Heikki Kovalainen gibt tiefe Einblicke in seine harte Zeit der Formel-1-Enthaltsamkeit: Wie er darunter litt, wie es zum Comeback kam und an welchem Prinzip er festhält
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Mitte 2012 galt Heikki Kovalainen noch als potenzieller Ersatz für Felipe Massa bei Ferrari - ein Cockpit bei der "Scuderia" wäre für den Finnen die ultimative Genugtuung nach dem McLaren-Aus und den harten Caterham-Jahren am Ende des Feldes gewesen. Doch Massa fing sich und Caterham manövrierte sich durch die Update-Offensive am Ende des Jahres gegen Marussia in finanzielle Turbulenzen - und weil Kovalainen nicht bereit war, Sponsoren aufzutreiben, wurde der einstige Grand-Prix-Sieger von der Formel 1 durch die Hintertür ausgespuckt.
Als dann Ex-Teamchef Tony Fernandes im Winter die Idee hatte, Kovalainen könne doch als Freitag-Testfahrer die Entwicklung vorantreiben und das Auto für die unerfahrenen Piloten Charles Pic und Giedo van der Garde vorbereiten, traute der 31-Jährige zunächst seinen Ohren nicht. "Das erste Mal, dass ich darüber mit dem Team gesprochen habe, war vor Weihnachten", denkt er zurück. "Ich war damals zu 100 Prozent dagegen. Ich wollte es überhaupt nicht machen. Ich dachte mir: Macht ihr Witze?"
Die Leidenschaft war größer als das Ego
Heute ist er froh, wieder Formel 1 zu fahren, auch wenn er nur einen Testfahrerjob bei seinem Ex-Team ergattert hat. Er sieht es nicht als Demütigung, in der Caterham-Hierarchie abgestiegen zu sein - und das, obwohl sein Rennwochenende nach nur 20 Runden im ersten Freien Training von Bahrain schon wieder vorbei ist: "Ich bin nicht traurig, sondern definitiv froh, wieder hier zu sein", sagt er auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com' - und man nimmt es ihm ab. "Ich müsste nicht hier sein. Wenn ich es wollte, dann könnte ich zuhause bleiben. Niemand zwingt mich dazu, das zu machen."
Freilich würde er lieber Rennen fahren und einen Fixplatz bei einem Team haben, doch die ersten Saisonrennen 2012 haben bei ihm einen Sinneswandel erwirkt. Die Leidenschaft für das Rennfahren sei "zu groß geworden", gibt er zu, als er vor dem Fernseher auf der Couch gesessen hatte und die Rennübertragungen verfolgte. "Ich war drei Monate lang zuhause, habe nichts gemacht", gibt er Einblicke, wie er die Zeit nach dem Caterham-Aus erlebt hat. "Ich bin nicht renngefahren, habe andere Dinge gemacht. Ich habe begonnen, es zu vermissen."
Kovalainen ließ Teams aus anderen Serien abblitzen
Das gilt nicht nur für die Rennen selbst, sondern "auch für die Arbeit mit dem Team und die Suche nach Lösungen. Ich habe das vermisst." Kovalainen hatte in diesem Zeitraum laut eigenen Angaben zahlreiche Angebote aus anderen Rennserien, doch er konnte sich nicht dazu durchringen, die Formel 1 hinter sich zu lassen.
"Ich habe keines dieser Angebote in Betracht gezogen", bestätigt er. "Mein Herz war nicht dabei. Ich habe dann entschieden, mich nach Möglichkeiten in der Formel 1 umzusehen. Ich habe eigentlich nicht aktiv gesucht, sondern wollte einfach die Tür offen halten, bevor ich mich woanders binde."
"Freundschaftsbesuch" in Sepang
Und dann kam es nach dem Saisonauftakt zu einem weiteren Gespräch mit Fernandes, wo Kovalainen den Fluglinienbesitzer über seinen Meinungsumschwung informierte. "Ich habe ihn gefragt, ob das Angebot noch immer steht", schildert er die Ereignisse. Daraufhin arrangierte der Malaysier ein Treffen zwischen dem Finnen und seinem Teamchef-Nachfolger Cyril Abiteboul beim Heimrennen des Rennstalls in Sepang.
Kovalainen ließ sich zu diesem Zeitpunkt nicht in die Karten blicken, sprach von einem Freundschaftsbesuch bei seinem Ex-Team. "Es war Tonys Idee, dass ich mit Cyril sprechen sollte, um herauszufinden, ob er auch dafür ist", wusste der Finne zunächst nicht, ob sein Wunsch auf offene Ohren stoßen würde, doch der Franzose zeigte sich mit dem Plan einverstanden.
Testfahrerlösung macht beide Seiten glücklich
Kein Wunder, schließlich war der Saisonstart für Caterham alles andere als gut gelaufen - man hat derzeit hinter Marussia die Rote Laterne inne und kann wegen der unroutinierten Fahrerpaarung einen erfahrenen Mann wie Kovalainen, dessen Feedback Gewicht hat, gut brauchen. "Es ergibt Sinn, dass ich jetzt wieder hier bin", sieht der "fahrende Ingenieur" einen klaren Mehrwert für das Team.
Aber auch für ihn hat die Übergangslösung - es ist derzeit unklar, wie oft Kovalainen an den Freitagen testen wird - Vorteile. "Ich entwickle ein Gefühl für das Auto und für die Reifen, und das kann für die Zukunft nur gut sein", erhofft er sich neue Perspektiven in der "Königsklasse" des Motorsports. "Außerdem habe ich keine übereilte Entscheidung getroffen", spielt er auf die Alternativen zur Formel 1 an.
Paydriver-Job kommt nicht infrage
Die harten Wochen, wo er seinen ehemaligen Kollegen vor dem TV-Gerät zusehen musste, haben Kovalainens Feuer wieder neu angefacht. "Wenn du zuhause sitzt und nicht fahren kannst, dann macht dich das hungriger", gibt er Einblicke in seine Gefühlswelt. "Du willst wieder daran teilhaben. Ich denke nicht, dass ich irgendwann ein Motivationsproblem hatte. Dennoch lernt man es wieder schätzen, wenn man nicht hier ist. Dann erkennt man, dass es eigentlich sehr schön ist, hier mit den Jungs zu arbeiten."
Trotz der Euphorie hält er aber an einer Bastion fest: Er ist nicht dazu bereit, auf Sponsorensuche zu gehen, um seiner Formel-1-Karriere neues Leben einzuhauchen. "Ich finde es sinnlos, Sponsoren zu suchen, außer man hat einen so großen Sponsor, dass man einen Unterschied machen kann", hält er an seinem Standpunkt fest. "Wenn ich erfolgreich diesen Weg gehen würde, dann könnte ich mich wo einkaufen, aber das fühlt sich für mich nicht richtig an. Daran habe ich auch nicht gedacht, als ich zuhause war. Ich würde lieber versuchen, mich durch meine Leistungen in der Formel 1 zu halten."
Dadurch steht über seiner Formel-1-Zukunft weiter ein großes Fragezeichen, wie er selbst zugibt: "Ich werde wohl noch einige Freitag-Trainings fahren, aber es gibt keine Pläne für ein Renncockpit bei irgendeinem Team."