Mental- & Fitnesstraining für den Nachwuchs: Mit ungewöhnlichen Methoden zum Erfolg

, 07.09.2008

Speed Academy extrem: eine riesige Carrerabahn, Bogenschießen und ein Treppenhaus-Lauf über 30 Etagen des Posttowers in Bonn.

"Klopfen - Ziehen - Tippen - Klopfen - Drehen..." krächzt es aus dem Lautsprecher des Kinderspielzeugs "Simon Challenge" in der Hand von Marco Wittmann, begleitet von einem fetten Bassdrum-Rhythmus. "Tippen - Drehen - Drehen - Rollen- Beeeep - 20 Punkte - versuch's - noch - mal." Marco flucht "Mist, das war's." Er hat am falschen Rad gedreht, statt gerollt. Wir befinden uns mitten im Mentaltraining von Diplom-Sportwissenschaftler, Sporttherapeut und Mentalcoach Gernot Emberger. Aber nicht etwa in der Pause, wie das Spielzeug vermuten lässt. "Herzlichen Glückwunsch Marco, du hast deine Prognose zum Konzentrationstraining übertroffen und soeben 50 Euro gewonnen", freut sich Emberger über seine Leistung. Im Rahmen des Mentaltrainings wurde eine Wettbewerbssituation nachgestellt: Hohe Eigen- und Fremderwartung und die Nichtwiederholbarkeit, Faktoren, von denen sich Marco am wenigsten hat beeinflussen lassen. Als Belohnung winken je 10 Euro von seinen drei Mitstreitern und obendrauf noch ein Zwanziger von Emberger.

Ein ungewöhnlicher Test, aber typisch für den "Master der Sportpsychologie" Gernot Emberger. Deshalb schickt die Speed Academy Ihren Fördernachwuchs jedes Jahr zu ihm. In dieser Saison ging es in das Sport- und Aktiv Hotel Lindner in Much, mitten in der Idylle des Bergischen Landes. Ideale Voraussetzungen für ein dreitägiges Mental- & Fitnesstraining. Gernot Emberger definiert mentale Stärke als "die Fähigkeit, Talent, Wissen und Können, wenn es darauf ankommt und gerade wenn es schwer wird, produktiv umzusetzen." Soll heißen, die Kandidaten sollen lernen gerade im Rennen, optimale Leistung zu liefern. Und den Wettkampf nicht als Bedrohung sehen, sondern als Herausforderung.

"Nur dann ist der "Flow" da, kannst du siegen", weiß nun auch René Rast. "Ja mit Angst, aber auch mit Teilnahmslosigkeit oder gar Langeweile kannst du nur verlieren", hilft Jens Klingmann weiter. Auch Speed-Academy-Neuzugang David Mengesdorf hat die Botschaft des Mentaltrainings verstanden: "Du musst überzeugt sein, von deinem eigenen Können." Und Emberger ergänzt: "Ihr sollt für den Wettkampf lernen, den Konzentrationsfokus auf euch und eure Aufgabe zu lenken, ohne euch dabei von der Umwelt, Störungen, Erwartungen oder den Konsequenzen beim Versagen ablenken zu lassen."

Am nächsten Tag steht zunächst die körperliche Fitness des Nachwuchskaders im Fokus. Dazu unterziehen Gernot Emberger und sein Team alle Kandidaten aufwändigen Leistungs- und Beweglichkeitstests. Während Marco Wittmann für die Laktat-Bestimmung auf dem Laufband schwitzt, geht David Mengesdorf beim Lungentest die Puste aus. Über den Stufentest kann der Sportwissenschaftler die maximale Ausdauerleistungsfähigkeit sowie das Niveau der Grundlagenausdauer feststellen. Hinter den beiden Speed Academy-Kandidaten liegen bereits verschieden Kraft- und Haltetests. Darüber misst Emberger die statische Kraftausdauerfähigkeit in den Bereichen Unterarmmuskulatur, Halsmuskulatur, und untere Rückenmuskulatur, also in den für Rennfahrer wichtigen Muskelgruppen.

Hinzu kommen dynamische Übungen, wie Situps, mit denen die Kraftausdauerfähigkeit im Bereich vordere und seitliche Bauch-, vordere und hintere Oberarm-, Brust-, obere Rücken-, Schulter-, Gesäß- und die der kompletten Beinmuskulatur getestet wird. Diese Bereiche werden im Rennen vor allem in Kurven, beim Schalten oder beim Bremsen stark beansprucht.

Die parallel stattfindende psychologische Untersuchung fordert René Rast und Jens Klingmann seit fast zwei Stunden volle Konzentration ab. Zur Überprüfung der persönlichen und leistungspsychologischen Aspekte der Kandidaten setzt Gernot Emberger auf das Wiener Testsystem. Der Juniorchef der Herstellerfirma Gerald Schuhfried flog dazu persönlich aus Wien mit seinem Hightech-Equipment ein. "Das Ziel unserer sportpsychologischen Untersuchung ist es, gezielte und messgenaue Information über den Sportler zu bekommen und so darüber ein maßgeschneidertes Training zu gestalten", erklärt Schuhfried.

Für den Motorsportnachwuchs der Speed Academy hat er spezielle Testverfahren zusammengestellt, die sowohl persönliche als auch leistungspsychologische Aspekte abtesten. "Dazu gehören die Erholungsfähigkeit, die Untersuchung von Stressauslösern und der Umgang mit Stress und Stressmanifestation", erläutert Schuhfried, "aber auch eine Untersuchung der Anreize der Leistungsmotivation durch die Aufgabe selbst, durch selbstgesetzte Ziele oder durch Konkurrenz."

Nach all dem Teststress hatte Emberger schon die nächste Überraschung parat: eine überdimensionale "Carrerabahn". Auf der digitalen Hightech Holz-Schlitzrennbahn der Firma wood-slot.com sollten die Jungs die im Mentaltraining erlernten Methoden einsetzen, um sich so beim Rennen über 50 Runden ganz auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Keine Frage, dass Mentaltraining à la Emberger bei den Jungs gut ankommt, hier wird die Konzentration auf das Wesentliche - die Zielscheibe - plötzlich ganz greifbar. Am nächsten Morgen dann die Steigerung: Bogenschießen. Nach der Einweisung durch Dirk Grothstück, dem Veranstalter von Pfeil-und-Bogen-Events, hieß es für den Rennfahrernachwuchs wieder "Fokussieren" im wörtlichen und im mentalen Sinn. "Bogenschießen ist das ideale Training zur Auge-Hand-Koordination", weiß Grothstück. Nach dem Einschießen dann der Test: Einzelschießen unter massivster Ablenkung. Wie gut können sich die Kandidaten in der Wettkampfsituation konzentrieren, wie leicht lassen sie sich ablenken?

Im Anschluss ging es dann im Konvoi nach Bonn, in die Zentrale der Deutschen Post, den 160 Meter hohen Posttower. Natürlich nicht nur, um den Initiatoren des Motorsportförderprogramms "Hallo" zu sagen. Der letzte Programmpunkt sollte noch einmal im Zeichen der Fitness stehen. Die Aufgabe: über das Treppenhaus über 30 Stockwerke auf die Aussichtsplattform des Hochhauses. Im Minutentakt startet Gernot Emberger die Jungs. In nur 3:42 min gewinnt Marco Wittmann fast eine Minute vor dem Rest den Treppenlauf. Eine super Zeit, die zeigt welche Leistung abrufbar ist, wenn körperliche Fitness und mentale Stärke zusammenkommen. Jetzt warten die Jungs schon gespannt auf die Auswertung und die Übersendung der Testergebnisse mit ihren individuellen Trainingsvorschlägen.

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