Warum Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko die Situation gegen Mercedes auch langfristig aussichtslos sieht und für ihn Ferraris Fortschritte ein Trugschluss sind
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Bei Red Bull und Renault hängt der Haussegen gehörig schief. Daran haben die beiden Partner seit dem misslungenen Saisonauftakt in Melbourne keinen Zweifel gelassen. Das einstige Weltmeisterteam wirft den Franzosen vor, im Vergleich zum Vorjahr bei der Antriebseinheit sogar noch einen Rückschritt gemacht zu haben - und das nach umfangreichen Weiterentwicklungen im Winter. In Viry-Chatillon wehrt man sich mit der Argumentation, Red Bull habe so viel Druck ausgeübt, dass man Veränderungen teilweise nicht auf dem Prüfstand testen konnte und somit bei den Tests auf dem falschen Fuß erwischt wurde.
"Es geht drunter und drüber", versucht Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz gegenüber 'Speedweek.de' nicht einmal, den Anschein der Harmonie zu wahren. Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko legt währenddessen noch einmal nach und wundert sich, dass die Mannschaft von Cyril Abiteboul in Australien völlig danebengriff. "Wir sind in Australien gezwungen worden, mit einem Mapping zu fahren, das die PS-Leistung reduziert hat, damit der Motor hält", sagt er gegenüber 'Speedweek.de'. Dennoch sei die Fahrbarkeit schlecht gewesen.
Eine Vorgehensweise, die bei einem Neueinsteiger wie Honda nachvollziehbar ist. Für die Japaner ist die Antriebseinheit völliges Neuland. Aber Renault hat bereits eine Saison Erfahrung damit. Dennoch sieht der Österreicher auch für Honda keine wahre Chance, aufzuschließen. Und die großen Fortschritte bei der Ferrari-Antriebseinheit seinen ein Trugschluss: "Sie sind nicht näher herangekommen, sie sind nur besser als im Vorjahr. Mercedes hat einen größeren Schritt voran gemacht."
Marko fordert Ende der Motoren-Einfrierung
Bei Red Bull glaube man nicht, "dass dieses Power-Unit mit diesen Restriktionen in dieser Form jemals andere Hersteller an Mercedes heranführen wird". Eine starke Aussage, mit der das österreichische Team mit Sitz in Milton Keynes die FIA zum Handeln animieren will. "Das ist die Krux dieses ganzen Power-Unit-Problems", fährt Marko fort, "dass man eine Einfrierung der Entwicklung beschlossen hat. Jemand, der sich bei der Vorbereitung des Konzepts einen Rückstand eingehandelt hat, hat keine Chance, diesen Rückstand jemals aufzuholen".
Der Österreicher wehrt sich gegen den Vorwurf, Red Bull sei ein schlechter Verlierer und habe in den vier Weltmeisterjahren kein Problem mit der eigenen Dominanz gehabt. Seiner Meinung nach ist dies ein schlechter Vergleich: "Als wir gewonnen haben, mussten unsere Flügel plötzlich von einem Rennen zum anderen statt 50 Kilogramm Belastung 100 Kilogramm Belastung aushalten. Aber immerhin konnte innerhalb des Reglements jeder machen, was er wollte. Jetzt hingegen kann niemand etwas machen, weil das Reglement durch diese Einschränkungen nichts erlaubt."
Marko: Mercedes auch politisch kaum zu stoppen
Ein Status quo, der unter den aktuellen Entscheidungsabläufen in der Formel 1 auch kaum zu ändern sei - auch über 2016 hinaus. "Änderungen für 2017 verlangen Mehrheitsbeschlüsse, also mindestens 51 Prozent", erklärt Marko. "Mercedes rüstet vier Teams aus, sie sind also am stärksten vertreten, so sind gegen Mercedes keine Mehrheitsbeschlüsse erzielbar. Und Mercedes wehrt sich begreiflicherweise gegen jegliche Änderung."
Doch wie hat es Mercedes überhaupt geschafft, sich einen derart großen Vorteil zu verschaffen? Der ehemalige Le-Mans-Sieger führt dies auf die kostspieligen Vorbereitungsmaßnahmen vor der Einführung der V6-Turbo-Formel zurück: "Mercedes hat mit dem größten Aufwand und mit dem besten Know-how rechtzeitig zu arbeiten begonnen." Deswegen sei man heute nicht nur beim Verbrennungsmotor, sondern auch beim Elektromotor führend.
Marko gibt ein Beispiel: "Sie haben zum Beispiel 22.000 verschiedene Schaufelräder für Turbolader durchprobiert, bis sie zur jetzigen Form gekommen sind. Das ist ein riesiger finanzieller Aufwand, und durch die Einfrierung der Entwicklung kannst du das nie mehr aufholen."
Wieso Toro Rosso auf Red-Bull-Niveau war
Kritiker meinten allerdings nach dem Grand Prix von Australien, dass es unfair von Red Bull sei, die ganz Schuld auf die aktuelle Motorenformel und auf Renault zu schieben, schließlich war das Schwesterteam Toro Rosso in Melbourne trotz eines deutlich geringeren Budgets nicht weit weg vom A-Team. Und auch die Mannschaft aus Faenza nutzt eine Renault-Antriebseinheit.
Marko argumentiert dies mit den technischen Problemen bei Red Bull, die dazu führten, dass man insgesamt ein Freies Training verpasste. "Wir mussten bei Ricciardo am Freitag einen neuen Motor einbauen und haben dann bei der Abstimmung wieder bei Null begonnen. Toro Rosso ist sicher die dreifache Rundenanzahl von uns gefahren", sagt er. "Deshalb haben sie die Möglichkeiten gehabt, das Mapping zu verbessern. Auf der anderen Seite hat Toro Rosso einen immens hohen Benzinverbrauch gehabt, den wir nicht gehabt haben. Deshalb sind sie etwas zurückgefallen."