Die Wogen zwischen McLaren und Honda sind alles andere als geglättet: Eric Boullier wirft den Japanern vor, die Motorsportkultur nicht zu verstehen - Mitleid von Renault
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Die Misere von Honda hat bei den Formel-1-Testfahrten 2017 in Barcelona wieder kritische Ausmaße angenommen. Nach der indiskutablen Vorstellung platzte dem McLaren-Team der Kragen. Mehrfache verbale Attacken gingen aus Woking über den eurasischen Kontinent hinweg in Richtung Japan. Nach Gerüchten zu einer Anfrage an Mercedes fiel mittlerweile auch zum ersten Mal das Wort "Ausstieg". Honda steckt bis zum Hals in Schwierigkeiten, da helfen keine Durchhalteparolen mehr weiter.
McLaren-Rennleiter Eric Boullier schickt den nächsten Giftpfeil in Richtung Tokio. "Das einzige, was sie kapieren und integrieren müssen, ist die Motorsportkultur in der Formel 1", sagt er gegenüber 'Autosport'. Ein schwerwiegender Vorwurf - schließlich behauptet Boullier so indirekt, dass Honda die Formel 1 bis heute nicht verstanden habe.
Er erklärt: "Was ich damit meine, ist, dass wir uns fix nach einem Rennkalender, festen Zielen, festen Terminen und Verbesserungen in der Rundenzeit richten. Wir versuchen stets, die bestmögliche Lösung so schnell wie möglich zu finden." Das ist bei Honda bislang nicht der Fall. Boullier weiter: "Wenn ein Autohersteller ein Projekt in Angriff nimmt, kann er es sich leisten, ein paar Wochen Verspätung zu haben, ohne dass das Produkt darunter leidet. Wenn man aber im Rennsport nicht im ersten Rennen mit dem Upgrade da ist, landet man in diesem Rennen im Nirgendwo. Das ist die Racing-Mentalität, von der ich spreche."
Boulliers Kernmessage: Mit Profitorientierung kommt man im Motorsport nicht weiter. Er fordert Honda dazu auf, endlich die gesamte Motorensparte nach Großbritannien zu holen: "Unsere Zulieferer mögen zwar das Doppelte (von denen von Honda; Anm. d. Red.) kosten, aber dafür sind sie vier- bis fünfmal so schnell. Man kann spüren, wie Konzerndenken nicht dabei hilft, effizient zu arbeiten. Je mehr man sich wie ein Unternehmen aufführt, umso langsamer und träger wird man. Das passt nicht zur Motorsportkultur."
Abiteboul fühlt mit Honda
Warme Worte erhält Honda derweil aus Frankreich: Renault kennt die Lage nämlich nur zu gut. Zu Beginn der Formel-1-Saison 2015 gingen die Red-Bull-Verantwortlichen - insbesondere Motorsportberater Helmut Marko - durch die Decke, nachdem sich die Antriebseinheit aus Viry-Chatillon gegenüber der Saison 2014 im Vergleich zur Konkurrenz noch einmal verschlechtert hatte. In einem monatelangen Gezerre brachte es Red Bull aber bis Saisonende nicht fertig, einen neuen Motorenpartner zu finden. Die Kompromisslösung, Renault-Motoren unter TAG-Heuer-Branding zu verwenden, hält bis heute an.
Während sich die Wogen im Zuge besserer Leistungen während der Formel-1-Saison 2016 hier geglättet haben, geht die Ehekrise bei McLaren und Honda gerade erst los. "Ich habe starkes Mitgefühl mit Honda bei dem, was sie durchmachen", sagt Renault-Sport-Geschäftsführer Cyril Abiteboul. "Es erinnert mich daran, was ich selbst erlebt habe."
Doch zu jammern bringt niemanden weiter. McLaren müsse auf dem Boden und Honda konzentriert bleiben. "Sie müssen da jetzt durch und ich bin mir sicher, dass sie die finanziellen Ressourcen dazu haben", so der Franzose. Er sieht aber auch einen Fehler in der Herangehensweise von Honda, sich auf nur ein Team zu konzentrieren: "Es ist eine Risikoanalyse. Es geht darum, alle möglichen Fehler, die auftreten können, durchzurechnen. Drei Teams zu haben, hilft dabei. Logistisch mag es eine Herausforderung sein, drei Teams mit Teilen zu beliefern. Aber ich denke, das wäre für Honda besser gewesen. Es würde die Sache beschleunigen."
Honda hat versprochen, die gröbsten Fehler in der neuen Antriebseinheit zum Großen Preis von Australien aussortiert zu haben. Man sei "auf dem richtigen Weg" und habe einige Einstellungen bei den Motorenparametern verändert, um die Performance zu verbessern, versichert Honda-Motorsportchef Yusuke Hasegawa.