In den Diskussionen um die Formel-1-Motorenregeln ab 2021 zeichnet sich immer mehr ein Konsens ab: V6-Turbo für "kleines Geld" - Was passiert mit dem Hybrid?
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Während die Formel-1-Teams die Arbeit während der aktuellen Sommerpause ruhen lassen sollen, wird im Hintergrund weiter am Motorenreglement 2021 gefeilt. Nach dem zweiten Meeting der "Engine Working Group" im Juli in Paris werden Formel-1-Sportchef Ross Brawn und die involvierten Verantwortlichen der FIA mit den an den Gesprächen beteiligten Herstellern in Einzelgespräche gehen, um die genaue Interessenslage abzuklopfen und die Wünsche zu erfahren.
"Es war ein tolles Meeting. Es waren sehr viele Parteien mit am Tisch", schildert Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Neben den bisher vertretenen Antriebsherstellern Ferrari, Honda, Renault und Mercedes saßen unter anderem auch Porsche und Aston Martin sowie die unabhängigen Motorenschmieden Ilmor und Cosworth mit im Meeting. Bei den laut Wolff "sehr konstruktiven" Gesprächen wurde eines jedoch sehr deutlich: Zwischen den Interessen der Hersteller und der privaten Anbieter liegen Welten.
Cosworth und Ilmor haben nicht die hohen Entwicklungsbudgets wie die großen Automobilhersteller. Die kleinen Motorenschmieden sollen demnach kostengünstige Lösungen, möglichst ohne Hybridelemente. Sollte man auf die E-Antriebe im Gesamtgefüge nicht verzichten können, dann sollten aus Sicht von Cosworth und Co. Einheitsteile zum Einsatz kommen. Genau dies missfällt den Herstellern, die ihre hohen Budgets nur dann genehmigt bekommen, wenn die Entwicklung von Technologie im Vordergrund steht.
Hersteller wollen Technologie demonstrieren
"Die großen OEMs - sogar auch Porsche - sagen: Energierückgewinnung und Energie-Deployment überall. Vorderachse, Hinterachse, und und und", beschreibt Toto Wolff. "Wir haben da einen guten Weg eingeschlagen. Im Wesentlichen wollen wir bei der jetzigen Architektur bleiben, müssen uns allerdings anschauen, wo wir Standardteile einsetzen und wie wir den Sound verbessern können und wie wir ein Leistungsgewicht haben, das mindestens gleich gut ist wie heute wenn nicht besser."
Klartext: Das Festhalten am Grundkonzept mit 1,6-Liter-V6-Turbo-Verbrennermotor steht so gut wie fest. Die Wünsche von Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko oder seitens Aston Martin, die einen großvolumigen Saugmotor - möglichst sogar einen V12 - haben möchten, werden nicht erfüllt. "Es wäre ein Fehler, wenn man bei den Antrieben jegliche Entwicklung von Technologie unterbinden würde", mahnt Ferrari-Boss Sergio Marchionne in der 'Gazzetta dello Sport' stellvertretend für alle Hersteller.
"Ich habe das den Herren von Liberty genauso mitgeteilt", so der Italo-Kanadier. "Entweder lassen wir uns etwas cleveres einfallen, bei dem Entwicklung möglich ist, oder wir vergessen es. Diese Denkansätze, einfach die Hybridtechnik wegzulassen und einen Zwölfzylinder-Sauger zurück zu holen, sind doch vollkommen veraltet." Eine ähnliche Sicht haben Honda, Mercedes, Renault und auch die potenziellen Interessenten von Porsche und Audi.
Stark, laut, wenig kompliziert: Abtriebe für zwölf Millionen
"Volkswagen war massivst beim alten Motorenreglement dabei. Sie haben hinausposaunt, das wird ihr Weltmotor für Rallye, Langstrecke, Tourenwagen, DTM und Formel 1. Wir wissen, was davon Realität wurde: genau nichts", kritisiert Red-Bull-Konsulent Helmut Marko im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Sie waren massiv an der Reglementfindung beteiligt, aber ohne sich dann auch zu engagieren. Jetzt muss zuerst einmal ein Reglement stehen. Ich hoffe, dass das bald der Fall sein wird."
"Das Wichtigste ist, dass die unabhängigen Hersteller in der Lage sind, bei vertretbarer Kosten-Nutzen-Rechnung einen Motor zu bauen, der in der Lage ist, innerhalb von einem Prozent Leistungsdifferenz zu fahren. Das ist für das Produkt Formel 1 ungeheuer wichtig", erklärt der Österreicher. "Hersteller kommen und gehen. Aber was ist, wenn Mercedes entscheidet, sie hören auf? Dann stehen drei Teams ohne Motoren da." In diese Lücke sollen dann Cosworth, Ilmor oder sogar Porsche stoßen, sollten die Zuffenhausener tatsächlich nur ein Engagement als Antriebslieferant planen.
"Wenn es nach Aston Martin geht, müsste es ein Zwölfzylinder sein. Wir sind realistisch genug zu wissen, dass das nicht geht", gibt Marko offen zu. Allen Beteiligten ist klar, dass man den großen Herstellern etwas Raum zur Entwicklung und Darstellung von Technologie einräumen muss - nur zu teuer darf es nicht werden, denn die Antriebspakete sollen für maximal zwölf Millionen US-Dollar pro Jahr zu haben sein. Was soll es für dieses Geld ab 2021 geben? "Starke, laute und weniger komplizierte Antriebe", so Marko.
"Viele Fans fordern die Rückkehr zu den alten Saugmotoren, weil sie Krach machen und hohe Drehzahlen zulassen", sagt Formel-1-Sportchef Ross Brawn. "Wir müssen uns demnach also die Frage stellen: Können wir einen Hybridantrieb schaffen, der so laut ist, ähnliche Drehzahlen bringt und genauso anmacht? Alle wissen, dass das ein Kernelement ist. Auch den Herstellern ist klar, dass es keinen Sinn ergibt, ganz tolle Entwicklungen zu machen, wenn niemand zuschaut. Man muss zwischen Relevanz und Leidenschaft der Fans einen Mittelweg finden."
Blick in die Kristallkugel: Was wird 2030 relevant sein?
"Und genau da wird es für die Formel 1 gerade so richtig interessant", wirft Red-Bull-Teamchef Christian Horner ein. "Die neuen Regeln werden ab 2021 für acht bis zehn Jahre Gültigkeit besitzen. Wir müssen uns also anschauen, was bis zum Jahr 2030 relevant sein wird. Wer fährt denn dann noch Auto? Fährt man autonom oder rein elektrisch? Die Entwicklungen sind so unglaublich schnell. Man muss also jetzt schon Antworten auf die Fragen von 2030 finden."
"Weil das kaum geht, kommt man zwangsläufig zu einer anderen Frage: Ist die Formel 1 eine Technologiebühne, oder ist es Sport und Unterhaltung, bei dem Mensch und Maschine am Limit agieren? Ich bin sicher, dass die neuen Formel-1-Besitzer auf Entertainment setzen. Tolle Bilder erzeugen, viel Krach, netter Sound und die Darstellung von Fahrern als Helden. Das ist der Kern", meint Horner in seinem Plädoyer für wenig komplizierte Antriebe mit geringen Leistungsdifferenzen.
Die FIA hat zu einem dritten Meeting im September eingeladen. Bis dorthin will man die konkreten Wünsche der Interessenten abgeklopft und gebündelt haben. Gleichzeitig leisten Arbeitsgruppen einige Vorarbeiten zu Themen wie Sounddesign oder Hybridtechnik und stellen diese in der nächsten Sitzung vor. "Dann gehen wir an die Details der künftigen Regeln", sagt Mercedes-Motorenchef Andy Cowell. "Die aktuellen Regularien werden 2021 schon sieben Jahre alt sein. Dann muss einfach mal etwas Neues kommen."