Der Weltmeister hat sich einmal mehr neu erfunden: Ruhe und Gelassenheit statt Party und Genuss in vollen Zügen - Damit antwortet er auf Mercedes' Neutralität
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Seit Mercedes die Szenerie in der Formel 1 dominiert und die Silberpfeile die Titel unter sich ausmachen, beschwört die sportliche Leitung ihre Neutralität im Teamduell. Als Verfolger im Zweikampf mit Nico Rosberg muss die Pille Lewis Hamilton schlucken. "Sie wollen, dass wir die Konstrukteurs-WM gewinnen", sagt er im Vorfeld des Malaysia-Grand-Prix über die Unterstützung aus den eigenen Reihen. Er stellt klar: "Dass ich vorne liege, steht nicht oben auf ihrer Agenda."
Im Umkehrschluss bleibt Hamilton nichts anderes übrig, als an sich selbst zu arbeiten. Schon seit Monaten wird ihm das vor Augen geführt. Nicht erst seit der Klatsche von Singapur ist klar, dass selbst ein dreimaliger Weltmeister noch Luft nach oben hat. In Aserbaidschan verzichtete er in gewohnter Manier auf eine Streckenbegehung, donnerte sein Auto im Qualifying in die Mauer und hatte seine liebe Mühe mit der Motorsteuerung. In Italien patzte er am Start mit der Kupplung.
In Singapur war er das komplette Wochenende über langsamer als Rosberg und verzeichnete einen Ausrutscher im Qualifying, nachdem er das Setup - auch aufgrund eines Hydraulikproblems - nicht optimal hatte gestalten können. Für Mercedes ist das nur kein Problem, wenn Hamilton Zweiter hinter dem Stallgefährten wird. "Ihnen ist es egal, ob er gewinnt oder ich gewinne", sagt der Brite.
Hotel am Flughafen statt in Downtown: Das Modell Rosberg
"Es liegt an mir als Mensch, wie ich damit umgehe", findet Hamilton und scheint sich abermals neu erfunden zu haben. Rauschende Partynächte mit Wasserpfeife und Tequlila-Flasche wie zu Beginn der Saison gehören der Vergangenheit an. Abseits der Strecke ist es ruhig geworden um einen Mann, der den Roten Teppich liebt. "Ich habe einige Tage entspannt", sagt er über die Vorbereitung auf den Malaysia-Grand-Prix vor den Toren der pulsierenden Metropole Kuala Lumpur.
Für das Rennwochenende ist er in ein Hotel am Flughafen gezogen. Es ist nur 15 Kilometer weg von der Strecke und praktisch, aber weit weg von den schillernden Rooftop-Bars der Großstadt. "Wer so oft reist wie wir, muss die richtige Balance zwischen Ausspannen und Fokussierung finden", sagt Hamilton der 'Auto Bild motorsport'. "Ich habe mir gerade eine neue Gitarre gekauft und habe angefangen, Französisch zu lernen." Auch Deutschunterreicht könne er sich vorstellen.
Das sind ganz neue, sanfte Töne eines Piloten, der sonst bei jeder Gelegenheit betont, das Leben genießen und sich nicht verbiegen lassen zu wollen. Hat ihm die Rolle des Jägers im WM-Kampf Demut eingetrichtert? "WM-Führender zu sein, das stimmt einen vielleicht positiver. Aber die Rückschläge können herber sein, denn wenn man vorne liegt, hat man mehr zu verlieren", sinniert Hamilton und findet sich mit seiner neuen Rolle ab: "Jäger zu sein ist definitiv spannender."
Und nichts Neues für einen, der seit zehn Jahren um die Krone der Formel 1 fightet: "Es ist nicht anders als in der Vergangenheit. Ich habe harte Zeiten durchgemacht, habe gute erlebt. Wie man damit umgeht, macht den Unterschied", findet Hamilton und erwähnt die viel beachtete Rochade der Mechanikerteams der Mercedes-Teamkollegen. "Der größte Einfluss, den es ausübt, ist psychologisch. Wenn sich etwas ändert, was sich nicht unbedingt ändern muss", winkt er ab und blickt auch Sepang gelassen entgegen. "Ich habe überhaupt keine Erwartungen", sagt Hamilton. "Wenn man sich Ziele setzt und sie nicht erreicht, dann frustriert einen das Ganze nur noch."