Über die Kollision zwischen Lewis Hamilton und Valtteri Bottas gehen die Meinungen auseinander, letztendlich ist Mercedes aber mit einem blauen Auge davongekommen
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Für Mercedes war der heutige Grand Prix von Brasilien ein wichtiges Rennen, weil man den zweiten Platz in der Konstrukteurs-WM unbedingt gegen Ferrari verteidigen wollte. Das gelang dann auch, obwohl aus ursprünglich 15 nur noch sechs Punkte Vorsprung wurden - ein Unterschied, der sechs bis acht Millionen Euro wert sein soll, wie man munkelt. Aber der Weg zum zweiten Platz wurde durchaus zur Zitterpartie - vor allem wegen der Kollision zwischen Lewis Hamilton und Valtteri Bottas, die den Mercedes-Piloten den möglichen vierten Platz kostete.
Die Konstellation könnte brisanter kaum sein: Bottas, Fahrer des Williams-Teams, an dem Toto Wolff immer noch Aktien hält, und gleichzeitig auch Wolffs Management-Schützling, kostet dem Mercedes-Team, bei dem Wolff Sportchef ist, beinahe mehrere Millionen Euro. Selbst zu Hause könnte bei Wolffs heute der Haussegen schief hängen, schließlich arbeitet auch Ehefrau Susie als Entwicklungsfahrerin für Williams - und ihre ärgerliche Reaktion nach der Kollision wurde via TV-Bild live übertragen...
Rein sportlich gesehen sei es "eine kontroverse Situation" gewesen, findet der ehemalige Grand-Prix-Pilot Heinz-Harald Frentzen, "weil sich Bottas zurückrundet. Hamilton wollte seine Position verteidigen. Es gibt unter den Fahrern einen Kodex, dass man nicht mehr die Richtung wechselt, wenn man in der Bremszone ist, und das wird auch bestraft. Es ist durch Hamiltons Fehler zum Unfall gekommen", analysiert der 'Sky'-Experte.
Bottas sieht die Schuld nicht bei sich selbst
Für Bottas steht nur fest, "dass es keinesfalls mein Fehler war". Ganz sicher, wie es überhaupt zur Berührung kam, ist er sich aber nicht: "Ich habe versucht, ihn auf der Außenseite zu überholen. Ich war ständig auf meiner Linie. Es hätte Platz für zwei Autos geben sollen, meine ich. Dann berührten wir uns plötzlich. Ich bin mir aber nicht sicher, was genau passiert ist. Ich muss mir erst die TV-Bilder ansehen", sagt der 24-Jährige.
Hamilton geht es ähnlich: "Ich schätze, ich habe eine Kollision verursacht, aber mit einem Überrundeten, der mich überholen wollte. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was passiert ist, und muss mir erst die Wiederholung anschauen", gesteht er. "Ich bin nach links gezogen, er hat mich ausgebremst, dann haben wir uns berührt. Offensichtlich habe ich etwas falsch gemacht. Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass ich so viele Punkte für das Team verloren habe."
Wolff: Wäre Fingerspitzengefühl gefragt gewesen?
Sportchef Wolff findet aber, dass sich die Rennkommissare die Durchfahrtstrafe auch hätten sparen können. Bottas müsse man nämlich zumindest eine Teilschuld anlasten: "Normalerweise sollte ein überrundeter Fahrer nicht versuchen, sich auf dem neuen Reifen zurückzurunden", kritisiert der Österreicher seinen Management-Schützling und unterstreicht: "Vor allem nicht, wenn er weiß, dass es da um eine essentielle Meisterschaftssituation geht."
"Er kommt da mit einer violetten Zeit, stellt sich daneben und realisiert vielleicht gerade, was er da macht. Lewis hat einfach nicht damit gerechnet, dass ein überrundeter Williams ihn überholt. Es ist eine unglückliche Situation", sagt Wolff. Die Theorie, dass die Strafe quasi als ausgleichende Gerechtigkeit ausgesprochen wurde, weil es zuvor auch für Felipe Massa eine recht harte Durchfahrtstrafe wegen Überfahrens der weißen Linie gegeben hatte, wurde im Paddock nicht weiter verfolgt.
Dass die Strafe gegen Hamilton grundsätzlich nicht korrekt war, will Wolff übrigens gar nicht unterstellen: "Ich glaube, es ist sehr schwierig, wenn man nach dem Regelbuch vorgeht. Dann ist die Durchfahrtsstrafe gerechtfertigt, weil Lewis auf der Bremse rübergezogen ist. Wenn man sich die Gesamtsituation anschaut und sagt, dass ein überrundetes Fahrzeug sich zurückrunden will, dann ist es vielleicht nicht ganz gerechtfertigt", so der Mercedes-Sportchef.