Niki Lauda befürchtet "ein hartes Jahr" für Mercedes, sieht Ferrari in der Favoritenrolle und hält jeden für naiv, der Ergebnisse wie 2014/15/16 erwartet
© Foto: xpbimages.com
Für Niki Lauda ist "naiv", wer Mercedes aufgrund der überragenden Ergebnisse der vergangenen drei Jahre als alleinigen Favoriten auf den Gewinn der Formel-1-WM 2017 nennt. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Silberpfeil-Teams stellt sich vielmehr auf einen Dreikampf mit Ferrari und Red Bull ein, in dem er die Vorteile zumindest Stand heute nicht auf seiner Seite sieht.
Laudas Analyse ("die muss nicht immer stimmen") nach den Wintertests ergibt, dass Ferrari Stand Barcelona 2 das schnellste Team ist. Zwischen den drei Topteams, von denen er Ferrari "bewusst zuerst" nennt, ortet er einen Abstand von "zwei, drei" Zehntelsekunden: "Das Feld ist enger zusammengerückt."
Entscheidend ist aus seiner Sicht, dass es sich bei allen Testanalysen nur um Momentaufnahmen handeln kann. In den zwei Wochen bis Melbourne wird zwar ein Team wie McLaren-Honda nicht alle Sorgen loswerden, aber gerade die Topteams werden für den Grand Prix von Australien ihre Aerodynamik noch einmal überarbeiten. Gut möglich, dass das die Hackordnung verändert.
Lauda erwartet keinen Spaziergang zum WM-Titel
"Kein Mensch" könne daher prognostizieren, wer für Melbourne Favorit ist: "Jeder sagt natürlich, dass Mercedes wieder gewinnen muss, wenn man sich die Vergangenheit anschaut. Aber das sind die naiven Menschen, die sich das Leben leicht machen", winkt Lauda im Interview mit 'RTL' ab. Und er klingt sogar leicht besorgt, wenn er sagt: "Ich glaube, es liegt ein hartes Jahr vor uns."
Das freilich möchte er nicht als Schwarzmalerei verstanden wissen: "Ich bin nicht negativ, ich bin auch nicht positiv - ich bin Realist." Außerdem könne man sowieso erst nach drei Rennen sagen, wer wirklich ein rundum gelungenes Auto gebaut hat. Mercedes traut er das zu: "Unsere ganze Mannschaft ist gerüstet, alle sind hochmotiviert, die besten Leute am Werk. Wir werden unser Bestes geben. Ich bin zuversichtlich."
"Der Ferrari", sagt Lauda, "liegt sehr gut, muss man sagen. Red Bull ist ähnlich wie Ferrari, Mercedes auch. Aber was da die Unterschiede sind an Zeit, durch die Spritmengen, kann man nicht sagen. Melbourne wird uns die ersten Antworten geben. Wenn so eine Reglementänderung kommt, kann sich alles verschieben. Denn der eine interpretiert das Reglement anders als der andere. Wenn du das gleiche Reglement hast, geht es normalerweise immer so weiter. Aber jetzt beginnt alles neu."
Bottas: Nicht nur an Ferrari und Red Bull denken
Daher "legen wir die Füße auch nicht hoch", versichert Neuzugang Valtteri Bottas. Überheblichkeit ist eine Eigenschaft, die dem Finnen fremd ist. Er teilt Laudas Einschätzungen: "Wir sind uns keinesfalls sicher, dass wir vorne sind. Unser Gefühl ist, dass die anderen gute Fortschritte gemacht haben. Ferrari macht einen sehr starken, soliden, schnellen Eindruck, Red Bull kann immer überraschen - und selbst andere Teams würde ich nicht gänzlich ignorieren."
"Uns ist klar, dass wir unsere Gegner nicht unterschätzen sollten, daher sagen wir auch nicht, dass wir die Nummer 1 sind", betont Bottas. Teamkollege Lewis Hamilton geht noch einen Schritt weiter: "Ich glaube, Ferrari blufft. Ich glaube, dass sie viel schneller sind, als sie hier zeigen." Seiner Meinung nach ist Ferrari mindestens "sehr nahe" an Mercedes dran, "wenn nicht sogar schneller".
Dem sei hinzugefügt: Hamilton ließ seine Bluff-Aussage bezüglich Ferrari bereits am Donnerstag vom Stapel, als Sebastian Vettel unterstellt wurde, er habe bei seiner Tagesbestzeit gelupft. Tags darauf konnte er sich nicht mehr so genau daran erinnern: "Habe ich wirklich 'geblufft' gesagt?"
Eines steht fest: Am Samstag in Melbourne wird keiner mehr bluffen...