Pirelli-Motorsportchef verteidigt die Einführung der neuen Reifen ab Silverstone und sieht die Testmöglichkeit in Kanada als Zugeständnis an die Teams
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Manchmal ist es nicht ganz einfach, bei dem Thema Pirelli genau durchzublicken, was der Reifenhersteller nun vorhat, wann und ob er neue Reifen bringt, und wie diese überhaupt ausfallen werden. Zudem ändern sich die Planungen bei dieser Thematik in letzter Zeit recht häufig, doch alles sieht derzeit danach aus, als ob Pirelli ab Silverstone endgültig überarbeitete Reifen mit zu den Grand-Prix-Wochenenden bringen wird. In Kanada werden die Teams in den beiden Freitagstrainings die Möglichkeit bekommen, jeweils zwei der neuen Reifensätze schon testen zu können.
Und während einige Teams wie Lotus oder Force India nicht mit einer grundlegenden Änderung der Reifen einverstanden sind, möchte auch Pirelli nicht zu sehr in die Weltmeisterschaft eingreifen. Daher sollen die Veränderungen an den Mischungen nur so gering wie nötig ausfallen. "In diesem Fall hatten wir schon viele Diskussionen mit den Teams", erklärt Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery. "Ich muss sagen, dass fast alle zustimmen, dass eine Änderung nötig ist, um die wenigen Fälle an Delamination loszuwerden."
"Die Delaminierungsprobleme sollten ab Silverstone mit dem neuen Hinterreifen, den wir in Kanada als Testreifen einführen, gelöst sein", verspricht Hembery. Laut ihm seien auch die Änderungsgegner der Meinung, dass man die Sicherheitsprobleme lösen solle, daher habe man sich zu diesem Schritt entschieden. "Wir hatten viel Kollaboration von den Teams", so Hembery.
Die grundlegende Strategie wolle man natürlich aber keiner Veränderung unterziehen. "Es gab Kommentare über die Boxenstopps, und wir werden unsere Strategie mit zwei oder drei Stopps beibehalten. Wir werden versuchen, je nachdem, welche Mischungen wir zur Verfügung haben, diese Situation beizubehalten", so der Kommentar des Pirelli-Motorsportchefs dazu. "Dennoch wird es aggressive Strecken geben, und wir würden die Mischungen gerne ändern - die harte Mischung speziell, damit wir mehr Garantien haben, um weniger als drei Stopps möglich zu machen." Doch der Plan wird wohl nicht so einfach möglich sein.
Pirelli: Ohne Einverständnis keine Änderungen
"Dazu muss man wissen, dass diese Änderung das Einverständnis aller elf Team erfordert", erklärt der Brite weiter. "Das ist nichts, was wir alleine entscheiden können. Dafür gibt es gute Gründe, denn die Teams haben dieses Jahr unterschiedliche Designphilosophien angewendet, und einige haben das Gefühl, dass sie eine andere Richtung eingeschlagen haben als andere Teams. Wenn wir also Änderungen machen, könnte das auch ihr Performance-Niveau beeinträchtigen."
Eines ist klar: Pirelli bleibt auf jeden Fall im Gespräch. Immer wieder heißt es: "Jede Publicity ist gute Publicity." Seit Beginn der Saison ist Pirelli das Gesprächsthema Nummer eins, was laut Hembery nicht immer so vorteilhaft gewesen sei: "Zu Beginn war ich über einige Aussagen ein wenig enttäuscht. Manche waren vermutlich nicht so korrekt, wie wir es gerne hätten." Dabei habe der Reifenhersteller nur den Job gemacht, der von Anfang an von ihnen gefordert worden war.
"Wir wurden in dieser und der vergangenen Saison beauftragt, einen Reifen zu entwickeln, die ein Rennen mit zwei oder drei Pit-Stopps ermöglichen. Die Referenz, die uns gegeben wurde, war das Rennen von Kanada 2010. Es wurde mehr Spektakel verlangt." Zwar gab es häufig kritische Stimmen, dass Pirelli es dabei übertrieben habe, weil Fahrer nicht mehr ordentlich pushen können, doch das möchte man bei den Italienern nicht gelten lassen.
Formel 1: Wie ein 100-Meter-Lauf auf Stöckelschuhen
"Klar gibt es limitierende Faktoren - man kann nur das benutzen, was einem zur Verfügung steht", sieht es Hembery pragmatisch. "Ein Journalist hat einmal den Vergleich gebracht, dass es so ist, als würde man Usain Bolt bitten, die 100 Meter in Stöckelschuhen zu laufen. In Wahrheit ist es so: Wenn jeder Stöckelschuhe tragen muss, dann ändert sich der Wettbewerb. Dann muss man sich darauf einstellen. Jedes Team hat die gleichen Reifen und die gleichen Möglichkeiten, sie so gut wie möglich zu nutzen."
"Wir hatten dieses Jahr schon großartige Rennen, und die Toppiloten haben Rennen gewonnen", verteidigt sich der Brite weiter. "Wir sind nicht der Ansicht, dass die Saison aus Zuschauersicht uninteressant ist - ganz im Gegenteil: Die meisten sagen, dass sie sehr gut ist. das beste Auto und der beste Fahrer werden am Ende gewinnen." Und dies werde sich auch nicht mit der Einführung der neuen Reifen ändern.
Zumindest gibt man den Teams in Kanada die Gelegenheit, die neuen Pneus zu testen. Dies mache man ausschließlich für die Teams, betont man bei Pirelli. "Wir wissen, dass sie funktionieren werden. Aber die Teams haben gefragt, ob sie eine Testmöglichkeit bekommen können, bevor die Reifen eingeführt werden." Ob sich das Kräfteverhältnis zu Saisonmitte noch einmal kräftig verschiebt, wird sich in vier Wochen zeigen. Und Hembery betont noch einmal: "Wir wollen zum Racing zurückkehren, weswegen wir alle die Formel 1 verfolgen."