Der Anteil von Lewis Hamilton am Mercedes-Erfolg lässt sich schwer messen - Niki Lauda ist aber vom Transfer überzeugt und machte den Überraschungsdeal möglich
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Mercedes ist nach drei mageren Formel-1-Jahren in dieser Saison zu einem Spitzenteam avanciert. Auch wenn es für ganz oben noch nicht reicht, kämpft das Team immerhin mit Ferrari um den zweiten Platz in der Konstrukteursweltmeisterschaft (aktuell zehn Punkte Rückstand). Welchen Anteil am Erfolg die Verpflichtung Lewis Hamiltons zu Saisonbeginn hatte, ist schwer zu sagen, denn auch strukturell hat sich bei den "Silberpfeilen" einiges getan. Beispielsweise holte Mercedes vor gut einem Jahr Niki Lauda in den Aufsichtsrat, der in der Folge wiederum Hamilton von McLaren abwerben sollte.
Ohne die Verpflichtung des Briten hätte sich nach Meinung des dreimaligen Weltmeisters "nicht viel" bei Mercedes verändert: "Mit einem neuen Mann kommt eine frische Motivation. Die Verpflichtung eines Top-Fahrers lässt alle mit Ehrfurcht aufschauen", hatte Lauda gegenüber der 'Welt' gesagt. Vor einem Jahr hätte es wohl niemand für möglich gehalten, dass ein absolutes Spitzentalent wie Hamilton seinen wettbewerbsfähigen McLaren verlässt, der zum Saisonfinale noch das schnellste Auto im Feld war, und zum Durchschnittsteam aus Deutschland wechseln würde.
Lauda hat es dennoch irgendwie möglich gemacht und erinnert sich, wie der Deal zustande kam. Den ersten Schritt habe der Österreicher kurz vor dem Großen Preis von Singapur 2012 gemacht: "Ich war vor dem Rennen als Gast bei einem Board-Meeting des Mercedes-Teams in England eingeladen. Norbert Haug war da, fast der ganze Vorstand. Am Ende des Meetings habe ich nur eine Frage gestellt: 'Wer fährt nächstes Jahr das Auto?' Die Antwort lautete: 'Schumacher und Rosberg.' Daraufhin meinte ich: 'Seid ihr sicher, dass Schumacher weiterfahren wird?'"
Mercedes hatte ein Problem
Daraufhin habe man ihm geantwortet: "'Wir haben ihm ein Angebot gemacht, dass er irgendwann im Oktober annehmen muss.' Ich fragte: 'Was ist, wenn er es nicht annimmt?' Man sagte mir: 'Dann müssen wir einen anderen suchen.' Ich wollte wissen: 'Und wen, glaubt ihr, werdet ihr im Oktober finden?' Da kam nur Schulterzucken. Es war für mich klar, dass das Team ein Problem hatte. Deshalb habe ich gefragt, ob ich mich um diese Angelegenheit kümmern soll", erinnert sich Lauda.
Bereits zu diesem Zeitpunkt habe der Österreicher Hamilton im Kopf gehabt: "Ja, weil er damals der einzige Top-Fahrer war, der vertragslos war. Also fuhr ich mit dieser Perspektive nach Singapur und habe am Freitag vor dem Rennen mit Lewis gesprochen - etwa um 2:00 Uhr morgens. Danach sind wir zu ihm auf das Hotelzimmer. Es war eine Premiere für mich - mit einem fremden Mann um 2:00 Uhr früh ins Hotelzimmer zu gehen..."
Dort habe der 64-Jährige versucht, den Engländer davon zu überzeugen, dass Mercedes eine echte Alternative für ihn sei: "Er fragte, warum er McLaren verlassen und ein Siegerauto gegen einen Mercedes, der schwächelt, eintauschen solle. Ich hatte keine Antwort, aber sagte: 'Du fährst jetzt seit deinem zwölften Lebensjahr bei McLaren. Du musst für deine Weiterentwicklung mehr Risiken eingehen. Stell dir vor, die Rechnung geht auf, und du wirst mit Mercedes Weltmeister. Da bist du berühmter als Schumacher und Fangio zusammen.' Da hat es bei Lewis geklickt."
Eine gute Entscheidung
Hilfreich sei zudem der zufällige Umstand gewesen, dass Mercedes bei jenem Nachtrennen in Singapur in Führung liegend ausgefallen ist, denkt Lauda zurück. "Also habe ich nach dem Rennen nachgesetzt, und es kam zu der Verpflichtung von Lewis, nachdem Schumacher sich entschieden hatte aufzuhören." Die Fahrerpaarung Hamilton/Rosberg sei im Nachhinein die wichtigste Vorentscheidung für den Kurswechsel bei Mercedes gewesen, ist sich Lauda aus heutiger Sicht sicher. Zusammen holten die beiden bisher drei Rennsiege und 287 Punkte - mehr als doppelt so viele wie in der gesamten vergangenen Saison.
Hamilton selbst fühlt sich bei Mercedes mittlerweile ebenfalls sehr wohl, da ihm das Team offensichtlich die Möglichkeiten gibt, auch selbst etwas bewegen zu können: "Seit ich zum ersten Mal im Cockpit saß, nehme ich Einfluss. Ich habe einige Ideen mitgebracht, und manches davon haben wir schon verwirklicht. Dabei ging es zum Beispiel um die Sitzposition oder um die Anordnung der Knöpfe auf dem Lenkrad", erklärt der 28-Jährige gegenüber der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung'.
Zunächst hatte Hamilton seinen Mercedes als das am schwierigsten zu fahrende Auto seiner Karriere bezeichnet. Dann ging es bergauf; heute hat er seinen Boliden bereits deutlich besser im Griff: "Wir haben einiges verändert, damit ich mich wohler fühle im Auto. Und jetzt beginnt das Feintuning. Der Mercedes wird sich im kommenden Jahr viel mehr anfühlen wie mein Auto, er wird noch besser zu mir passen." Vielleicht können Hamilton und Mercedes dann ja nach den Sternen greifen.