Nico Rosberg fuhr zum Abschluss der Testfahrten schnell und konstant, doch vor dem Saisonstart dämpfen die Silberpfeile die Erwartungen
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Mercedes zeigte zum Abschluss der Wintertests der Formel-1-Saison 2013 eine beeindruckende Leistung. Nachdem Lewis Hamilton bereits am Samstag auf dem Circuit de Catalunya die Zeitenliste angeführt hatte, legte Teamkollege Nico Rosberg heute noch einmal nach. Kurz nach 12 Uhr fuhr der Deutsche auf den weichen Reifen eine Zeit von 1:20.130 Sekunden. Damit war er gut vier Zehntelsekunden schneller als Hamilton am Vortag und markierte einen Bestwert für die Fahrzeuge des Jahrgangs 2013. Der Vorsprung vor Fernando Alonso (Ferrari) betrug 0,364 Sekunden.
Im Vergleich zur Pole-Position von Pastor Maldonado beim Grand Prix im Mai 2012 war Rosberg über zwei Sekunden schneller, was zeigt, wie sehr sich Autos und Reifen innerhalb eines Jahres weiterentwickelt haben. Dass diese Rundenzeit keine reine "Vorstandsrunde" zur Beruhigung der Daimler-Verantwortlichen war, zeigten die Longruns von Rosberg am Nachmittag. Auf den Medium-Reifen fuhr Rosberg dabei 16 Runden und legte konstante Zeiten hin, die im Verlauf des Stints nur um 2,5 Sekunden einbrachen.
Insgesamt war der Reifenabbau bei den wärmeren Bedingungen der beiden letzten Testtage jedoch kein so großes Problem mehr wie noch in der Vorwoche. Bevor Rosberg am späten Vormittag auf Zeitenjagd ging, standen erneut Aerodynamik-Messungen auf dem Programm, wozu der W04 im Bereich des linken Seitenkastens mit Sensoren bestückt wurde.
Mercedes "Dauerläufer" der letzten Testwoche
"Ich bin zufrieden mit den Fortschritten des Teams und des Autos. Wir haben unsere Ziele erreicht, und auch die Anzahl der gefahrenen Kilometer war sehr zufriedenstellend", bilanziert Teamchef Ross Brawn. In der dritten Testwoche war Mercedes mit 481 Runden oder 2239 Kilometer das mit Abstand fleißigste Team. Während der gesamten zwölf Testtage fuhren Rosberg und Hamilton, trotz der Probleme an den ersten beiden Tagen, über 5200 Kilometer, womit Mercedes auch in dieser Wertung im Vorderfeld liegt."
"Wir sind viele Kilometer gefahren und ich spüre, dass die Balance des Autos gut ist", sagt auch Rosberg. "Generell denke ich, dass wir in einer besseren Position als in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres sind." Trotz der Bestzeiten zum Testabschluss warnt Rosberg jedoch vor Euphorie und dämpft die Erwartungen an die Silberpfeile: "Wir müssen mit den Testresultaten sehr vorsichtig sein, denn wir wissen nicht, was die anderen machen und sind davon überzeugt, dass unsere Mitbewerber noch nicht ihr volles Potenzial gezeigt haben. Daher müssen wir vorsichtig sein", so Rosberg gegenüber 'Sky Sports News'.
Während Mercedes ähnlich wie Ferrari vermutlich schon sein Potenzial aufgezeigt hat, steht vor allem hinter der Leistung von Red Bull noch ein großes Fragezeichen. Das Weltmeisterteam verzichtete in Barcelona völlig auf die Zeitenjagd, der achte Platz von Sebastian Vettel am Schlusstag ist daher keinesfalls aussagekräftig. Sollte sich der optische Eindruck der Beobachter an der Strecke bestätigen, dürfte der Red Bull auch in dieser Saison wieder das Maß aller Dinge sein.
Wo stehen die Silberpfeile wirklich?
Dahinter scheinen Mercedes, Ferrari und McLaren jedoch auf Augenhöhe zu sein, meint auch TV-Experte Damon Hill: "Ich denke, dass das Feld an der Spitze enger zusammengerückt ist. Mercedes hat seinen Hut in den Ring geworfen", so der Brite bei 'Sky Sports News'. Rosbergs Fazit klingt hingegen nur vorsichtig optimistisch: "Wir haben Fortschritte gemacht und die Zuverlässigkeitsprobleme aussortiert. 'Zufrieden' ist vielleicht die beste Beschreibung", so der Wiesbadener.
Die positive Entwicklung, die Rosberg schon vor dem Beginn der Tests beschrieben hatte, sieht er bestätigt: "Ich sehe, dass in der Fabrik gut gearbeitet wird und bei den Tests alles funktioniert hat. Aber wo wir leistungsmäßig stehen, erfahren wir erst in Melbourne." Die Zeiten aus Barcelona seien dabei alleine schon wegen der Wetterbedingungen nicht repräsentativ. "Die Bedingungen bei den ersten Saisonrennen werden völlig anders sein, denn in Melbourne und Sepang wird es viel heißer sein", so Rosberg.
Dass Mercedes noch lange nicht so gut ist, wie die Zeiten aus Barcelona glauben lassen, sieht auch Hamilton so. "Ich würde nicht sagen, dass ich komplett zufrieden bin. Wenn ich das Gefühl hätte, dass ich eine Rakete unter dem Hintern hätte, dann vielleicht. Aber ich denke, dass wir eine gute Basis haben, mit der wir arbeiten können", so der Brite gegenüber 'Autosport'. "Unser Upgrade war ein Fortschritt, aber jeder hat hier ein Upgrade gebracht. Es war nur ein kleiner Schritt, wir brauchen mehr."
Hamilton macht weiter Druck
Auch Brawn tritt vor dem Saisonstart auf die Euphorie-Bremse: "Wir schätzen unsere Leistung und Position vor Melbourne realistisch ein und freuen uns auf die Herausforderung der neuen Saison." Nach Abschluss der Wintertests zieht Teamchef jedoch eine positive Bilanz: "Lewis hat sich sehr gut ins Team eingelebt, alle haben die Arbeit mit ihm und Nico während der drei Tests genossen. Uns bleibt nun nur noch eine Woche in der Fabrik, um unsere Vorbereitungen abzuschließen. Beide Fahrer werden in der nächsten Woche in der Fabrik sein, da wir in dieser kurzen Zeit noch viel zu tun haben."
Dort will Hamilton sein Team weiter antreiben und den Druck hochhalten: "Ich muss dem Team erklären, in welchen Bereichen das Auto schwach ist und wo wir uns verbessern können. In der nächsten Woche werde ich im Simulator fahren, dann werden wir versuchen, ihn zu verbessern", so der 28-Jährige. "Wir müssen auch den Jungs vom Windkanal Feedback geben." Vor allem beim Entwicklungstempo - dieser Bereich war 2012 eine Schwachstelle von Mercedes - will Hamilton nicht lockerlassen: "Wenn das erste Upgrade beispielsweise für China geplant ist, wollen wir es in Malaysia haben. Wir müssen alle mit diesem Druck zurechtkommen."