Mercedes siegt hauchzart: "Haben uns in die Hosen gemacht"

, 18.09.2016

Mercedes konnte das Rennen in Singapur zwar gewinnen, allerdings war der Erfolg ein ganz enges Höschen für die Silberpfeile - Erzwungene Taktik greift

Besser hätte Nico Rosberg seinen Jubiläums-Grand-Prix nicht abschließen können. Pünktlich zum 200. Rennstart der Karriere gab es für den Mercedes-Piloten den Sieg in Singapur und die WM-Führung von Lewis Hamilton zurück. Der Deutsche fuhr auf dem Marina Bay Street Circuit einen Start-Ziel-Sieg heraus , der allerdings alles andere als eine einfache Angelegenheit gewesen ist. Nicht einmal eine halbe Sekunde Vorsprung rettete Rosberg vor Daniel Ricciardo (Red Bull) ins Ziel.

"Es war für mich ein fantastisches Wochenende", strahlt der Deutsche nach der Zieldurchfahrt des wohl anstrengendsten Rennen des Jahres. Rosberg war in Singapur am gesamten Wochenende über der dominierende Mann, und dass der Sieg am Ende so knapp ausgefallen ist, macht es umso spezieller. "Das Auto war am Ende am Limit, das ist es aber in Singapur immer. Umso zufriedenstellender ist es", kann er sein Glück kaum in Worte fassen.

Bis zur 48. von 61 Runden sah alles nach einem Sieg nach Vorschrift aus. Rosberg geriet nie in Gefahr durch den hinter ihm liegenden Ricciardo, doch mit dessen plötzlichem Boxenstopp veränderte sich die Lage dramatisch. Rosberg konnte nicht mehr reagieren und musste zusehen, wie der Australier auf frischen Reifen Runde für Runde mehrere Sekunden gutmachte und Rosberg rein rechnerisch am Rennende einholen würde.

Maximale Attacke in den letzten Runden

"Wir haben uns wirklich in die Hosen gemacht", meint Motorsportchef Toto Wolff. Der Österreicher konnte die Spannung greifen und war vom Rennverlauf begeistert: "Immer wieder gab es Momente, wo ich gedacht habe, dass es sich nicht ausgeht. Aber so soll es auch sein. Ich habe jede Sekunde genossen." Ricciardo konnte Rosberg zwar in der letzten Runde einholen, doch einen Angriff konnte der Red-Bull-Pilot nicht mehr lancieren.

Dafür hat Rosberg aber auch alles getan. Der Wiesbadener quetschte alles aus seinen älteren Softreifen heraus und fuhr so schnell es ging um den Kurs. "Ich musste alles herausholen, alle Runden mussten passen", schildert Rosberg den Drahtseilakt. "Ich wusste nicht, wo Daniel genau war, aber das wollte ich auch gar nicht wissen. Ich wusste nur, dass ich maximale Attacke geben muss. In der letzten Runde habe ich dann mal geschaut und wusste, dass es passt."

"Hätte er im Rennen auf irgendeiner Runde drei oder vier Zehntel verloren, dann hätte er das Rennen nie gewonnen", weiß auch Mercedes' Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda und lobt: "Er ist absolut perfekt am Limit gefahren und hat den Sieg klar verdient." Allerdings muss man bei Mercedes auch Respekt an Red Bull aussprechen, die die Silberpfeile vor eine harte Nuss gestellt haben, denn der letzte Boxenstopp von Ricciardo war perfekt getimt, sodass Mercedes nicht reagieren konnte.

Red Bull bringt Mercedes in Not

Viele dürften sich gefragt haben, ob Mercedes mit seiner Draußenbleib-Strategie das richtige Mittel fährt, doch man habe gar keine andere Wahl gehabt, lautet die Erklärung aus dem Silberlager. Wäre man vorher reingekommen, dann wäre Ricciardo laut Toto Wolff mit Sicherheit selbst draußen geblieben und hätte wohl die besseren Karten gehabt, und eine Runde später reinkommen sei auch nicht möglich gewesen.

"Wir konnten nicht reinkommen, weil ich auf der Runde Verkehr hatte und wirklich langsam war. Er hätte mich geschlagen", erklärt Rosberg. "Die Red-Bull-Jungs haben es super gemacht. Sie haben den Zeitpunkt genau perfekt erwischt, weil wir nicht stoppen konnten." Doch am Ende hat der Kniff nicht funktioniert, und Mercedes konnte auf der eigentlichen Angststrecke, auf der man im Vorjahr gnadenlos überlegen war, zwei Podestplätze einfahren.

Denn auch Lewis Hamilton hat mit seinem dritten Platz zu einem zufriedenstellenden Ergebnis beigetragen. Der Weltmeister war Rosberg in Singapur in allen Belangen unterlegen, kann das aber anerkennen: "Herzlichen Glückwunsch an Nico, er ist an diesem Wochenende fantastisch gefahren und hat den Sieg total verdient", zollt Hamilton seinem Rivalen Respekt und spricht bei sich selbst von einem "schwierigen Wochenende".

Hamilton resümiert: "Mehr war nicht drin"

Im Training bekam er nach einem Hydraulikproblem nicht genügend Runden, sodass er sich später im Auto auch nicht wohl fühlte. Im Rennen haderte der Brite vor allem mit seinen Bremsen, die überhitzten und Hamilton zu einem gemächlicheren Tempo zwangen. "Ich habe zugeschaut, wie die anderen wegziehen", seufzt er. Und nach einem Fahrfehler musste er sich selbst Kimi Räikkönen (Ferrari) im Kampf um Rang drei beugen, bevor ihn ein Undercut wieder vor den Finnen brachte.

Dementsprechend muss er sich an diesem Sonntag mit Rang drei begnügen, denn mehr sei für ihn in Singapur einfach nicht drin gewesen, wie er meint. "Ich glaube, dass ich alles herausgeholt habe", erklärt er. "Manchmal hat man solche Wochenenden, aber die muss man einfach hinnehmen und weitermachen." Toto Wolff hat Verständnis: "Er ist auf dem falschen Fuß erwischt worden", fasst der Motorsportchef zusammen.

Doch alles in allem ist Mercedes mit dem Auftritt im Stadtstaat mehr als zufrieden. Man konnte die Schmach aus dem Vorjahr vergessen machen und kann schon beim nächsten Rennen in Malaysia in zwei Wochen die vorzeitige Konstrukteurs-Meisterschaft klarmachen - es wäre die dritte in Folge. Doch an irgendeinen Titel denkt Rosberg nach der Übernahme der WM-Führung nicht. "Wir werden heute kräftig feiern", kündigt er an.

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