Mercedes: Krisenmanagement nach Hamiltons WM-Titel

, 26.10.2015

Friedenssichernde Maßnahmen: Nach der WM-Entscheidung in Austin werden Hamilton/Rosberg zum klärenden Gespräch bei den Mercedes-Chefs erwartet

Eigentlich sollte bei Mercedes nach der erfolgreichen Titelverteidigung sowohl bei den Konstrukteuren als auch bei den Fahrern alles eitel Wonne sein, aber anstatt sich in Miami (wohin er noch am Sonntagabend gemeinsam mit Niki Lauda gejettet ist) relaxt dem Feiern zu widmen, stehen Sportchef Toto Wolff möglicherweise knifflige Tage des Krisenmanagements in Haus.

Denn obwohl Lewis Hamilton über seinen dritten WM-Titel jubelt, hängt bei Mercedes der Haussegen schief. Nico Rosberg ist sauer, weil er in der ersten Kurve abgedrängt wurde, und selbst seine Chefs stimmen zu, dass Hamilton bei der Aktion einen Schritt zu weit gegangen ist: "Es war zu hart. Lewis weiß das", sagt Wolff. Dass Rosberg vor der Siegerehrung stinksauer eine Kappe in Richtung seines Teamkollegen zurückschmiss, war nur der äußere Beweis für die innere Anspannung.

Die Gefahr, dass bei Rosberg nun der Geduldsfaden gerissen ist und er Hamilton in Zukunft aggressiver gegenübertreten könne, sei "imminent", räumt Wolff ein: "Wir müssen jetzt sicherstellen, dass sich dieses Rennen und dieser Zwischenfall nicht auf das Team auswirken und die beiden Seiten der Garage teilen. So sehr ich mich freue, muss ich schauen, dass ich beide Jungs auf einem guten Level halte. Ich habe ein wenig Arbeit die nächsten Tage."

Erinnerungen an Spa-Francorchamps 2014

Denn ähnlich wie nach der Kollision in Spa-Francorchamps 2014 wollen Wolff und Lauda ihre beiden Fahrer zu einem klärenden Gespräch antreten lassen, um eine endgültige Eskalation im "Krieg der Sterne" zu verhindern: "Ich möchte Lewis' Erfolg nicht schmälern - er ist Weltmeister, er verdient diesen Titel. Unsere Diskussion auf diesen Zwischenfall zu reduzieren, wäre nicht richtig. Aber irgendwann werden wir darüber reden müssen."

"Jetzt reisen wir ab, kühlen die Köpfe für einige Tage ab, und dann reden wir miteinander", kündigt Wolff an. Erfahrung mit solchem Krisenmanagement hat er aus dem vergangenen Jahr: "Es ist nie leicht, die Köpfe abzukühlen. Es war beim ersten Mal schon nicht leicht, aber wir kennen diese Situation. Wir müssen ruhig bleiben und den beiden unmissverständlich klar machen, wie wir erwarten, dass sie gegeneinander fahren."

"Nico ist zurecht verärgert über diesen Zwischenfall. Das war zu hart, darüber müssen wir reden", so der Österreicher. "Während des Rennens war ich ehrlich gesagt glücklicher, weil es so aussah, als würde Nico gewinnen. Das hätte die Situation emotional gesehen ausbalanciert. Aber Nico hat diesen Fehler gemacht, und der hat ihn das Rennen gekostet. Jetzt werden wir uns in ein paar Tagen hinsetzen und miteinander reden, damit das nicht in etwas Größeres eskaliert."

Lowe glaubt an Comeback von Rosberg

Neben der Klärung des Zwischenfalls in der ersten Kurve in Austin gilt es auch, Rosberg psychologisch aufzurichten. Nach der zweiten WM-Niederlage im ebensovielten Jahr im mit Abstand besten Auto im Feld ist der 30-jährige Deutsche "an einem Tiefpunkt" angelangt, räumt Mercedes-Technikchef Paddy Lowe ein. Aber: "Nico kommt zurück." Zunächst einmal muss er dafür motiviert werden, noch gegen Sebastian Vettel um die Vize-Weltmeisterschaft zu kämpfen.

Ein grundsätzlich undankbarer Job, doch andererseits gibt es beim Blick auf die letzten drei Rennen durchaus auch angenehme Aspekte für das Silberpfeil-Management: "Ich war noch nie in der komfortablen Situation, dass ich mich zurücklehnen und das Rennen als Fan genießen konnte", grinst Wolff. "Deshalb freue ich mich jetzt darauf, wie unsere beiden Fahrer gegeneinander kämpfen, wenn es nichts mehr zu verlieren gibt."

Und alle fragen sich: Wie lange geht dieser Höhenflug von Hamilton und Mercedes noch weiter? "Wenn wir ihm weiterhin ein Auto zur Verfügung stellen, mit dem er seine Arbeit erledigen kann, dann ist für ihn alles möglich", meint Wolff, und Lowe ergänzt: "Wir haben 2015 das Beste von Lewis gesehen. So gut war er in seiner Karriere noch nie. Aber wir kennen das Limit nicht. Vielleicht wird er nächstes Jahr noch besser."

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