Dass am Rettungshelikopter die ganze Formel-1-Veranstaltung hängt, darf laut Helmut Marko nicht sein: Er fordert Alternativen - China-Rennen schon am Samstag?
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Rien ne va plus - nichts geht mehr - war das Motto des Trainingsfreitags der Formel 1 in China. Weil der Rettungshubschrauber aufgrund des Smogs nicht im nahegelegenen Krankenhaus von Schanghai landen konnte, sahen die Zuschauer nur wenige Minuten lang fahrende Autos. Das zweite Training wurde sogar überhaupt nicht gestartet - für Fahrer und zahlende Zuschauer an der Strecke ein Desaster.
"Wir haben fantastische Fans hier in China, die wirklich enthusiastisch sind. Und ihnen wurde Action auf der Strecke verwehrt. Das müssen wir uns ansehen", fordert Williams-Technikchef Paddy Lowe. Das Problem ist jedoch nicht neu. Smog ist in China seit jeher ein Thema und hat in der Vergangenheit auch Sessions der Formel 1 bedroht. Doch was kann man tun? Es geht um sicherheitsrelevante Probleme - und die besitzen oberste Priorität.
Kann der Rettungshubschrauber nicht fliegen, dann ist eine schnelle ärztliche Versorgung im Notfall nicht gegeben. Das örtliche Medical Center an der Strecke kann zwar die grundlegende Versorgung durchführen, doch speziell bei Verletzungen im neurologischen Bereich ist eine schnelle Einlieferung in ein Spezialzentrum notwendig. "Wenn dann irgendwas in die Hose geht, will man im Nachhinein nicht dastehen und sagen: 'Hätte man es anders gemacht...'", sieht Sebastian Vettel die Absage komplett richtig.
De Angelis als Auslöser der Regel
Die Regelung hat einen ernsten geschichtlichen Hintergrund. Am 15. Mai 1986 verunglückte Brabham-Pilot Elio de Angelis bei Testfahrten in Le Castellet tödlich, weil kein Rettungshubschrauber zur Verfügung stand und nach seinem Unfall bei rund 300 km/h viel Zeit verging, bis er ins Krankenhaus eingeliefert werden konnte. "Es heißt, dass es ihm besser ergangen wäre, wenn es einen Helikopter gegeben hätte", sagt Lowe. "Ab da hat man diese Regel eingeführt."
"Wenn es nicht geht, geht es nicht", unterstreicht Vettel noch einmal, doch in der Formel 1 ist man sich weitgehend einig, dass man nach alternativen Lösungen suchen muss und sich nicht einfach mit den Gegebenheiten abfinden sollte. "Sie müssen sich etwas überlegen", fordert Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko. Denn es ist nicht zwingend vorgeschrieben, einen Rettungshelikopter zu besitzen.
Abtransport mit Zug oder Auto?
Stattdessen muss sichergestellt werden, dass ein Fahrer möglichst innerhalb von 20 Minuten im nächsten Krankenhaus ankommt. Auch beim Unfall von Jules Bianchi in Suzuka 2014 konnte der Helikopter nicht fliegen, stattdessen wurde er mit dem Rettungsauto abtransportiert - das laut FIA aber in 32 Minuten. Der Franzose konnte nicht mehr gerettet werden, doch theoretisch stünden andere Varianten zur Verfügung.
"Man muss sich irgendeine andere Lösung einfallen lassen. Es geht ja hier ein Schnellzug rein oder man kann eine Straßenspur blockieren. Irgendetwas", sagt Marko, der nicht nachvollziehen kann, dass man für einen solchen Fall nicht vorbereitet ist. Zur Not könne man auch auf andere Zentren ausweichen: "Es gibt ja mehrere Millionenstädte im Umkreis von 100 Kilometern - nicht nur Schanghai", so der Österreicher.
Die Formel 1 sorgt sich nun, was im weiteren Wochenendverlauf passieren wird. Für morgen sind bessere Bedingungen angesagt, doch am Sonntag könnte die Königsklasse auf ähnliche Verhältnisse treffen. Wenn der Rettungshelikopter nicht starten kann und es auch keine Alternative gibt, dann kann es auch kein Rennen auf dem Schanghai International Circuit geben, was aus vielerlei Hinsicht natürlich eine Katastrophe wäre - vermarktungstechnisch und auch für die zahlenden Fans an der Strecke.
Rennen von China schon am Samstag?
Deswegen diskutieren die Teams derzeit darüber, das Rennen zusammen mit dem Qualifying schon am Samstag abzuhalten. Die Hindernisse sind hierbei aber die geplanten TV-Zeiten sowie natürlich verkaufte Tickets für das Wochenende, doch womöglich nimmt man in dem Fall lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, weil man das Rennen definitiv nicht nach hinten verschieben kann, weil die Teams für das kommende Wochenende schon nach Bahrain abreisen müssen.
"Man nimmt lieber ein garantiertes Rennen morgen, als ein mögliches am Sonntag", sagt auch Ex-Pilot und TV-Experte Martin Brundle laut 'Sky Sports F1'. Ex-Weltmeister Lewis Hamilton, der die Fans während der langen Unterbrechung zumindest persönlich unterhielt, stellt einen anderen Vorschlag, um die heute verlorene Trainingszeit nachzuholen: Er würde morgen gerne drei Trainingssitzungen sehen und am Sonntag das Qualifying und das Rennen.
"Das wäre eine Chance für die neuen Bosse, proaktiv und kreativ zu sein", schreibt er auf Twitter. Doch die Trainingssitzungen sollen definitiv nicht nachgeholt werden, und mit seiner Idee würde er auch das Problem nicht lösen, dass am Sonntag womöglich nicht gefahren werden kann. Vielleicht ist auch alles halb so schlimm, denn unmittelbar nach dem abgesagten Formel-1-Training wurde doch noch gefahren: Der Porsche-Supercup bekam Grünes Licht...