Mercedes-Geheimtest hinterlässt offene Fragen

, 27.05.2013

Kaum einer blickt derzeit beim Thema des Wochenendes, der Reifentest von Mercedes in Barcelona, durch - Teams wollen vor allem eines: Klarheit

Eins ist in der Geheimtestfrage von Mercedes derzeit klar: Dass nichts klar ist. Immer noch gibt es viele offene Fragen zu klären, um in die Hintergründe dieses Sachverhalts einsteigen zu können. Ist der Test der Silberpfeile nun legal gewesen? Welche Teams wurden vorher von Pirelli angefragt? Hat Mercedes schon in Monaco Vorteile gezogen? Und welche Konsequenzen hat das nun für die anderen Teams?

Besonders letzteres scheint viele Konkurrenten zu interessieren. Wie immer steht Ferrari in dieser Frage als erstes mit offengehaltenen Händen da. Und immerhin ist man ja auch eines von nur zwei Teams, das offiziell Protest gegen die 1.000 Zusatzkilometer der Silberpfeile eingelegt hat. "Wir wollen einfach wissen, was Sache ist", erklärt Teamchef Stefano Domenicali. "Denn wenn es erlaubt ist, dann sind wir die Ersten, die die Hand heben, um ebenfalls etwas dergleichen zu machen."

"Wie ihr alle wisst, macht Ferrari ja immer wieder Druck, dass wir mehr Testfahrten auf der Strecke bekommen", so der Italiener weiter. "Aus diesem Grund wollen wir die Hintergründe kennen." Alle anderen Teams sperren sich aber derzeit gegen eine Lockerung des Testverbotes. Auch bei Red Bull will man dies verhindern, auch wenn man eigentlich selbst einer der Rennställe ist, bei denen das Budget am höchsten ist. "Die Gefahr ist nun, dass wir alle zum freien Testen zurückkehren, was enorm viele Kosten nach sich ziehen würde", ärgert sich Teamchef Christian Horner.

Gleicht man eventuelle Vorteile aus?

Doch das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen. Zwar gibt es derzeit rege Diskussionen, ob Mercedes Vorteile aus diesem Test ziehen konnte, doch zumindest da ist sich Horner ziemlich sicher: "Wann immer man diese Autos zum Fahren bringt, lernt man etwas. Man lernt etwas über Zuverlässigkeit, man lernt etwas über die mechanische Seite des Autos, man lernt, wie sich das Auto verhält und bewegt - die Fahrer lernen natürlich auch. Dass Mercedes behauptet, dass sie von dem Test nicht profitiert hätten, ist nur sehr schwer zu glauben."

Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie ein eventuell unfairer Vorteil von Mercedes wieder ausgeglichen werden kann. "Wie soll die Lösung jetzt aussehen?", fragt sich auch Sebastian Vettel. "Darf nun jeder drei Tage lang testen? Oder sind sie die einzigen? Das ist jetzt eine dumme Diskussion." Natürlich dreht sich auch hierbei alles um die Kosten. Können und wollen sich Teams wie Caterham und Marussia überhaupt auf weitere Tests einstellen, die ungeplante Lücken ins Budget reißen würden?

Horner rechnet vor: "Wir sprechen über hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen Pfund an Motorenlaufzeit, Zeit mit den Komponenten, Fixkosten, Logistik - es ist kein unerheblicher Betrag." Zudem drängt sich die Frage auf, was die anderen Teams denn testen sollen? Noch mehr unbekannte Reifen? Oder sogar neue Teile? Dass letzteres bei Mercedes geschehen ist, verneint man im Team. "Wir haben einen Plan, wann wir welche Teile einsetzen wollen. Und wenn du einen solchen Plan hast, dann denkst du vorausschauend", erklärt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Als Pirelli auf uns zukam, war es aber eine Sache von Tagen. Es war etwa zehn Tage vor dem Test. Da gab es keine neuen Teile, die wir hätten testen können."

Vettel glaubt nicht an Monaco-Bonus

Auffällig aber war, dass Mercedes nach den Tests plötzlich die Pole-Position ins Ziel retten konnte, und mit einem Boxenstopp ins Ziel kam. Dennoch muss man das relativiert betrachten. Einerseits durften die Reifen nach der Rotphase noch einmal gewechselt werden, und andererseits ist Monaco sowieso nicht für Überholmanöver bekannt. So fuhr Mercedes über weite Strecken schon gnadenlos langsamer als nötig, sodass Vettel sie im Anschluss mit "Bussen auf Vergnügungsfahrt" verglich.

Der Deutsche zeigte kurz vor dem Ende mit der schnellsten Runde, wie viel schneller er im Fürstentum unterwegs hätte sein können. Einen Weg vorbei fand er trotzdem nicht. Somit kann zumindest in Monaco kein Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit Mercedes' gezogen werden - und auch nicht, ob der Test in Barcelona dem Team Vorteile gebracht hat. "Ich denke nicht, dass sie wegen des Tests heute gewonnen haben, das möchte ich klarstellen", betont Vettel. Helfen würde es aber auf jeden Fall. "Nicht für ein bestimmtes Rennen, aber für den Rest der Saison", ist sich der Red-Bull-Pilot sicher.

Und genau da dürfte der Knackpunkt liegen. Unter den angeblich anonymen Reifen mit Codenummern, mit denen Mercedes nichts anfangen hätte können, sollen auch die Pneus gewesen sein, die ab Kanada im Einsatz sein sollen. In Montreal könnte sich schon eher zeigen, welche Lehren Mercedes aus den drei Tagen gezogen hat. Dort ist ein Überholen schon viel eher möglich als in Monaco.

Nur ein Gefallen für Pirelli?

Und während die Fahrer gestern in Monaco relaxt mit dem Thema umgegangen sind (Hamilton: "Das hat Spaß gemacht."), flogen bei den Teamverantwortlichen mächtig die Fetzen: "Das ist eine Farce", schimpfte Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko bei 'Sky', was Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff mit einem "schlechte Verlierer" konterte. Und während für Vettel alles nur "bla bla bla" war, schob man bei Mercedes auch der Konkurrenz eine Mitschuld an der Situation zu.

"Pirelli hat in der Vergangenheit mehrmals angefragt, aber niemand hat sie unterstützt", erklärt Teamchef Ross Brawn. "Wenn sich die Teams beklagen, sollten sie vielleicht auch diesen Aspekt beachten." Toto Wolff meint bei 'RTL' sogar, man habe die Sache eh nur für Pirelli gemacht: "Wir kämpfen uns durch allen möglichen Mühsal, haben gar keinen Vorteil gehabt, ganz im Gegenteil. Das war ein Aufwand für Pirelli, den wir gerne gemacht haben."

Wie die Sachlage nun genau aussieht, wird sich in den nächsten Wochen hoffentlich klären, denn nicht nur die Fans tappen derzeit im Dunkeln, auch die Teams würden gerne Klarheit erfahren. Und das geht scheinbar nur mit Protest. "Wenn es in Ordnung ist, haben wir von Ferrari damit kein Problem", beschwichtig Ferrari-Teamchef Domenicali. "Wir wollen lediglich Klarheit haben, und das ist der einzige Weg, um diese zu erhalten. Das richtet sich nicht gegen Mercedes."

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