Tief frustriert soll Lewis Hamilton nach dem Teamcrash in Spanien mit dem Ende seiner Karriere geliebäugelt haben - Musste Wehrlein deshalb spontan testen?
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Lewis Hamilton könnte der Mercedes-Truppe Ende Mai mit Rücktritt gedroht haben, weil ihm der teaminterne Umgang mit dem Stallcrash beim Spanien-Grand-Prix nicht geschmeckt haben soll. Nachdem solche Gerüchte monatelang durch das Fahrerlager geschwirrt waren, macht sich der Ex-Weltmeister nach Saisonende nicht die Mühe, die Sache zu dementieren: "Das ist eine private Sache. Sie liegt in der Vergangenheit und hat keine Bedeutung", sagt Hamilton 'Sky Sports F1'.
Es wird darüber spekuliert, dass der Brite es nicht verknusen konnte, dass Mercedes die Schuld an dem Unfall nicht zu 100 Prozent bei Nico Rosberg sah. Ergo soll ein verstimmter Hamilton - nach einem Saisonauftakt mit vier Rennsiegen für den deutschen Erzrivalen, mit zahlreichen technischen Defekten zu seinen Ungunsten und mit 43 Zählern Rückstand in der WM-Gesamtwertung - die schweren Geschütze aufgefahren haben. Angeblich war sein Plan, die Brocken sofort hinzuwerfen, nicht mehr ins Auto zu steigen und am Saisonende seine Formel-1-Laufbahn komplett zu beenden.
Als Hamilton im Mai von "einem gewaltigen Tief" in seiner Laufbahn sprach, vermisste er offenbar den Rückhalt der auf absolute Neutralität eingeschworenen Teamführung um Sportchef Toto Wolff und Team-Aufsichtsrat Niki Lauda. Insbesondere die Rennlegende aus Österreich galt immer als ein Intimus des exzentrischen 31-Jährigen. Hamilton sprach damals in der Tat von einem intensivem Nachdenken: "Ich bin am nächsten Tag aufgewacht und Laufen gegangen. Das ist Routine bei mir. Wenn ich Laufen gehe, dann denke über viele ganz verschiedene Dinge nach", so Hamilton.
Schauspieler oder eigene Platte: Hamilton hat schon Pläne
Auch über einen Rücktritt? Möglicherweise. Tief frustriert und in dem Glauben, es sei "unmöglich", den Rückstand auf Rosberg aufzuholen und den WM-Titel zu verteidigen, könnte er mit dem Ende seiner Laufbahn geliebäugelt haben. Pläne für die Zeit nach der Formel 1 hätte Hamilton, der den roten Teppich und Rampenlicht so liebt, genug. Eine Karriere als Sänger, als Schauspieler und als Streckenarchitekt hat er selbst erwähnt. Ausgesorgt hat er nach zehn Jahren Königsklasse ohnehin.
Rosberg wagt es nicht, sich vorzustellen, dass Hamilton im Moment der Enttäuschung bereit war, einen radikalen Schritt zu unternehmen: "Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wo er mit seinem Kopf ist", tappt der neue Champion im Dunkeln, betont aber den Formaufschwung seines Rivalen zum Jahresende - in einer Situation, in der er wegen einer neuerlichen Pannenserie wieder Frust schob: "Ich weiß nur, dass er in den letzten Rennen der Saison super motiviert war. Wir haben den besten Lewis aller Zeiten gesehen."
Bereitete Mercedes Wehrlein auf seinen Einsatz vor?
Auch nach Barcelona gab Lewis Hamilton die Antwort auf der Strecke. Er gewann sechs der sieben folgenden Grands Prix und eroberte bis zur Formel-1-Sommerpause die WM-Gesamtführung. Die einen sagen, er hätte ein mentales Tief überwunden und sich darauf besonnen, zu kämpfen. Andere wiederum behaupten, die Mercedes-Teamführung hätte durchgegriffen. Und dann gibt es da noch die Version, dass ein Gespräch mit Rosberg Hamilton zum Umdenken bewogen hätte.
Doch vor der sportlichen Rehabilitation gab es ein Intermezzo - bei den Tests im Nachgang des Spanien-Grand-Prix. Statt am darauffolgenden Mittwoch wie geplant mit dem damals unerfahrenen Esteban Ocon auf die Strecke zu gehen, aktivierte Mercedes in einer Nacht- und Nebelaktion Junior Pascal Wehrlein, der als Ersatzfahrer der etatmäßige Ersatz für Monaco gewesen wäre.
Auch wenn Mercedes davon sprach, die Rochade durchgeführt zu haben, um auf einen routinierten Piloten für das Testen neuer Teile zu vertrauen: Dass Wehrlein erst um acht Uhr am Vorabend den Anruf der Silberpfeile erhielt und Hamilton aufgrund der Regularien so nicht in Silverstone zum versprochenen Testeinsatz kam, lässt zumindest vermuten, dass es auch noch andere Gründe gab.
Die Spekulationen werfen auch die Frage auf, ob Hamilton nach der Pleite von Abu Dhabi - wieder unter kontroversen Umständen und wieder nicht zum Gefallen seiner Chefs - erneut hinschmeißen will. "Ich weiß, wie es mir ging, als ich 2014 und 2015 sehr harte Niederlagen gegen ihn einstecken musste", erklärt Rosberg und erinnert an den Titel, den er vor zwei Jahren im Finale verlor. "So eine sportliche Niederlage ist wirklich schwer zu verdauen", so der Deutsche, der prognostiziert: "Er wird einige Zeit daran knabbern müssen."