Renault verzichtete für eine Reihe von Rennen auf Upgrades am R.S. 17, um in Silverstone mit dem ganz großen Paket aufzulaufen - Mit Röhrenprinzip zum Erfolg?
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Das Renault-Werksteam steht in der Formel-1-Saison 2017 zwar stärker da als im Vorjahr, doch der große Wurf ist den Franzosen im Zuge der Regelrevolution nicht gelungen. Das war so durchaus im Plan, da manche Teams mit den Planungen für 2017 schon in der zweiten Jahreshälfte 2015 begonnen hatten, als das Enstone-Team noch Lotus hieß. In der ersten Saisonhälfte traten Nico Hülkenberg und Jolyon Palmer lange Zeit auf der Stelle, bevor es zuletzt einen starken Aufschwung gab.
Auch das überrascht bei Renault niemanden, denn Cyril Abiteboul verfolgte mit seinem Team von vorn herein einen festgelegten Weg: Statt vieler kleiner Updates sollte ein richtig großes das Fahrzeug schneller machen. In Silverstone zeigte sich bereits, dass diese Strategie aufgehen könnte. "Wir wollten von Anfang an den Kurs einer drastischen Veränderung der Fahrzeugphilosophie verfolgen", sagt der Franzose gegenüber 'Autosport'. "Uns war klar, dass das eine Menge Zeit in Anspruch nehmen würde."
Zu diesem Zweck sei die "normale" Entwicklungsarbeit schon früh im Laufe der Saison zugunsten des radikalen Pakets nahezu eingestellt worden, erklärt er weiter. "Das hat uns den Weg zu neuen Entwicklungen an der Fahrzeugfront, der Mitte des Autos mit den Bargeboards und auch am Heck eröffnet. Ab jetzt wird es viel mehr für den Rest der Saison geben." Renault gibt also indirekt zu, zunächst einen falschen Ansatz verfolgt zu haben. Ähnliches ist dem Team schon bei der Regelrevolution 2009 passiert, als man ein wenig zielführendes Konzept am Frontflügel verfolgt hat.
Input-Output-Röhre ans Laufen gebracht
Somit bestand das Ziel für den ersten Teil der Saison darin, aus dem vorhandenen Paket das Beste herauszuholen. "Wir haben häufig Qualifying-Performance geopfert, um im Rennen besser dazustehen", weiß Abiteboul. "Wir konnten zu Beginn der Saison unseren Qualifying-Speed nicht in eine anständige Renn-Pace umwandeln." Die Set-up-Änderungen , die Abiteboul zufolge sehr groß ausfielen, haben sich zum Teil bezahlt gemacht - in Baku beispielsweise lag Nico Hülkenberg auf Rang fünf, bevor er sein Rennen durch einen Fahrfehler beendete.
Der Durchbruch kam mit dem neuen Unterboden in Silverstone - hier vereitelte ein Defekt am Hybridsystem einen fünften Platz von Hülkenberg, der aber mit Rang sechs wichtige Punkte holte. "Das war nicht nur eine große Befriedigung, sondern auch eine Bestätigung, dass das Team so zusammenfindet, wie wir es zusammensetzen wollen", sagt der Deutsche. Man habe schon viele Ergebnisse in der Theorie gesehen, doch die Bestätigung in Form eines Ergebnisses gab es erst durch das Abschneiden in Großbritannien.
Renault ist seit der Lotus-Übernahme gewaltig gewachsen, alleine im Jahr 2016 wurden 80 neue Mitarbeiter eingestellt. Es ist Teil eines Fünfjahresplans, an dessen Ende das Team wieder um WM-Titel kämpfen will wie zuletzt 2006. "Man muss es sich wie eine hohle Röhre vorstellen", philosophiert Abiteboul. "Es braucht ein bisschen Zeit, um diese komplett aufzufüllen und Ergebnisse in Form von Konzepten und physischen Teilen am ihrem Ende zu sehen. Genau das passiert gerade. Wir füllen die Röhre an einem Ende mit Investitionen, Equipment, Leuten und Ideen auf. Daraus entstehen Konzepte, die sich letztlich in handfesten Teilen manifestieren."
Das Gute dabei: Sobald der Prozess einmal ans Laufen gekommen ist, geht es immer weiter, ohne dass noch einmal so viel Energie auf der Input-Seite investiert werden muss. Und noch immer geht der Rekrutierungsprozess weiter; Abiteboul rechnet mit rund 650 Angestellten für das Jahr 2018. "Aber das Wachstum muss kontrolliert erfolgen", mahnt er. "Ehrlich gesagt habe ich keine Lust darauf, dass es ein Unternehmen von 800 bis 900 Personen wird." Mit 650 Mitarbeitern hätte das Team für ihn bereits seine ideale Anzahl erreicht.