Waren es ernsthafte Verhandlungen oder doch nur "Zuckerbrot und Peitsche"? Der Sauber-Pilot will die Vergangenheit abhaken und sich anderen Optionen widmen
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Seitdem er im Jahre 2009 Meister der Formel-1-Talentschau GP2 wurde, prophezeit die gesamte Szene Nico Hülkenberg die Rolle des neuen deutschen Stars in der Beletage des Motorsports. Die Chance bei einem der Spitzenteams lässt jedoch auf sich warten, nachdem am Dienstag auch die scheinbar so konkrete Option Ferrari trotz eines unterschriftsreifen Vertrags doch noch in Schall und Rauch aufging. Er selbst stand offenbar mit der Scuderia gar nicht mehr in Kontakt, als sich die Liaison zerschlug.
Die berüchtigte Schlussmacher-SMS nach dem Transfer Kimi Räikkönens hat nur Manager Werner Heinz erhalten, den Liebeskummer jedoch sein Schützling mit voller Breitseite abbekommen. Der zeigt sich im Vorfeld des Singapur-Grand-Prix unbeeindruckt von der Absage und dem Ende der italienischen Romanze: "Für Ferrari zu fahren ist etwas absolut Besonderes, ein Traum für so ziemlich jeden Fahrer im Paddock", räumt Hülkenberg im Gespräch mit 'Formula1.com' ein, ohne dabei ins Taschentuch zu seufzen.
Der 26-Jährige, der schon ein finanzbedingtes Aus bei Williams und ein vorläufiges Ende der Karriere in erster Reihe hinnehmen musste, wirkt gefasst: "Es ist ein Moment der Enttäuschung, aber so ist die Formel 1, ein schnelllebiges Geschäft." Hülkenberg meint, dass es bei Ferrari für ihn tatsächlich "eine Chance" gegeben hätte, will sich aber nicht zu ausführlich mit der Vergangenheit beschäftigen: "Es bringt nichts, jetzt darüber zu diskutieren, wie ernst das Ganze war - oder doch nur Zuckerbrot und Peitsche."
Lotus nicht die erste Wahl
Groll auf die Verantwortlichen in Maranello ist beim Emmericher wegen der Absage Fehlanzeige: "Ehrlich gesagt überhaupt nicht. Ich halte das Verhältnis für gut und positiv wie zuvor", wiegelt Hülkenberg ab unf glaubt, dass der SMS mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde, als sie eigentlich verdiente. "Die Sache wurde von den Medien aufgebläht." Lieber als auf Kurznachrichten schaut Hülkenberg nach vorne. "Es gibt keinen Grund, jetzt zu ausgiebig darüber nachzudenken. Die Sache ist Geschichte, ich muss weitermachen."
Das beste Mittel gegen Liebeskummer ist es bekanntermaßen, einen neuen Flirt einzugehen. Am Tresen steht Lotus, das Gerüchten zufolge schon ganz konkrete Avancen gemacht haben soll. Seine erste Option nennt Hülkenberg, der seinen Sauber-Vertrag bereits zum Saisonende gekündigt hat, die Schwarz-Goldenen nicht: "Es genießt keine Priorität. Wichtig ist, einen guten Vertrag zu unterschreiben und ein gutes, konkurrenzfähiges Auto zu finden. Es ist noch nichts in trockenen Tüchern oder entschieden."
McLaren oder Force India? "Alles nur Gerüchte"
Er werde alle Optionen sondieren und dann eine gute Entscheidung für die Zukunft treffen. So ist der Plan. Durchkreuzen könnte den im Fall Lotus neben Altmeister Felipe Massa auch Pastor Maldonado. Der mit venezolanischen Staatsmillionen gesegnete Bruchpilot wird ebenfalls in Enstone gehandelt, wo ein Investorendeal und damit finanzielle Entspannung weiter auf sich warten lassen. Hülkenberg fehlt der finanzielle Background: "Ich habe einen persönlichen Sponsor, aber nicht so viel, was ich mitbringen könnte."
Da hilft nur eine Empfehlung auf der Strecke, wie er sie mit Rang fünf in Monza abgab. Zu spät für Ferrari, für einen anderen Job aber vielleicht gerade richtig: "Es ist so simpel: Ich muss besser fahren, um zu überzeugen", unterstreicht der Deutsche, der Kontakte zu McLaren und seinem Ex-Team Force India nicht kommentiert: "Schon wieder so ein Gerücht. Dazu gibt es noch gar nichts zu sagen. Überall wird spekuliert und ich ignoriere das komplett. Ich will mich auf der Strecke beweisen. Gemunkel führt nirgendwo hin."
Eine mögliche Rückkehr zum Vijay-Mallya-Rennstall könnte zum Drahtseilakt werden, schließlich hat der exzentrische Multimillionär bereits angekündigt, sein Fahrerduo erneut zu einem sehr späten Zeitpunkt zu verkünden. "Vijay ist der Boss. Er bestimmt, wer fährt. Alles wird sich klären", bleibt Hülkenberg unverbindlich. "Schaut euch das Video des Rennens in Monza an! Es sind eine Reihe Fahrer auf dem Markt und ich bin mir sicher, dass Teams mit Bedarf sich ihre Leistungen sehr genau anschauen." Hoffentlich nicht ihren Geldbeutel, ließe sich im Fall Hülkenberg ergänzen.