Mercedes: Rosberg schlägt Hamilton und ist Vize-Weltmeister

, 15.11.2015

Mit cleverer Taktik beim Brasilien-Grand-Prix stellt Sieger Nico Rosberg den zweiten WM-Rang sicher - Lewis Hamilton ohne Chance und mit leichter Kritik am Team

Totaler Triumph für Nico Rosberg (Mercedes) beim Grand Prix von Brasilien in Sao Paulo: Nachdem er sich am Samstag seine fünfte Pole-Position in Folge geholt hatte (die sechste in dieser Saison), fuhr Rosberg am Sonntag zu seinem fünften Saisonsieg und dem zweiten hintereinander nach seinem Triumph vor zwei Wochen in Mexiko-Stadt. Weil Sebastian Vettel (Ferrari) hinter Rosbergs Mercedes-Teamkollege Lewis Hamilton Dritter wurde, hat Rosberg dank zehn WM-Punkten mehr bereits ein Rennen vor Schluss der Saison den Vize-WM-Titel fixiert.

"Es war ein großartiges Wochenende für mich. Gedämpfte Freude mit dem, was in Paris passiert ist, aber ich bin sehr glücklich", freut sich Rosberg. "Lewis hat mächtig Druck gemacht, aber ich hatte alles unter Kontrolle und ließ ihm keine Chance", bemerkt der Deutsche, der zum zweiten Mal in Folge den Brasilien-Grand-Prix für sich entschieden hat.

Weltmeister Hamilton versuchte vom Start weg alles, Rosberg zu überholen, musste sich aber wie im vergangenen Jahr und wie vor zwei Wochen in Mexiko mit dem zweiten Platz begnügen. Noch vor der ersten Kurve versuchte Hamilton erst innen, dann außen an Rosberg vorbeizugehen - vergeblich. Trotz konstant schnellerer Boxenstopps fand der Weltmeister auch über die Strategie keinen Weg an seinem Teamkollegen vorbei.

Nach dem ersten Boxenstopp in Runde 13 (Rosberg) beziehungsweise Runde 14 (Hamilton), machte der in der Verfolgerposition befindliche Brite Druck. In Runde 18 befand er sich im DRS-Fenster und war auf der Start/Ziel-Gerade 9 km/h schneller als Rosberg. Dieser aber verteidigte die Führung knapp. Weil er keinen Weg vorbei fand, wollte Hamilton die Strategie ändern.

Hamilton wollte Strategie ändern, durfte aber nicht

Einem Funkspruch Hamiltons, mit dem er Bedenken über die Lebensdauer der Reifen im zweiten Stint äußerste, folgte ein weiterer Funkspruch des Briten: "Darf ich bitte die Strategie wechseln? Ich bin schneller, komme aber nicht nahe genug ran." Vom Team kam als Antwort nur, dass sich der Abrieb der Reifen absolut im Rahmen hält und dass die Strategie gemäß interner Abmachung nicht während des Rennens geändert werden darf. Dennoch war zu beobachten, dass Hamilton nach zwischenzeitlicher Attacke wieder etwas Tempo herausnehmen musste.

"Als ich sah, dass Lewis im zweiten Stint aufgrund der Reifen zurückfiel, bestätigte dies nur, dass es sich gelohnt hat, die Reifen zu schonen", hält Sieger Rosberg zufrieden fest. Den Grundstein dafür legte der Deutsche bereits am Samstag im Qualifying, als er in Q2 schonender mit den Reifen umging als Hamilton und dabei bewusst einen größeren Rückstand in Kauf nahm. In Q3 war Rosberg hellwach und sicherte sich knapp die Pole-Position. Im Rennen ging diese Taktik vollends auf.

Als die beiden Mercedes-Piloten in den Runden 33 und 34 zum zweiten Boxenstopp drin waren, pegelte sich der Abstand zunächst bei drei Sekunden ein. Anschließend aber drehte Hamilton erneut auf und verkürzte den Rückstand auf unter zwei Sekunden. Den letzten Boxenstopp in den Runden 48 beziehungsweise 49 absolvierte Hamilton wie schon die beiden zuvor schneller als Rosberg, doch es reichte nicht, um die Führung zu übernehmen.

Hamilton übt leichte Kritik am Team

17 Runden vor dem Ziel zeigte Hamilton bei der Überrundung von Romain Grosjean (Lotus) in Kurve 10 einen heftigen Verbremser. Anschließend war er nicht mehr in der Lage, Druck auf Rosberg auszuüben - auch, weil er neben einem Bremsplatten eine Beschädigung des Unterbodens vermutete. Nach 71 Runden kreuzte Hamilton mit 7,756 Sekunden Rückstand als Zweiter die Linie. "Ich war schnell genug, hier kannst du nur nicht überholen. Ich steckte hinter Nico fest, da gingen meine Reifen kaputt. Schade, denn es ist so eine tolle Strecke, aber du kannst nicht überholen", so der Weltmeister, der weiter auf seinen ersten Brasilien-Sieg warten muss, während Rosberg nun bereits zwei auf dem Konto hat.

"Ich will racen. Da ist es schade, wenn man von der Strategie nichts anderes probieren kann", äußert Hamilton leichte Kritik am Team und bedauert, dass die Fans kein spannenderes Rennen erleben durften. Die Positionen in den Top 5 waren nach der ersten Kurve bezogen. "Es war ziemlich langweilig, im Windschatten hinterherzufahren", sagt Hamilton und lobt die Leistung seines Teamkollegen: "Nico ist fantastisch gefahren, besonders in den letzten Qualifyings. Auch heute hat er keinen Fehler gemacht."

Mercedes verteidigt sich

Technikchef Paddy Lowe erklärt gegenüber 'Sky Sports F1', dass die Dreistoppstrategie der beiden Mercedes-Piloten auch von Ferrari bestimmt wurde: "Wir hatten zwei Stopps vor, wurden dann aber von Ferrari, genauer gesagt von Sebastian, zu drei Stopps gedrängt. Dadurch hatten die Reifen noch mehr Leben in sich. Bis zu diesem Strategiewechsel verlangte Nico den Reifen nur das ab, was er ihnen abverlangen musste und hielt den Abstand unter Kontrolle."

Bezogen auf Hamiltons Wunsch, die Strategie während des Rennens zu ändern, hält Lowe fest: "Am Ende taten wir es ja, aber drei Stopps sind absolut nicht die beste Strategie. Es hätte Lewis an dem Punkt nichts gebracht, auf drei Stopps zu wechseln. Weil wir aber Sebastian in Schach halten wollten, gingen wir mit beiden Autos auf diese suboptimale Strategie. Wir konnten das aber nicht nur für Lewis tun und nicht für Nico. Das wäre nicht richtig gewesen."

Mercedes-Teamchef Toto Wolff ergänzt gegenüber 'Sky': "Als er Nico gefolgt ist und hart gepusht hat und seine Reifen tot waren, wäre er bei einer Dreistoppstrategie zehn Sekunden hinter Vettel zurückgefallen. Wir haben alle Algorithmen durchgerechnet und alle Modelle haben dasselbe gesagt." Von einem Splitten der Strategie - Rosberg auf zwei Stopps und Hamilton auf drei Stopps - hält auch Wolff rückblickend nichts: "Wenn man die Strategie splittet, kreiert man eine Kontroverse im Team, was sehr schlecht ist. Wenn der eine die richtige Entscheidung trifft und der andere nicht, müsste man erklären, warum der eine Fahrer Strategie A und der andere Strategie B hatte. Zudem muss man auf seine Gegner achten. Man will ja nicht Platz eins und zwei verlieren, nur weil man mit der Strategie herumexperimentiert."

"Wir wollen nicht von der Boxengasse aus entscheiden, wer Erster und Zweiter wird. Das wäre zu viel Fernsteuerung und wir versuchen das zu vermeiden", stellt Wolff klar und fügt hinzu: "Manchmal komme ich mir vor wie ein Fußballtrainer. Wir sind so stark geblieben wie wir es immer waren. Es sind nicht bloß die Fahrer, sondern es ist das gesamte Team in der Garage und in der Fabrik. Wenn man einen Fahrer hat, der nach jedem zweiten Rennen angepisst ist, weil er Zweiter ist, dann muss man versuchen, das zu managen. Das haben wir getan. Manchmal muss man einfach über die Situation lachen und gut ist."

Teamintern hatte Rosberg im Qualifying nun fünfmal in Folge die Oberhand, im Rennen zweimal in Folge. Hat sich das Kräfteverhältnis verschoben? "Ich mache genauso viel Druck wie am Saisonbeginn. Ich kann nicht erklären, warum es jetzt besser läuft", rätselt der Deutsche selbst ein wenig über den eigenen Aufschwung und hält fest: "Lewis hatte lange die Oberhand. Im Moment läuft es gut, damit bin ich zufrieden."

Niki Lauda sieht es ähnlich. "Eine unglaubliche Leistung, hätte nicht besser sein können", lobt der Aufsichtsratsvorsitzende des Mercedes-Teams die Performance von Rosberg und analysiert: "Bei Nico ist ein Schalter im Gehirn gekippt, und schon startet er durch. Solche Dinge passieren bei Rennfahrern. Manchmal kämpfst du mit dir selbst, aber dann bekommst du den Kopf frei und schon geht es los. Denn er ist so schnell wie Lewis. Wenn alles gut läuft, kann er gewinnen. Lewis hat vielleicht nicht mehr den letzten Biss. Im Moment ist Nico besser."

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