Helmut Marko schildert genau, wie Sebastian Vettels "radikales" Rennen aus Sicht der Red-Bull-Box ablief und glaubt an die Läuterung des Weltmeisters
© Foto: xpbimages.com
Mark Webber war nach dem Grand Prix von Malaysia fuchsteufelswild. Der "Aussie" war auf dem Weg zum Sieg, Red Bull gab mit dem Code "Multi 21" bereits die Order hinaus, den Motor im letzten Stint zu schonen und die Positionen beizubehalten, als Sebastian Vettel das Feuer eröffnete. Der Heppenheimer rang Webber auf der Strecke nieder, was dieser mit dem "Stinkefinger" quittierte. Die Wut war so groß, dass er sogar überlegte, an der Siegerehrung nicht teilzunehmen - schließlich konnte er aber doch überredet werden.
Es war nicht das erste Scharmützel im "Bullen-Gehege", aber mit Sicherheit das blutigste. Vettel wurde für seine hinterlistige Aktion trotz nachträglicher Entschuldigung medial gescholten, zumal er stets beteuerte, im Gegensatz zu seinem Erzrivalen Fernando Alonso Rennen auf faire Art und Weise gewinnen zu wollen - beim Weltmeisterteam hängt der Haussegen schief.
Marko spricht von "Handshake"
Während Webber die Entschuldigung Vettels bei der Pressekonferenz zunächst abgelehnt hatte, gab es laut Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko aber zumindest hinter verschlossenen Türen bei der Nachbesprechung eine Annäherung der Teamkollegen. "Sebastian hat sich in der Pressekonferenz entschuldigt - das war finde ich schon einmal der erste richtige Schritt", meint der Österreicher gegenüber 'ServusTV'. "Es gab danach ein Debriefing - das sind die üblichen Besprechungen nach dem Rennen. Da gab es einen Handshake zwischen den beiden Piloten, und damit ist das für uns jetzt einmal erledigt."
Zunächst, denn derartige Missverständnisse kann sich Red Bull in Zukunft nicht erlauben, will man den vierten WM-Triumph in Serie einfahren. Das beste Beispiel, wie so etwas ins Auge gehen kann, ist der Stallkrieg zwischen Alonso und Lewis Hamilton bei McLaren 2007, als Kimi Räikkönen als lachender Dritter den Titel abstaubte.
Wiederholung unwahrscheinlich?
Marko fordert nun von seinen Piloten "ein konstruktives Arbeitsklima", auf Urlaub müssen die beiden aber nicht gemeinsam fahren. Auch er ist der Ansicht, dass Vettel, der vom Österreicher stets gefördert wurde, mit seiner Aktion zu weit gegangen ist: "Die Grenze ist dann gegeben, wenn es um Teaminteressen geht. Da hat der Fahrer eindeutig zurückzustecken. Sebastian muss sich nicht komplett ändern. Aber wenn so eine Situation aufkommt, dann muss er sein Ego zurückstecken."
Eine Wiederholung eines derartigen Szenario hält Marko für unwahrscheinlich, schließlich hätten die Ereignisse auch bei Vettel tiefe Spuren hinterlassen: "Sebastian war bedrückt. Er war irgendwie selbst von seiner Radikalität überrascht, mit der er da an die Sache herangegangen ist. Ich glaube nicht, dass er das noch einmal machen würde."
Als Marko "mulmig" wurde
Doch wie hat Marko selbst die umstrittenen Szenen ab dem letzten Boxenstopp gesehen? "Wir haben ja Vettel als ersten hereingeholt, damit uns Hamilton nicht übertrumpfen kann", erklärt er. Webber hatte zu diesem Zeitpunkt rund vier Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen und kam zwei Runden später zum Reifenwechseln herein.
Ein Vorteil für Vettel, der die frischen Reifen für Top-Rundenzeiten nutzte. Doch laut Marko hatte Webber einen höheren Reifenverschleiß, weshalb dieser im Gegensatz zu Vettel die harten Pneus bestellte, "und damit die Distanz pro Stint ungefähr stimmt, haben wir dann gesagt, dass er noch eine Runde draußen bleibt".
Dass Vettel in dieser Phase aber derartig Gab gibt, hatte man am Red-Bull-Kommandostand aber unterschätzt. "In dieser Phase hat Sebastian irrsinnig zugelegt, und Mark hatte eine relativ langsame Runde - und der Vorsprung von vier Sekunden war weg", blickt Marko zurück. "Dann hat Mark die Warnung bekommen - und da ist es mir ehrlich gesagt schon etwas mulmig geworden -, dass beide gleichauf sein könnten. Leider ist das dann auch so passiert."
Vettel sieht rot
Daraufhin tat man an der Red-Bull-Box laut dem Österreicher alles, um ein Gemetzel zu verhindern: "Da haben wir einen gewissen Code 21. Das hat der Renningenieur in der Folge zweimal gesagt, aber es gab keine Reaktion. Dann haben wir gesagt: Horner spricht direkt mit Sebastian. Bei so einer Message muss man aber schauen, dass eine Gerade gefunden wird, denn da sind Kurven mit 250, 260 km/h. Diese Gerade war die vorletzte vor Start und Ziel, und da wurde ihm eindrücklich und klar gesagt, er soll die Position halten und sie sollen schonend ins Ziel fahren."
Ursache für den Nichtangriffspakt war der prekäre Reifensituation - niemand wusste genau, ob die unberechenbaren Pirelli-Pneus bei Tropenhitze einem rundenlangen Rad-an-Rad-Duell standhalten würden, zumal der Reifenverschleiß höher ist, wenn man einem Konkurrenten direkt nachfährt.
Doch Vettel ignorierte jegliche Funkbefehle und machte Jagd auf Webber. "Dann kam der Angriff auf der Startziel-Geraden, und es ist aus der Kontrolle geraten", schildert Marko die angespannte Situation. "Da kann niemand mehr etwas über Funk machen, wir können nicht rausspringen. Da ist der Racer oder dieser Killerinstinkt in Sebastian durchgegangen."