Menrath über Turbo-Ära: "Motorentechnologie heute effektiver"

, 27.06.2013

Jean-Pierre Menrath vergleicht im Interview die frühere Turbo-Ära mit der kommenden und blickt auf eine turbulente Zeit zurück

Jean-Pierre Menrath ist Test- und Entwicklungsdirektor bei Renault und im wahrsten Sinne des Wortes ein Mann der ersten Stunde: Er war bereits in der ersten Turbo-Ära der Formel 1 dabei. Nachdem der Renault-Motor für die Saison 2014 vorgestellt wurde, spricht der Franzose im Interview über die Anfangszeiten des Turbos, die Probleme und Herausforderungen zu der Zeit und er erklärt, warum sehr viel mit "praktischem Herumprobieren" zu tun hatte. Außerdem zieht Menrath den Vergleich zu heute und beschreibt, was durch neue Technologien im Gegensatz zu früher einfacher ist.

Frage: Herr Menrath, was dachten die Leute im Fahrerlager über Sie als Pioniere der Turbo-Ära?

Jean-Pierre Menrath: "Die Leute haben nicht wirklich an uns geglaubt. Von technischer Seite aus gesehen war es eine größere Herausforderung, als jeder gedacht hat. Ende der Siebziger- und zu Beginn der Achtzigerjahre war die Technologie noch in ihrer Entwicklungsphase und wir haben an jedem Grand Prix Veränderungen vorgenommen. Wir waren zufrieden, wenn wir das Ende des Rennens erreichten, aber wir waren in der Tat Meilen davon entfernt, zu gewinnen."

"Aber das machte nichts: Wir haben daran geglaubt, was wir gemacht haben. Wir konnten sehen, dass wir uns verbesserten und dass sich früher oder später unsere Bemühungen auszahlen würden. Die Leute haben uns anders betrachtet, als wir unser erstes Rennen in Frankreich gewonnen haben. Es war sowohl eine radikale Änderung als auch eine Offenbarung: Plötzlich stellten die turbobetriebenen Autos eine echte Bedrohung dar. Die anderen realisierten, dass sie die Saugmotoren aufgeben und zum Turbo wechseln mussten."

Piloten mussten Fahrstil komplett ändern

Frage: Was waren zu der damaligen Zeit die Eigenschaften und die Herausforderungen der Turbomotoren?

Menrath: Die am häufigsten wiederkehrenden Herausforderungen, die wir hatten, hatten mit Verzögerung zu tun. Die Fahrer mussten ihren Fahrstil völlig ändern. Und natürlich war die Wärmeabgabe der Turbomotoren der meist einschränkende Aspekt in Bezug auf das Design eines schnellen Rennautos."

"Die Kühler mussten größer sein. Im Gegensatz zu den Saugmotoren war es schwieriger, die Turbomotoren in die Einsitzer einzupassen. Davon abgesehen war die Power das andere wichtige Thema. Das Generieren von zusätzlichen 500 PS an Abgabeleistung mit einem 1,5 Liter Motor war eine echte Errungenschaft zu dieser Zeit."

"Wir waren gezwungen, mehr Power zu produzieren als die führenden Saugmotoren von Cosworth zu dieser Zeit, um die Mängel der Turbomotoren zu kompensieren, und so war zu Beginn die Zuverlässigkeit der größte Testaspekt. Sie müssen aber bedenken, dass wir von 520/530 PS aus dem Jahr 1979 auf über 1.000 PS in einem Zeitraum von fünf Jahren kamen! Ende 1986 hatten wir sogar einen Test-Motor, der dank dem Einsatz eines neuen Turboladers mit einem neuen Design in der Lage war, über 1.200 PS zu entwickeln."

"Anfangs waren sie dafür vorgesehen, auf Flughöhe verwendet zu werden und zum Schluss haben sie auf Meereshöhe außergewöhnliche Performance geleistet. Unglücklicherweise hat der Motor nur drei Runden gehalten!"

"Ausgezeichnete Erinnerungen" an die erste Turbo-Ära

Frage: Was für Erinnerungen haben Sie an diese Ära?

Menrath: Ich habe einige ausgezeichnete Erinnerungen. Die technische Entwicklung war sagenhaft. Es gab viel mehr Abstimmungsarbeit. Aus einer reinen professionellen Perspektive war es faszinierend. Als Test- oder Renningenieur hast du es wirklich genossen, an diesem Projekt zu arbeiten. Um einen Turbomotor zu entwickeln ist es erforderlich, dass eine Menge Zeit an der Strecke verbracht wird: Der Zeitanteil der Entwicklungsarbeit auf der Strecke ist viel höher als bei einem Saugmotor."

"Bei einem Saugmotor müssen die Rohre und Leitungen sauber, die Strömungen der Flüssigkeiten optimal sein, und so weiter. Bei einem Turbomotor muss es einfach laufen. Es war eine Frage von praktischem Herumprobieren. Ich erinnere mich noch, als wir einmal auf der Höhe von Kyalami waren. Da ist weniger Luft, sodass der Motor nicht starten würde. Wir konnten einfach nicht die richtigen Einstellungen finden, um den Motor zu zünden. Wir mussten ihn für zwei oder drei Stunden erhitzen, bevor wir ihn zum Laufen gebracht haben. Wir stießen auf Schwierigkeiten bei so grundlegenden Dingen wie dem Starten des Motors!"

"Nachdem ich das alles gesagt habe, habe ich noch ein Gefühl des Versagens, da wir nie die Weltmeisterschaft gewonnen haben. Die Turbo-Erfahrung ermöglichte uns im Nachhinein trotz alledem, mit einer besseren Grundlage für die folgenden Aufgaben wieder zu starten und schlussendlich erfolgreich zu sein. Ich habe einige sehr gute Erinnerungen an die Zeit und die Tatsache, dass wir diese neue Technologie in einer Welt wie der Formel 1 entwickelt haben."

Motorentechnologie heutzutage effektiver

Frage: "Wie würden Sie den Motor aus den Achtzigerjahren mit dem Motor von 2014 vergleichen?

Menrath: "Natürlich liegt der größte Unterschied und die größte technische Entwicklung dieses neuen Motors in der Elektronik. Wir haben die Entwicklungen der turbobetrieben Motoren mit Zündverteilern und Zündungsvorrichtungen begonnen, die heute nicht mehr verwendet werden."

"Das Benzineinspritzungssystem hatte keine Elektronik. Und in Bezug auf das Design haben damals weder die modernen Simulationsprogramme existiert, noch wurden Computersysteme und Software benutzt, um die Motoren noch effektiver zu designen und die Performance exakt zu kontrollieren."

"Es gab keine Telemetrie und keine Datenerfassung. Für das Protokoll konnte der Fahrer den Druckübersetzer modifizieren. Unser 'Verräter' war ein Ziffernblatt mit einer Nadel, die herausragte. Unterm Strich war das Kontrolllevel ein wenig eingeschränkt. Heutzutage ist die Motorentechnologie viel effektiver. Wir sind sehr nahe an den komplexen Systemen, die in der Raumfahrt benutzt werden."

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