Interview: Die V8-Motoren und wie stark sie wirklich waren

, 12.12.2013

Renault-Motorenchef Rob White spricht im Interview über das Ende der V8-Ära in der Formel 1 und erklärt, was diese Triebwerke eigentlich ausgezeichnet hat

Ein letzter Schrei, dann Stille. So hat sich nach dem Formel-1-Saisonfinale in Sao Paulo der eine oder andere V8-Motor verabschiedet. Die Teams drehten die Aggregate in ihren Fahrzeugen noch einmal richtig auf und ließen die Motoren ihr Leben aushauchen. Denn 2014 werden diese Triebwerke nicht mehr gebraucht, weil dann 1,6-Liter-V6-Turbos zum Einsatz kommen. Was die Formel 1 an den bisherigen Motoren hatte und wie gut diese waren, erklärt Renaults Motorenchef Rob White im Interview.

Frage: "Rob, was waren die wichtigsten Entwicklungen am V8-Motor seit 2006?"

Rob White: "Die einfache Antwort ist: Wenn die Motoren eingefroren sind, kannst du nichts daran entwickeln. Es gab aber dennoch einige entscheidende Veränderungen, was den Einsatz und die Anforderungen der Motoren während der V8-Ära betraf. Eigentlich gab es in jedem Jahr eine Veränderung."

"Die erste kam schon 2007, als die wichtigsten Teile homologiert oder 'eingefroren' wurden. Außerdem wurde ein Drehzahl-Limit eingeführt. 2008 wurden die Homologierungs-Parameter erweitert und die SECU (Standard Electronic Control Unit, Einheitselektronik; Anm. d. Red.) eingeführt. 2009 wurden dann die Motoren pro Jahr und Fahrer auf acht Einheiten beschränkt. Das Drehzahl-Limit wurde von 19.000 U/min auf 18.000 U/min herabgesetzt."

"Zuletzt gab es immer wieder einige Klarstellungen bezüglich des Motormappings und des Einsatzes der Triebwerke. In der heutigen Formel 1 hast du die Herausforderung, bei einem straffen Reglement die beste Autoleistung zu generieren. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch an einen immer schwierigeren Motoren-Lebenszyklus und an eine längere Motoren-Laufzeit anpassen."

Das Reglement schränkt die Motorentechniker ein

"Früher konnte man die Motoren völlig beliebig einsetzen. Du konntest in einem Rennen einen Motor fahren und ihn vor dem nächsten Rennen austauschen. Das bedeutete: Du konntest den Motor ans absolute Limit bringen und musstest nicht auch an künftige Einsätze des Triebwerks denken."

"Weil im gesamten Jahr nur acht Motoren verwendet werden dürfen, müssen einige dieser Motoren drei Rennen überstehen. Wir haben daher sehr viel darüber gelernt, wie man den Motor und dessen Komponenten haltbarer machen kann, ohne dabei größere Veränderungen an der Technologie vorzunehmen oder einen Leistungsnachteil hinnehmen zu müssen."

"Das Ergebnis ist: Ein Motor hält jetzt 2.500 Kilometer durch, lässt dabei aber nicht entscheidend bei seiner Leistung nach. In der Vergangenheit lag die Haltbarkeit bei etwas mehr als 350 Kilometern. Wir absolvieren mittlerweile also mehr als das Siebenfache der Distanz von vor zwölf Jahren."

Was wäre, wenn...?

Frage: "Was könnten die bisherigen V8-Motoren leisten, wenn sie nicht eingefroren wären und wenn es kein Drehzahl-Limit gäbe?"

White: "Ohne das Drehzahl-Limit hätten wir natürlich immer höhere Drehzahlen angestrebt. Bis wir an den Punkt gekommen wären, an dem uns die Physik des Verbrennungsprozesses zu sehr eingeschränkt hätte, sodass die Zugewinne durch ein dann auftretendes Mehr an Reibung und Rotationsgeschwindigkeit immer kleiner geworden wären."

"Hätte es keine anderen Einschränkungen gegeben, glaube ich, würden wir jetzt bei 22.000 U/min stehen. Wahrscheinlich hätten wir weitere 75 PS gefunden (was einem Plus von etwa zehn Prozent entsprechen würde; Anm. d. Red.). Das würde in Monza einen Zeitgewinn von rund zwei Sekunden bedeuten."

"Doch es ist schwierig, das Niveau der Motorleistung am Limit des Technischen Reglements einzuschätzen, wenn man die Entwicklung gar nicht vorangetrieben hat. Man hätte sich die gleichen Bereiche angesehen, wie wir das auch während der eingefrorenen Motorenphase gemacht haben, also Auspuffsysteme und Motorenmappings und dergleichen mehr. Die Prioritäten wären aber vielleicht anders verteilt worden."

Frage: "Wie sehr unterscheiden sich die V8-Motoren der einzelnen Hersteller?"

White: "Viele Leute nehmen an, dass die Motoren ähnlich stark sind, weil die Spezifikationen eingefroren wurden."

"Die Motoren sind aber alle unterschiedlich, weil die Spezifikationen zu einem Zeitpunkt eingefroren wurden, als die V8-Triebwerke noch relativ am Anfang ihrer Entwicklung standen. Die technischen Regeln sind sehr streng und es gibt einige gemeinsame Eigenschaften wie beispielsweise die Bohrung oder das Drehzahl-Limit. Es gibt aber Tausende Designentscheidungen, die nicht in den Regeln festgehalten sind."

Ein Kraftpaket, auf das hohe Kräfte wirken

"Das mag vielleicht nicht so offensichtlich sein, doch in einem nicht eingefrorenen Szenario gibt es mehr Möglichkeiten, dass es zu Gemeinsamkeiten zwischen den Motorenherstellern kommt. Der Beitrag des Motors zur Gesamtleistung des Autos ist nun genauso wichtig. Selbst wenn die Motoren bei der Leistung eingefroren sind, so ist ihr Einfluss auf das Auto so wichtig wie eh und je."

Frage: "Welches Bauteil war bei den V8-Motoren am schwierigsten zu optimieren oder zu warten?"

White: "Bei einem Formel-1-Motor gibt es keine einfachen Themen. Alle Systeme und Teile verlangen viel und detaillierte Aufmerksamkeit, Fürsorge und Wartung. Am schwierigsten zu warten sind die Teile, die ständig beansprucht werden - wie Kolben, Verbindungsstreben und Kugellager."

"Ein Beispiel: Die Kolben werden auf das mehr als 8.000-fache der Erdanziehungskraft beansprucht. Sie beschleunigen von null auf einhundert km/h in weniger als einem Zweitausendstel einer Sekunde. Ein Kolben wiegt lediglich 250 Gramm. Doch wenn der Motor bei seinem Maximum von 18.000 U/min operiert - das sind 300 Umdrehungen pro Sekunde -, dann wirkt eine Kraft von zwei Tonnen auf Kolben und Pleuel."

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