McLaren zündelt, Mercedes dementiert, David Coulthard ist dafür: Kommt es zum spektakulären Motorentransfer zwischen McLaren und Sauber?
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Nach dem desaströsen Auftakt in die Formel-1-Saison 2017 ist bei McLaren-Honda Feuer am Dach. Jetzt beginnt auch die Gerüchteküche zu brodeln: Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' untersucht das McLaren-Team Möglichkeiten, vorzeitig aus dem Honda-Exklusivvertrag (der bis Ende 2024 läuft) auszusteigen - unter Umständen noch während der laufenden Saison.
Rennleiter Eric Boullier, so wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, versucht einen spektakulären Motorentransfer zu organisieren. Die (von offizieller Seite freilich unbestätigten) Spekulationen besagen, dass McLaren sogar bereit wäre, eine Millionschwere Abfindung an Honda zu bezahlen, um die Japaner zum Schweizer Sauber-Team abschieben zu können. Stattdessen würde man als Kunde zu Mercedes zurückkehren. Mit sofortiger Wirkung.
"Davon habe ich noch nichts gehört", beteuert Mercedes-Boss Niki Lauda auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com'. "Ich kann das nicht kommentieren, weil ich nichts davon weiß. Es gibt immer die Internetfreunde. Die schreiben irgendwas - und alle glauben es." Sein Kollege Toto Wolff weicht entsprechenden Fragen aus: "Für uns ist wichtig, dass wir einigermaßen ausgeglichene Verhältnisse haben, mit vielen in der Formel 1 engagierten Herstellern."
Gerüchteküche: Wolff dafür, Lauda dagegen
Interessant: Als es darum ging, Mercedes-Power an Red Bull zu liefern, legte sich Wolff quer, während Lauda unbedingt mit Dietrich Mateschitz ins Geschäft kommen wollte. Jetzt soll es genau umgekehrt sein: Wolff ist dafür, McLaren wieder zu beliefern, Lauda dagegen - heißt es. Boullier wiederum befeuert die Gerüchte, wenn er sie zwar einerseits dementiert ("Wir sind bei Honda"), andererseits aber sagt: "Wir müssen alle Möglichkeiten untersuchen."
"Gerüchte sind Gerüchte", erklärt der Franzose und räumt ein: "Ich schätze, dass unsere Leistungen, besonders bei den Wintertests, solche Gerüchte entstehen lassen haben. Aber sie sind nicht wahr." Andererseits wird gemunkelt, dass bei McLaren schon ein konkreter Fahrplan für den Motorentransfer aufgestellt worden sein soll. Demnach würde es von der Vertragsunterschrift im allerbesten Fall nur acht Wochen dauern, um einen McLaren-Mercedes rennfertig zu bekommen.
Sauber kämen die Honda-Millionen gelegen
Die britischen Medien überschlagen sich angesichts der sich anbahnenden Story. "McLaren und Honda steuern auf eine bittere Scheidung zu", schreibt etwa die 'Sun'. Sauber jedenfalls würde sich die Hände reiben: Hinterher fährt man mit dem 2016er-Ferrari-Motor sowieso - und der muss auch noch bezahlt werden. Honda hingegen würde sogar Geld in die Partnerschaft einbringen. Und sollten die Japaner ihren Antrieb irgendwann auf die Reihe bekommen, wäre ein Werksvertrag für ein kleines Team eine Riesenchance.
Bei Honda will man von all dem nichts wissen: "Das sind nur Gerüchte. Die sind mir egal", wird Yusuke Hasegawa, der Leiter des Formel-1-Programms, von der 'Sun' zitiert. "Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir zu tun haben. Denn wir haben keine großartige Arbeit geleistet." Gleichzeitig bestätigte er jedoch am Melbourne-Wochenende Gespräche "mit einem zweiten oder dritten Team".
Dabei soll es nicht um einen McLaren-Ersatz gehen, sondern um eine zusätzliche Belieferung von bis zu zwei Kundenteams ab der Saison 2018. Die Logik ist einleuchtend: Wenn man schon technologisch im Rückstand ist, würden mehr fahrende Autos (und somit mehr Daten zum Auswerten) dabei helfen, die Weiterentwicklung voranzutreiben. Aber dagegen hat ausgerechnet McLaren-Boss Ron Dennis sein Veto eingelegt und auf den Exklusivvertrag gepocht.
Ohne Dennis: Wende in der Exklusivitäts-Frage?
Nur: Dennis ist jetzt weg, mit Zak Brown ein neuer starker Mann am Ruder. Der sieht den Faktor Exklusivität lockerer: "Ich war damals noch nicht im Team. Meine Meinung ist: Je mehr Erfahrung gesammelt wird, desto besser. Ich stehe dem aufgeschlossen gegenüber. Aber letztendlich ist das nicht meine Entscheidung." Dennis sei "immer noch Shareholder und hat als solcher ein signifikantes Interesse daran, dass wir erfolgreich sind".
Die Situation ist paradox: Erst wollte McLaren die Honda-Motoren mit niemandem teilen, jetzt wäre man sogar bereit, sie komplett abzuschieben. Die Erkenntnis, mit Honda einen Irrweg beschritten zu haben, kommt laut David Coulthard viel zu spät: "Ich frage mich, wie ein Team, das sich damit brüstet, in allen Bereichen größten Wert auf die Details zu legen, einen Mercedes-Vertrag so früh in den Wind schießen konnte, um einen Honda-Motor zu akzeptieren, der viel schlechter ist als das, was sie hatten?"
Coulthard: Ausreden interessieren niemanden
"Honda", analysiert Coulthard in der 'Sun', "hat die Lage nicht im Griff. Sie können sagen: 'Andere hatten mehr Zeit als wir.' Aber die Ausreden interessieren niemanden. Wenn du in den Boxring steigst, kannst du auch nicht sagen, dass du nicht genug Zeit hattest, um dich auf dieses Gewicht zu trainieren. Niemand hat dich gezwungen, in den Ring zu steigen."
"Es ist jetzt die dritte Saison von Honda, also gehe ich davon aus, dass sie die Entscheidung vor fünf oder sechs Jahren getroffen haben", so der ehemalige McLaren-Pilot. "Sie können hoffen, dass es besser wird, aber mal ehrlich: Das letzte Mal, als Honda mit den V8-Motoren in der Formel 1 war, waren sie auch nicht erfolgreich. Jenson hat ein Rennen gewonnen. Zum Leben erweckt wurde das Auto erst, als sie einen Mercedes-Motor ins Heck steckten und Honda zu Brawn wurde."
Offenbar eine Meinung, die Coulthard keineswegs exklusiv vertritt. Bereits während der Wintertests hat McLaren anklingen lassen, dass man mit Mercedes-Motoren möglicherweise Rennen gewinnen würde. Auch wenn diese Aussage (noch?) nicht überprüfbar ist: Einige Herren in Woking scheinen sie sich zumindest beantworten zu wollen. Und zwar möglichst rasch.