Wie aufregend der Russland-Grand-Prix für Lewis Hamilton wirklich war: Turbulenter Start mit gebremstem Schaum, Beinahe-Teamcrash und ein wackeliger Heckflügel
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Auf den WM-Titel in der Fahrerwertung und die Konstrukteurs-Krone mit Mercedes muss Lewis Hamilton noch warten, dennoch ist ihm beim Russland-Grand-Prix in Sotschi am Wochenende Historisches gelungen. Der Brite feierte seinen 42. Grand-Prix-Erfolg in der Formel 1 und überholte damit sein Jugendidol Ayrton Senna. Dazu zog er in der ewigen Bestenliste zur kompletten Statistik mit Sebastian Vettel gleich. "Es war ein ganz besonderer Moment", erklärt ein sichtlich bewegter Hamilton.
Der 30-Jährige denkt dabei vorwiegend an Senna: "Weil ich an Ayrton vorbeigezogen bin", erklärt er seine emotionale Reaktion. "Als ich auf den letzten Runden war, schoss mir in den Kopf, was für ein Traum das alles ist." Um den dritten Titelgewinn seiner Laufbahn in der Königsklasse perfekt zu machen, benötigt Hamilton beim in zwei Wochen anstehenden US-Grand-Prix neun Punkte mehr als Vettel und zwei Zähler mehr als Teamkollege Nico Rosberg, dem in Sotschi ein Pfennigteil zum Verhängnis wurde.
Am Auto des Wiesbadeners ging nach wenigen Runden ein Dichtungsring in der Mechanik kaputt. Infolge des Defekts reagierte das Gaspedal nicht mehr, weshalb Rosberg seinen Boliden in Führung liegend abstellen musste. "Schlecht für die Konstrukteurs-WM und schlecht für Nico persönlich", bedauert Niki Lauda, hat aber im Blick, dass Mercedes von einer Strafe gegen Kimi Räikkönen profitieren und in Russland noch feiern könnte. "Auf diese Art und Weise zu gewinnen ist nicht mein Ding", sagt Lauda.
Wolff bedauert Rosberg-Ausfall: "Sport kann brutal sein!"
Obwohl größter Profiteur ist auch Hamilton enttäuscht wegen des Rosberg-Ausfalls: "Ich war so gespannt, weil ich dachte, wir würden uns ein Duell liefern. Es ist schade", blickt er auf einen intensiven Zweikampf in den ersten Runden zurück, bei dem er drauf und dran war, sich den ersten Platz auf der Strecke zu schnappen. Als sich das Problem mit Glück erledigte, war es ein einsames Rennen an der Spitze, in das Vettel offenbar wider der Erwartung Hamiltons nicht mehr eingriff: "Als Sebastian hinter mir war, dachte ich, dass wir miteinander kämpfen würden", bedauert der Sieger.
Sportchef Toto Wolff dürfte in der Box aufgeatmet haben, als es am Start zwischen seinen beiden Schützlingen gesittet zuging: "Lewis war im Hinblick auf die Meisterschaft defensiver, als wir ihn normalerweise kennen. Aber Nico hat auch gut dagegengehalten", sagt er am 'RTL'-Mikrofon und fügt an: "In Suzuka hat es noch ganz anders ausgesehen." Den Defekt beim sich gut verteidigenden Rosberg bedauert er: "Es ist Pech, es ist ein mechanischer Sport. Mir tut es unheimlich leid für Nico. Manchmal ist der Sport einfach so brutal. Er hatte so eine tolles Wochenende und eine klasse Startrunde."
Hamilton spricht von "bester Zeit" seiner Formel-1-Karriere
Dass es nicht mit Hamilton krachte, als er kurz nach der grünen Ampel in Kurve 4 verdächtig dicht auf das Heck des Schwesterautos auffuhr, begründet der Champion mit dem Virtuellen Safety-Car (VSC), dass nach dem Unfall mit Mittelfeld hätte aktiviert werden können: "Dann muss man so langsam wie möglich fahren, um sicher zu sein, dass man bei der nächsten Messstelle nicht zu schnell war. Aber das Safety-Car kam und es war nicht nötig. Wir waren in Action, er bremste - und ich wollte uns nicht beide aus dem Rennen schießen."
Was bei seinen einsamen Runden vor dem Feld kaum auffiel: In der Folge hatte auch Hamilton, der sich mühelos von Verfolger Valtteri Bottas absetzte, ein technisches Problem, das Wolff noch nicht näher benennen kann. Der Österreicher zitterte: "Deswegen mussten wir vorsichtig sein. Es hat dazu geführt, dass der Heckflügel instabil wurde. Das bereitete uns doch ein paar Sorgen. Ich hatte zum Jahresende hin zumindest auf ein ganz normales Rennen gehofft."
Der Brite selbst jedoch relativiert die Schwierigkeiten an seinem Auto und zeigt sich unbesorgt: "Eigentlich war es gar nicht so großes Problem. Ich habe es dann einfach locker angehen lassen", so Hamilton weiter. Er beschreibt jedoch, dass ihm auch mögliche Bremsplatte infolge kleiner Fahrfehler noch Sorge bereitet hätten, schließlich hätte sein Vorsprung nicht für einen möglichen Notstopp gereicht.
Die Perspektive, in Austin die WM zu gewinnen macht Hamilton sprachlos: "Das wusste ich gar nicht. Ich muss jetzt einfach Abstand gewinnen und genießen. Ich sehe keine einzelnen Rennen, sondern den Rest der Saison als Ganzes. Das ist die beste Zeit meiner Karriere." Wolff hat Rosberg trotz des großen Rückstandes noch nicht abgeschrieben: "Nico ist jetzt in seiner Situation, in der er ruhig bleiben muss. Er ist ein irrsinniger Kämpfer", weiß der Sportchef.