Zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton fröstelt es wieder - Der Deutsche bezieht Kraft aus der Geburt seiner Tochter und seine Taktik "noch nicht" ändern
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53 Punkte Vorsprung auf Teamkollege Nico Rosberg bedeuten für Lewis Hamilton ein komfortables Polster in der WM-Gesamtwertung. Der Brite könnte sich zwei Ausfälle bei Erfolgen des Deutschen leisten und würde weiter als Spitzenreiter grüßen. Dennoch spitzt sich das Duell der Silberpfeil-Piloten im Vorfeld des Singapur-Grand-Prix zu. Rosberg redet sogar von Eiszeit in der Mercedes-Box und verschärft den Ton gegenüber dem Ex-Kumpel: "Ich spreche sehr wenig mit ihm. Wenn, dann über irgendetwas."
Von Freundschaft keine Spur mehr, man hätte sich vielmehr schon vor der gemeinsamen Mercedes-Zeit "auseinandergelebt". Die Tatsache, dass Hamilton Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo und nicht Rosberg als Lieblingsgegner auf der Strecke bezeichnete, ist dem Vizeweltmeister gleichgültig. "Ich habe ihn nicht gefragt", winkt er ab und glaubt, dass der Saisonverlauf dem Rivalen eine breite Brust beschert hätte. Rosberg schlägt mit gleichen Waffen zurück und gerät wegen des Rückstands nicht ins Grübeln.
"Es ist normal, dass er selbstbewusst ist. Ich werde meine Herangehensweise nicht ändern. Noch nicht", rasselt Rosberg weiter mit dem Säbel. Dennoch scheint seine Zuversicht nicht grenzenlos. Wenn er über seinen Optimismus spricht, dann auch davon, dass er er sich die WM-Chancen einreden muss. "Ich habe die Wahl, daran zu glauben oder nicht. Ich habe mich dafür entschieden und glaube, dass es bei den kommenden Rennen hilft. Die Sportgeschichte zeigt, dass alles möglich ist."
Rosberg ist überzeugt, 2014 deutlich mehr Fehler begangenen zu haben als in der laufenden Saison. "Klar, dass man nicht alles perfekt macht", räumt er ein. "Aber in diesem Jahr gibt es da gar nicht so viele Beispiele, eher im vergangenen." Keine Erklärung hat er dafür, dass Hamilton im Qualifying die Oberhand gewonnen hat und im Duell der beiden mit 11:1 führt - während die meisten Pole-Positions noch im Vorjahr an Rosberg gingen, der rätselt: "Das verstehe ich nicht. Irgendwie hat er mehr gefunden."
Hamilton hingegen ist überzeugt, dass seine gute Form an den Samstagen auch auf Kosten seiner Leistungen am Sonntag geht und spricht dem Stallrivalen ein Kompliment aus: "Ich hatte sehr starke Rennen. Ich bin auch weiterhin gut, aber nicht so wie im vergangenen Jahr. Jetzt sind andere in Reichweite: Nico hat viel gearbeitet, um beim Renntempo in meine Gefilde zu kommen." Die geschlossene Lücke sei Rosbergs Verdienst, kein eigenes Versäumnis: "Ich habe nicht das Gefühl, etwas eingebüßt zu haben."
Mit einem Sieg in Singapur würde Hamilton seinen 41. Grand-Prix-Erfolg feiern und damit nicht nur mit Sebastian Vettel, sondern auch mit Ayrton Senna gleichziehen. Er nimmt es gelassen und will sich nicht zusätzlich unter Druck setzen: "Es spielt keine Rolle, ob es jetzt oder in einer Woche passiert", bemerkt der Champion achselzuckend, aber dennoch bewundernd: "Wenn Ayrton hätte weitermachen können, hätte er mehr Rennen und Titel gewonnen. Wenn er noch unter uns wäre, wären wir Freunde."
Rosberg schöpft seine Motivation aus der Geburt seiner Tochter Alaia und glaubt, dass sie ihn entgegen der alten Rennfahrer-Weisheit nicht eine Sekunde langsamer, sondern schneller macht. "Eine wunderbare Erfahrung, die mir dabei helfen wird, ein Rennauto zu fahren. Ich bin glücklicher als ich es jemals gewesen bin." Das liegt auch daran, dass der frisch gebackene Vater nachts nicht raus muss, sondern die Ehefrau Geschrei aus dem Kinderzimmer bekämpft: "Vivian versteht, dass ich meinen Schlaf brauche - ich würde ihr gerne helfen, aber ich muss meinen Job erledigen."