der FIA und dem vermeintlich ausgeschriebenen Kürzel: "Ferrari International Assistance" ...