Das Duell zwischen Mercedes und Ferrari euphorisiert Lewis Hamilton, doch es ist unklar, wie lange die zwei Teams auf Augenhöhe bleiben - Sebastian Vettel warnt
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Nach zwei Rennen zur neuen Formel-1-Saison zeichnet sich ab: Die WM-Titel 2017 werden zwischen mindestens zwei Teams ausgefahren. Das Duell zwischen Mercedes und Ferrari, das sich in der Frühphase des Jahres herauskristallisiert hat, lässt alle Beteiligten frohlocken - sogar die Silberpfeile, deren ihren Leistungsvorsprung im Winter geschmolzen ist. "Es macht Spaß", überrascht ihr Sportchef Toto Wolff und bekennt: "Du wirst Rennen verlieren. Das ist eine neue Zeitrechnung."
Die Frage ist, wie viele Rennen. Beim China-Grand-Prix am Sonntag war Lewis Hamilton scheinbar ein Stück voraus, bei genaum Hinsehen aber im Strategieglück. Er profitierte davon, dass sich die Ferrari-Kollegen im internen Duell nicht über die Vorfahrt einigten. Sebastian Vettel, in der WM-Gesamtwertung nun punktgleich an der Spitze, will sich von Gedankenspielen nicht irritieren lassen. Der Deutsche stellt fest: "Lewis war schnell. Punkt." Aber nicht mehr so schnell wie 2016. Vom Vorsprung im Qualifying ist nur noch ein Drittel übrig.
Das weiß auch Hamilton und glaubt, die Roten hätten ihr Auto nach Melbourne nochmals verbessert: "Vom Tempo her hat Ferrari sogar zugelegt", vergleicht er Australien mit China. Die Spitze rückt also weiter zusammen. Vettel glaubt aber nicht, dass der Status Quo erhalten bleiben müsste, zumal seine Farben schon im Vorjahr stark begannen und noch stärker nachließen. Hinzu kommt, dass die großen Updates für die Boliden meist erst zum Beginn der Europa-Saison geliefert werden.
Sebastian Vettel schustert Mercedes die Favoritenrolle zu
"Es war erst das zweite Rennen", warnt Vettel. Was dennoch für einen länger andauernden Zweikampf spricht: Zum Auftakt im Albert Park mit seinen langsamen Kurven war es heiß, am Sonntag ging es in Schanghai auf einer Strecke mit schnellen Passagen bei niedrigen Temperaturen zur Sache. Ferraris Erstarken hat nichts mit den äußeren Bedingungen zu tun, sondern ist universell.
Vettel ist vorsichtig. Er schiebt die Favoritenrolle dem Gegner zu. "Sie sind diejenigen, die es zu schlagen gilt", sagt er in Richtung Mercedes. "Sie haben Rekorde pulverisiert." Hamilton geht anscheinend nicht davon aus, die Scuderia abhängen zu können: "Das wird eine der knappsten Saisons, wenn nicht die knappste." Dass Formel-1-Kronen schon wegen einzelner WM-Punkte vergeben wurden und der Brite bei diesen Entscheidungen mittendrin war, intensiviert seine Aussage.
Zumindest teilweise, denn Hamilton erwähnt auch die Möglichkeit, dass Mercedes in den kommenden Monaten weiter vorne liegen könnte als nur 0,186 Sekunden. Sie gaben im China-Qualifying den Ausschlag zu seinen Gunsten. "Der Unterschied am Saisonende könnte viel mehr als acht Meter betragen", setzt er offenbar auf die Fähigkeit der Silberpfeile, den W08 noch schneller zu machen.
Die Ungewissheit bereitet Hamilton kein Unbehagen, sondern Euphorie. Die Konkurrenz aus einem anderen Stall und das Duell mit einem viermaligen Weltmeister mache Siege "wirklich, wirklich" befriedigender, sagt er. "Der ultimative Kämpfer will immer gegen die Besten in den Ring steigen", unterstreicht Hamilton und wünscht sich Entscheidungen, die durch den Rennspeed auf der Strecke fallen. Und nicht durch Technikdefekte oder durch Rennglück, etwa mit Safety-Car-Phasen.
Für die Autokonzerne sind Duelle lohnenswerter als Alleingänge
Sie Spannung in der Formel 1 gefällt auch Wolff: "Das einfache Gewinnen ist relaxter. Aber es ist - glaube ich - nicht im Sinne des Sports. Wir sind ja auch hier, dass wir eine echten Fight mit jemanden haben." Was Wolff meint: Für Mercedes ist Motorsport eine Marketingangelegenheit. Wenn weniger Leute den Silberpfeil auf der Strecke sehen, weil TV-Übertragungen langweilig sind, leidet das Projekt - egal, wie erfolgreich es sportlich ist. Der Vorstand könnte den Geldhahn zudrehen.
Dass sein persönliches Verhältnis zu Vettel leidet, wie es mit Nico Rosberg im Zweikampf um den Ruhm passiert ist, kann sich Hamilton indes nicht vorstellen. "Ich denke, es bleibt so, wie es ist", bemerkt er, um zwischen den Zeilen Aussagen zu treffen, die ihm als die nächsten Giftpfeile gegen den Ex-Teamkollegen ausgelegt werden könnten: "Wir haben einen langen Weg hinter uns, viel mitgemacht und respektieren einander. Er hat seinen Spaß und erkennt sein Gegenüber an." Alles ist 2017 eben doch nicht anders.