Lauda über Haugs Rücktritt: "War völlig überrascht"

, 16.12.2012

Für Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda kam der Rücktritt von Motorsportchef Norbert Haug völlig überraschend - "Müssen die Situation komplett neu evaluieren"

Am vergangenen Donnerstag gab Mercedes die in beiderseitigem Einvernehmen erfolgte Trennung vom bisherigen Motorsportchef Norbert Haug bekannt. Der 60-Jährige hatte 22 Jahre lang die Geschicke der Stuttgarter im Motorsport geleitet und gab nun überraschend seinen Rücktritt bekannt, auch weil er sich teilweise persönlich für die desolaten Leistungen von Mercedes in der abgelaufenen Formel-1-Saison verantwortlich fühlte.

Niki Lauda, Ex-Formel-1-Weltmeister und neuer Aufsichtsratsvorsitzender bei den Silberpfeilen, wurde von dieser Neuigkeit vollkommen überrumpelt. Erst beim Boardmeeting am Dienstag habe er von Haugs Rücktritt erfahren: "Am Ende des Treffens hat der Norbert für mich vollkommen überraschend seinen Rücktritt bekannt gegeben", sagt Lauda im Interview mit der 'Welt am Sonntag'. "Ich habe die Kappe gezogen, weil er sinngemäß gesagt hat, dass er sich verantwortlich fühlt für die schlechte Performance in diesem Jahr und deshalb die Konsequenzen zieht."

Die Entscheidung Haugs habe Lauda schwer beeindruckt, denn nicht viele Manager in Top-Positionen würden so etwas tun: "Der Norbert ist für mich seit 22 Jahren Mercedes, er ist und war maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich der Konzern so aufwendig im Motorsport engagiert hat: in der Formel 1 und der DTM. Er hat insgesamt eine sehr erfolgreiche Bilanz aufzuweisen. Leider hat ihn die abgelaufene Saison dazu veranlasst, zurückzutreten." Lauda bedauere den Rücktritt sehr, denn er hätte "gern mit ihm weiter zusammengearbeitet."

Noch kein Nachfolger in Sicht

Trotz eines Sieges beim Großen Preis von China zu Saisonbeginn - der erste für ein Mercedes-Werksteam seit 1955 - verlief die Saison 2012 für die Traditionsmarke mit dem Stern katastrophal. Das Team verschlief technische Neuerungen, verkam im Saisonverlauf geradezu zur Lachnummer und verpasste es trotz vergleichsweise hohen Budgets in Schlagdistanz zur Spitze zu bleiben.

Haugs Rücktritt reißt laut Lauda nun eine große Lücke ins Team, die es erst einmal zu schließen gilt. Neben Haug verlor Mercedes mit Michael Schumacher einen weiteren erfahrenen Charakterkopf. "Mercedes wird sich jetzt überlegen, wie der Verlust aufzufangen ist", sagt Lauda, der als Aufsichtsratsvorsitzender in die operativen Tätigkeiten des Konzerns nicht eingebunden ist und daher nicht selbst in der Rolle als Motorsportchef tätig werden kann.

Ein adäquater Nachfolger für Haug sei derzeit noch nicht in Sicht. Lauda: "Es gibt offensichtlich noch keine Entscheidung oder Hinweise - weil es ja auch für alle sehr überraschend kam. Ich sehe im Moment niemanden, der Norberts Aufgabe eins zu eins übernehmen kann. Man muss die Situation komplett neu evaluieren."

Lauda will Synergie zwischen Stuttgart und Brackley herstellen

Während bei Teams wie Sauber oder Force India, die direkten Konkurrenten von Mercedes, die Formkurve zum Saisonende 2012 nach oben zeigte, ging sie bei Mercedes klar nach unten. Verzweiflungstaten wie der Einsatz eines total veralteten Auspuffsystems beim Großen Preis der USA sorgten nicht für Steigerungen, sondern verschlimmerten die Situation eher noch mehr.

Lauda will jedoch nicht alles schwarzmalen, sondern sieht durchaus auch Stärken im Team, vor allem auf der Motorenseite: "Die mechanischen Teile vom Auto sind bei Mercedes sehr gut, da haben wir keine Probleme." Es läge viel mehr an den aerodynamischen Komponenten, die es nun zu verbessern gelte.

Dafür will Lauda künftig eine Brücke zwischen den Stützpunkten des Teams im britischen Brackley und baden-württembergischen Stuttgart schlagen: "Es gilt, alle Ressourcen zu nutzen, damit wir endlich wieder zu einem kompletten Rennwagen kommen." Der aktuelle Zustand sei mehr als kritisch, Lauda gibt als Ziel bis zu drei Sekunden vor, die es zu finden gäbe um auf die Spitze aufzuholen: "Daran müssen wir mit aller Kraft arbeiten."

Hamilton soll neuen Schwung ins Team bringen

Um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, verbringt Lauda derzeit viel Zeit in der Fabrik in Brackley, um zusammen mit Teamchef Ross Brawn die Ursachen für das schlechte Abschneiden in diesem Jahr zu ergründen. Einen Leistungsschub im neuen Jahr verspricht sich Lauda bereits jetzt von Neuankömmling Lewis Hamilton.

Der Brite wechselt von der Konkurrenz McLaren zu Mercedes und soll dem Team wieder den nötigen Schwung verleihen, den es in den Augen Laudas nach dem Schanghai-Sieg in diesem Jahr abrupt verlor. "Durch den Zugang von Hamilton werden bei uns viele Prozesse beschleunigt. Wenn ein Fahrer neu dazu kommt und schnell ist, wird der gesamte Rennstall schneller. Somit schaukelt sich das Ganze positiv auf", sagt der 63-Jährige.

Hamilton trifft bei Mercedes auf Fahrerkollege Nico Rosberg, der schon seit dem Comeback im Jahre 2010 für die Silberpfeile fährt. Diese Kombination, die Lauda für die stärkste im kompletten Formel-1-Feld hält, soll Mercedes auf die Siegerstraße zurückführen. "Wir müssen bis zum Saisonbeginn das Auto wesentlich verbessern, damit die beiden Herren uns mit einer Super-Performance nach vorn bringen können. Schließlich gehören wir ganz nach oben", gibt der Österreicher die Richtung vor, in die es künftig gehen soll.

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