Ein heißer Tipp: Mit einem Turbomotor aus eigenem Hause und einem Boliden im klassischen Look wollen Hamilton und Rosberg Lorbeeren einheimsen
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Im Laufe der vergangenen Saison polierten die Silberpfeile ihren abgestumpften Glanz mit drei Grand-Prix-Siegen auf. Das Ziel aller Träume waren diese Teilerfolge nicht. Für den Weltkonzern Mercedes gibt es nur eines, was in der Formel 1 als Triumph durchgehen darf: Weltmeister-Titel. Den fünften Anlauf auf die Kronen der Fahrer und Konstrukteure seit dem Comeback nimmt die Truppe um Toto Wolff und Paddy Lowe mit ihrem neuen Boliden namens F1 W05, der am Dienstag in Jerez präsentiert wurde.
Im Vorfeld des ersten Tests zeigte Mercedes einen Dienstwagen für Lewis Hamilton und Nico Rosberg, der ein heißer Tipp vieler Experten ist, wenn es um den schnellsten 2014er Renner geht. Ein Grund dafür sind die neuen Turbomotoren, die die Stuttgarter neben Ferrari als einziges Team in eigener Regie anfertigen. Gerüchten zufolge soll das V6-Aggregat mit dem Stern im Quervergleich mit dem aus Maranello und der Renault-Lösung die Nase vorne haben - das ist jedoch Spekulation.
Mercedes startet mit einem Auto in die Turbomission, das dem äußeren Eindruck nach eher konservativ geraten ist. Ähnlich wie der neue Ferrari verfügt der W05 über eine so genannte Staubsaugernase, die eher breit geformt ist. Die Frontpartie zeigt einen Buckel auf dem Weg hin zum Cockpit. Die Taille ist wie bei vielen Konkurrenten auch schlank, der Wagen wirkt insgesamt grazil.
Bei der Farbgebung bleibt Mercedes klassisch und seinem traditionellen Silber mit den hellgrünen Akzenten des Hauptsponsors Petronas, einem malaysischen Ölkonzern, treu. Dazu tauchen wieder die Schriftzüge der Smartphone-Marke BlackBerry auf. Eine Hommage an Ex-Pilot und Markenbotschafter Michael Schumacher, der nach seinem Ski-Unfall im künstlichen Koma liegt, befindet sich auf der seitlichen Cockpitbegrenzung: Dort steht "#KeepFightingMichael" - die Kennzeichnung für Social-Media-Beiträge, die der Legende Mut machen sollen.
Hinter das Lenkrad klemmt sich für Mercedes wieder sein Nachfolger Hamilton, der ein ganz besonderes Augenmerk auf den Monaco-Grand-Prix geworfen hat. In seiner zweiten Heimat will der Brite unbedingt triumphieren und nach Möglichkeit mit der selbst gewählten Startnummer 44 um den zweiten WM-Titel seiner Karriere kämpfen. 2008 hatte er den im vielleicht spannendsten Finalrennen aller Zeiten Felipe Massa entrissen. Es ist Hamiltons zweite Saison in Silber, nachdem er seine Wiege McLaren verließ.
An Hamiltons Seite fährt ein Freund aus Kindheitstagen: Rosberg, Sohn von Ex-Formel-1-Weltmeister Keke, lässt sich die Startnummer 6 auf das Auto kleben und schielt in seiner fünften Saison bei Mercedes besonders auf die Heimrennen des Teams in Hockenheim und im britischen Silverstone. Mit seinem ersten Grand-Prix-Sieg 2012 in Schanghai ließ der Wiesbadener einen Knoten platzen, mit den Erfolgen des vergangenen Jahres in Monaco und in Silverstone konsolidierte er seine Leistungen.
Eine Nagelprobe ist die Saison 2014 für Mercedes auch deshalb, weil sich das neue Führungsduo beweisen muss. An der Spitze stehen nach dem Abschied von "Superhirn" Ross Brawn jetzt Wolff als Sportchef und Ex-McLaren-Mann Lowe als Geschäftsführer Technik. Dazu findet auch der Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda in der Formel-1-Welt Gehör, von Konzernchef Dieter Zetsche ganz abgesehen. Für die Raffinesse des neuen W05 zeichnen Designer John Owen und Technikdirektor Bob Bell verantwortlich, als Ingenieur hat Ex-Ferrari-Ass Aldo Costa das Sagen.
Dazu hat sich Mercedes mit Red-Bull-Personal verstärkt. Mark Ellis und Giles Wood wurden aus Milton Keynes abgeworben und sollen dafür sorgen, dass die Achillesferse der Truppe in Silber bald keine mehr ist: Die Rede ist vom Umgang mit den Pirelli-Reifen, die an schlechten Tagen 2013 oft der Grund für die Misere gewesen ist. Ihren neuen Pneu wollen die Italiener nun konservativer gestaltet haben, um dem erhöhten Drehmoment der Turbomotoren Rechnung zu tragen - endlich ein Reifen, der Mercedes von Anfang an schmeckt? Die nächsten vier Tage in Jerez sowie die beiden Tests in Bahrain (19. bis 22. Februar und 27. Februar bis 2. März) werden eventuell einen ersten Aufschluss darüber geben.