Der neue Silberpfeil wurde am Donnerstag in Silverstone enthüllt: Überraschungen beim technischen Design treffen einen optisch dezent aufgefrischten Look
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Der Mercedes-Renner für die Formel-1-Saison 2017 hat das Licht der Welt erblickt: Im Rahmen eines Medienevents an der Grand-Prix-Strecke in Silverstone präsentierten die Weltmeister am Donnerstag den F1 W08, mit dem Lewis Hamilton und Neo-Teamkollege Valtteri Bottas die WM-Kronen sieben und acht in Serie für die Silberpfeile einfahren sollen - kurz nachdem Bilder eines Shakedowns mit dem dreimaligen Weltmeister am Steuer publik geworden waren. Der Spitzname bleibt Programm - klar, dass sich am Lack des Boliden aus der Feder des Chefdesigners John Owen wenig geändert hat.
Ein mattes Silber ist weiter die bestimmende Farbe. Hinzu kommen leuchtende Streifen in einem hellen Grün, in Türkis und einem Blauton, die die Logos des Hauptsponsors Petronas in den Look einbinden. Der staatliche Ölkonzern aus Malaysia bleibt der wichtigste Geldgeber des Projektes und sorgt als Sprit- und Schmierstoffzulieferer in Sachen Performance ebenfalls für Plus auf dem Konto. Auch Epson, UBS, Hugo Boss, Qualcomm, Wihuri und Bose sind weiter an Bord.
Der F1 W08 weist nur wenige der charakteristischen Merkmale der jüngsten Bolidengeneration auf: ein V-förmiger Frontflügel mit aufwendigem Design auf Höhe der Vorderräder und eine stufige Nase - mit einem S-Schacht, jedoch ohne Daumen - gehören dazu. Zusätzliche Aeroteile rund um das Cockpit, allen voran die kantigen Bargeboards, fallen deutlich größer aus als bei der Konkurrenz. Schlanke, weit nach hinten gezogene Seitenkästen mit einer Art "Delle" hinter dem Cockpit und ein extremes Cola-Flaschen-Design, das den Unterboden seitlich weit hervorstehen lässt, sind charakteristisch für den W08. Auch das Segel auf der Motorabdeckung zur besseren Anströmung des breiteren und niedrigeren Heckflügels fehlt bei Mercedes - nur eine schmale, parallel zur schräg abfallenden Karosserie verlaufende Finne ist zu erkennen. Ein Bonbon für Ästheten.
Hamilton ist angetan von seinem neuen Dienstwagen: "Es ist das im Detail bisher am stärksten ausgearbeitete Auto", vergleicht er den F1 W08 mit den Machwerken der Konkurrenz von Williams, Sauber, Renault und Force India, die zuvor enthüllt wurden. Der Brite absolvierte vor der Präsentation bereits einen Shakedown in Silverstone: "Das Auto fühlt sich breiter an, als es ist. Die Sitzposition ist ähnlich wie im vergangenen Jahr, aber um mich herum ist dieses Biest", läuft ihm das Wasser im Mund zusammen.
Sportchef Toto Wolff ist froh, dass das neue Auto problemlos um den Kurs fuhr: "Es ist ein super wichtiger Tag. Gerade, weil sich die Regeln gravierend geändert haben", atmet der Österreicher auf, ist sich aber nicht sicher, ob seine Farben weiter so dominant sein werden wie bisher: "2016 mussten wir uns beinahe jede Woche fragen, wann wir die Ressourcen umschichten. Wenn sich jemand einen Monat früher dafür entschieden hat, könnte das einen massiven Unterschied machen", fürchtet Wolff. "Hoffentlich sind wir es, die den heiligen Gral entdeckt haben." Bottas zweifelt daran nicht: "Ich bin sicher, dass das Team den richtigen Weg eingeschlagen hat", erklärt der Finne.
Mit einer neuen Wunderaufhängung könnte Mercedes indes Schiffbruch erleiden: Ein hydraulisches System, um aggressiver über die Randsteine zu fahren und die Reifen zu schonen, schmeckt FIA-Rennleiter Charlie Whiting nicht. Eine Ferrari-Anfrage ließ zudem durchblicken, dass die Roten wegen der Sache beim Saisonauftakt in Melbourne Mitte März auf die Barrikaden gehen könnten.
Am Kommandostand baut der Platzhirsch, der in den vergangenen drei Jahren jeweils die Titel bei den Fahrern und bei den Konstrukteuren abstaubte, ebenfalls kräftig um: Die Truppe muss künftig ohne Co-Teamchef Paddy Lowe auskommen, der offenbar in Kürze bei Antriebskunde Williams andocken wird. Stattdessen verstärkt der ehemalige Ferrari-Technikchef James Allison das Aufgebot in eben dieser Funktion, was Sportchef Toto Wolff zum alleinigen Rennleiter der Silberpfeile macht.
Schlüssel zu neuen Erfolgen könnte für Mercedes die Überlegenheit des hauseigenen Antriebsstranges sein. Nach dem Wegfall der Tokenregel ist es möglich, dass die Konkurrenten Ferrari, Renault und Honda die Lücke verkleinert haben. Für den V6-Turbohybrid aus Brixworth spricht aber, dass er schon bisher sparsam war und diese Eigenschaft mit dem gestiegenen Abtrieb der 2017er-Boliden (trotz größerem Tankvolumen) stärker ins Gewicht fällt. Denn auch der Verbrauch wird steigen.
Hamilton geht nach dem Karriereende Nico Rosbergs als großer Favorit auf den WM-Titel in seine elfte Formel-1-Saison. Mit 53 Siegen bei 188 Grand-Prix-Starts ist der dreifache Champion aus Großbritannien schon im Alter von 32 Jahren der zweiterfolgreichste Pilot der Geschichte. Nach seiner Schlappe gegen den Deutschen 2016 scheint Hamilton hungriger denn je zu sein. Es bleibt abzuwarten, ob sich der exzentrische Glamourboy nicht wieder von Hiphop und Co. ablenken lässt.
Sein neuer Rivale aus dem eigenen Stall wartet auf seinen Durchbruch in der Königsklasse: Bottas errang in 77 Rennen für Williams zwar neun Podiumsplätze, aber keinen großen Pokal. Der 27-jährige Finne, einst gefeiertes Nachwuchstalent, kommt als persönlicher Zögling Toto Wolffs und will sich gegen Hamilton durchsetzen. Bottas hat bei seinem Antrittsbesuch in Stuttgart bereits durchblicken lassen, dass er sich auch vom Superstar der Szene nicht einschüchtern lässt und klare Regel für das Teamduell gefordert.