Das Motorendrama um Red Bull geht weiter: Ferrari hat keine Kapazitäten, zwei weitere Teams zu beliefern - Ausstieg aus der Formel 1 wird wahrscheinlicher
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Red Bull steht in der Motorenfrage für die Formel-1-Saison 2016 immer mehr mit dem Rücken zur Wand. Nachdem Konzernchef Dietrich Mateschitz am Mittwoch angekündigt hatte, dass bis Ende Oktober eine Lösung gefunden werden muss, scheinen sich in diesen Stunden in Sotschi auch die letzten Hoffnungen auf Ferrari-Kundenmotoren zu zerschlagen.
Während des ersten Freien Trainings sprach sich im Fahrerlager herum, dass Ferrari endgültig abgesagt haben soll - und zwar nicht nur, was die Lieferung eines vollwertigen Antriebsstrangs betrifft, identisch mit jenem für Sebastian Vettel, sondern auch in Bezug auf 2015er-Material. Hinter den Kulissen fanden mehrere Meetings statt, auf verschiedensten Ebenen. Unter anderem wurde Bernie Ecclestone, bestens gelaunt, bei den Mercedes-Bossen Niki Lauda und Toto Wolff gesehen.
Zuvor war Lauda ausgerechnet mit Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko an der Strecke angekommen - doch das muss nichts bedeuten, schließlich frühstücken die beiden Landsmänner regelmäßig zusammen. Außerdem hatte Wolff gestern noch einmal unterstrichen, dass Mercedes nicht mit Red Bull verhandelt. Das deutet nun auch Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene erstmals vor laufenden Kameras an.
Ferrari weist Schuld von sich
"Red Bull hat keinen Motor für 2016. Wir werden dafür als Schuldige hingestellt, aber das stimmt so nicht", beschwert sich der Italiener im brasilianischen Fernsehen. "Red Bull war sich sicher, dass sie Mercedes-Motoren bekommen würden - so sicher, dass sie nicht nur Renault gekündigt haben, sondern auch Infiniti und Total." Aber erst als Mercedes abgesagt hat, "kamen sie zu uns. Wenn sie das schon im Juni getan hätten, wäre noch genug Zeit. Aber nach Monza nicht mehr."
Der Knackpunkt: Ferrari rüstet schon Sauber und das neue US-Team Haas aus und sieht keine Kapazitäten mehr, 2016 zwei weitere Rennställe mit Antriebssträngen zu beliefern. Letzter Verhandlungsstand ist, dass eine Unterstützung von Toro Rosso noch vorstellbar wäre, eine von Red Bull aber nicht in Frage kommt. "Noch ein Team zu beliefern, würde erfordern, alles auf den Kopf zu stellen, was wir geplant haben", erklärt Arrivabene.
Resignation bei Horner
Das klingt sehr stark danach, als würde Ferrari keine Lust haben, Red Bull zu beliefern. Und auch bei Red Bull scheint sich diese Einsicht langsam breit zu machen: "Im Moment sieht es so aus, dass wir gar keinen Motor bekommen", seufzt Teamchef Christian Horner gegenüber 'auto motor und sport' - und das müsste, wenn Mateschitz nicht geblufft hat, unweigerlich den Ausstieg aus der Formel 1 bedeuten. Denn ein konkurrenzfähiger Antrieb war für einen Verbleib immer Grundvoraussetzung.
"Es wird gerade viel spekuliert", sagt Horner über die Verhandlungen am Freitagmorgen in Sotschi und die Fahrerlager-Gerüchte, die damit einhergehen. "Die Strecke war nicht in bestem Zustand. Da konnte man neben der Strecke mehr erreichen als auf ihr", grinst er. Seine Aussage gegenüber 'auto motor und sport', wonach Ferrari abgesagt habe, wiederholt er vor laufender Kamera aber nicht: "Nichts ist fixiert, alles ist offen."
Indes werden von besonders eifrigen Spekulanten schon erste Alternativszenarien aufgezeichnet, falls Red Bull tatsächlich keinen neuen Motorenlieferanten finden sollte. Demnach sei ein Verbleib bei Renault theoretisch noch nicht völlig vom Tisch, obwohl das in der Öffentlichkeit so dargestellt. Noch wilder ist aber die Idee, dass Horner - ähnlich wie Ross Brawn nach dem Honda-Ausstieg - das Team selbst von Red Bull übernehmen könnte.