Auch wenn Niki Lauda es als "Ingenieursentscheidung" bezeichnet, jubelt der Brite über seinen Wechsel auf Intermediates - Rosberg: "Dachte: 'Den hole ich mir noch!'"
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Das Ergebnis war am Ende des Tages das gewohnte, der Weg zum sechsten Doppelerfolg in der Saison 2015 für Mercedes ungleich schwieriger. Mit dem Triumph beim Großbritannien-Grand-Prix in Silverstone am Sonntag bestätigten die Silberpfeile erneut ihre Dominanz, pusteten nach der Zieldurchfahrt jedoch heftiger durch als sonst. "Man kann sich nicht vorstellen, wie glücklich ich bin", sagt Rennsieger Lewis Hamilton unter dem Jubel der Tausender Briten auf den Tribünen.
Sein Dank galt den Unterstützern auf den Rängen: "Ich bin derart beglückt. Ohne euch, Jungs, hätte ich das nicht geschafft. In jeder Kurve habe ich euch aus dem Augenwinkel gesehen, wie ihr mich angefeuert habt." Auch Toto Wolff fiel nach Zweikämpfen, Strategiepoker und mehrmals einsetzendem Regen ein Stein vom Herzen: "Eine Menge Emotionen. Eindfach eine makellose Teamleistung. Bei einem so schwierigen Rennen fehlerfrei zu bleiben - ein Topergebnis. Die Fahrer haben richtig gut funktioniert."
Begonnen hatten Mercedes' Probleme bereits an der grünen Ampel: Felipe Massa und Valtteri Bottas zogen vorbei und markierten nach dem Safety-Car-Restart eine Williams-Doppelführung. "Meine Kupplung war gut, wir hatten aber nur wenig Grip", erklärt Hamilton. Wolff rieb sich noch nach der Zieldurchfahrt verwundert die Augen: "Sie sind im zweiten Gang wie Raketen vorbeigezogen. Warum sie mehr Grip gehabt haben, müssen wir verstehen", meint der Österreicher.
Wolff wundert sich: Woher kam der Williams-Turbo?
Erstaunlich: Wolff kann sich vorstellen, dass der eigene Antriebskunde über einen Modus für das Aggregat verfügt, der solche Beschleunigung ermöglicht. "Den wir noch nicht haben", fügt er mit Augenzwinkern hinzu. Hamilton konnte der Sache trotz Platzverlusten Positives abgewinnen und meint: "Das hat es für die Fans nur interessanter gemacht." Seine Sternstunde sollte noch kommen. Bei beiden Boxenstopps wechselte er zum richtigen Zeitpunkt Reifen und schob sich nach vorne.
Besonders die Entscheidung, als erster Pilot der Spitzengruppe auf Intermediates zu setzen, war ein Glücksgriff, der ihn komfortabel für den zu diesem Zeitpunkt anstürmenden Rosberg spülte. "Zum ersten Mal in meiner Karriere habe ich in Sachen Reifenwahl die perfekte Entscheidung getroffen. Ich bin damit wirklich glücklich." Laut Niki Lauda war es aber nicht Hamilton selbst, der sich für einen Wechsel auf Intermediates entschied. "Die Ingenieure", korrigiert der Aufsichtsratsboss.
Rosberg, der sich bei einsetzendem Regen an den Williams vorbeiarbeitete, ist klar, dass er den Grand Prix nach dem zweiten und ungeplanten Besuch bei der Crew nicht mehr gewinnen konnte: "Ich habe viel Druck gemacht und versucht, Lewis unter den schwierigen Bedingungen noch zu schnappen, aber dann hat er die bessere Entscheidung bezüglich des Boxenstopps getroffen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich verloren." Trotz vieler Probleme: Rosberg war am Ende zufrieden.
Rosberg: Früherer Wechsel wäre sinnlos gewesen
Denn hätte der Himmel über Silverstone seine Schleusen nicht geöffnet, hätte er wohl ohne Pokal die Heimreise antreten müssen: "Die Williams waren wie eine Blockade. Keine Chance, an ihnen irgendwie vorbeizukommen. Daher war sich sehr, sehr froh, als der Regen kam. Ich konnte richtig attackieren und habe mir einen von ihnen vorgeknöpft, dann den nächsten. Dann habe ich gesehen, dass ich immer näher an Lewis herankomme und mir gesagt: 'Den hole ich mir jetzt auch noch'."
Doch der frühere Boxenstopp des Briten brachte die Entscheidung. Einen strategischen Patzer habe er sich aber nicht vorzuwerfen, meint Rosberg: "Für mich hätte es nichts gebracht, ihm in die Boxengasse zu folgen. Dann hätte ich so oder so verloren." Also ließ er es auf einen schnellen Umlauf mit Trockenreifen ankommen: "Dann habe ich mir gesagt: 'Probiere ich halt noch eine Runde.' Es ging gut bis zu den letzten zwei, drei Kurven, wo es schon komplett nass war. Das ging nicht mehr und ich habe viel Zeit verloren." Und weitere sieben Punkte in der WM-Gesamtwertung, die weiter Hamilton (194) vor Rosberg (177) und Vettel (135) anführt.