Nach dem Crash von Barcelona erwogen die Silberpfeile drastische Konsequenzen - Lewis Hamilton war wegen Schuldfrage "sauer", die Atmosphäre vergiftet
© Foto: xpbimages.com
Bislang wurde über die Sache in der Formel-1-Szene nur gemunkelt. Nach weit über einem Jahr bekennt sich Mercedes' Team-Aufsichtsrat Niki Lauda aber dazu, welche weiten Kreise der Teamcrash zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton beim Spanien-Grand-Prix 2016 zog. Die Silberpfeile drohten ihren Starpiloten sogar mit dem Rauswurf: "Wir haben ihnen speziell nach Barcelona gesagt, dass es für Mercedes inakzeptabel wäre, wenn sie sich gegenseitig von der Bahn rammen", so der Österreicher in einem Interview auf dem Youtube-Kanal des Journalisten Graham Bensinger.
Er hätte Rosberg und Hamilton eingetrichtert, dass eine Wiederholung eines solchen Unfalls dramatische Konsequenzen nach sich zöge, so Lauda: "Wenn ihr es erneut macht, entlassen wir euch aus euren Verträgen. Wir sind Teamplayer und zerstören uns nicht gegenseitig", lautete die Ansage an Rosberg und Hamilton. Wie aufgepeitscht die Situation im Team tatsächlich war, unterstreicht, dass der Brite im Mai 2016 offenbar mit einem sofortigen Rücktritt aus der Formel 1 liebäugelte. Zumindest sparte er es sich am Ende der vergangenen Saison, entsprechende Gerüchte zu dementieren.
Auch wenn längst Gras über die Sache gewachsen sein könnte: Lauda scheut sich nicht klarzustellen, wer aus seiner Sicht er Schuldige von Barcelona war. "Für mich war Lewis zu aggressiv", unterstreicht er. "Er ist nach rechts gefahren, auf das Grün gekommen und konnte nicht mehr bremsen. Ich habe sofort gesagt, dass wenn ich die Wahl hätte, es eher Lewis' als Nicos Fehler war." Lauda könnte es sich bequem machen und den zurückgetretenen Rosberg für den Crash an den Pranger stellen, um seinem Superstar zu schmeicheln - doch das wäre nicht der Stil der Rennlegende.
Schon damals hatte er mit Hamilton ein Hühnchen zu rupfen und scheute auch den Konflikt nicht, als sich der amtierende Weltmeister die Kritik nicht gefallen ließ. Lauda erklärte ihm, dass er nicht akzeptieren könne, dass Teamkollegen kollidieren und niemand der Schuldige sein wollte. "Lewis wurde wirklich sauer. Nico sagte: 'Du trägst auch deinen Teil, du bist nach innen gezogen. Warum hast du keinen Platz gelassen?' Er meinte: 'Warum sollte ich? Ich wollte das Rennen gewinnen.'"
Sportchef Toto Wolff hätte die Situation mit der Einführung eines internen Regelwerks, den sogenannten "Rules of Engagement", mustergültig geschlichtet, lobt Lauda. Er selbst traf sich zu einem Vier-Augen-Gespräch mit Hamilton auf Ibiza. Die Inhalte: bis heute vertraulich. "Da hatten wir wieder Frieden. Es wurde hart gekämpft, aber die Unfälle zwischen beiden nahmen ab." Es krachte zwar noch in Kanada und Österreich - jedoch unter nachvollziehbareren Umständen und mit weniger dramatischen Konsequenzen für das Team, weil beide Rennsiege trotzdem eingefahren wurden.
Das Verhältnis zwischen Hamilton und Rosberg blieb zerrüttet. "Es gab keines mehr, was immer schlecht ist", weiß Lauda. "Sie lagen so über Kreuz, dass sie sich morgens nicht mehr begrüßt haben. Wenn sie sich nicht mögen, erwarte ich nicht, dass sie gemeinsam frühstücken. Aber der gab dem anderen sein Set-up nicht mehr, was zulasten des Teams ging." Allen voran Hamilton hätte deshalb einen dicken Hals gehabt, zumal er wegen Technikpannen seine Felle im WM-Kampf davonschwimmen sah. "Aber wir sprechen die gleiche Sprache", erklärt Lauda, wie er ihn wieder auf Kurs brachte.