Red-Bull-Chefdesigner Adrian Newey erklärt, wie er bei der Konzeption eines neuen Autos vorgeht - und dass er sich eines interessanten Tricks bedient
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Adrian Newey ist einer der gefragtesten Männer der Formel 1 - obwohl er kein Pilot ist. Als Chefdesigner von Red Bull entwarf er in den vergangenen Jahren viermal das beste Auto, wodurch jeder Titel seit 2010 nach Milton Keynes ging. Doch damit nicht genug: In den letzten 22 Jahren gewannen von Newey konstruierte Autos jeweils zehn Fahrer- und Konstrukteursweltmeisterschaften. Nachdem sich die Formel-1-Autos in den vergangenen Saisons nicht allzu stark verändert haben, stellen die Regeländerungen für 2014 den Briten vor eine neue Herausforderung, in die er gewisse Einblicke gewährt.
Seine mittlerweile halbwegs routinierten Abläufe beginnt Newey mit ausgiebiger Lektüre: "Das Erste, was ich tue, ist die Regularien zu lesen - sehr, sehr gründlich", berichtet er gegenüber 'Formula1.com'. "Du versuchst zu verstehen, was sie wirklich zu bedeuten haben, nicht was sie aussagen sollen - denn das ist nicht immer dasselbe." Danach nehme sich Newey die Bereiche Aerodynamik und Mechanik gesondert vor, um jeweils das Optimum herauszuholen. Anschließend sei es wichtig, beide Bereiche harmonisch wieder zusammenzuführen: "Das Endprodukt sollte ein Ganzes sein und nicht eine Anhäufung von Einzelteilen."
Zur Konzeption schwört Newey noch immer auf das vielzitierte weiße Blatt Papier: "In einem gewissen Ausmaß, ja. Ich habe meinen Abschluss 1980 gemacht - lange vor CAD-Systemen (computerunterstütztes Zeichnen; Anm. d. Red.) -, so habe ich immer mein Zeichenbrett benutzt und mir nie die Zeit genommen, ein CAD-System zu erlernen. Für mich ist es wie eine mir vertraute Sprache - du bleibst bei dem, was du am besten kannst." Auf einem Zeichenbrett habe er stets das gesamte Auto vor sich, ein Computerbildschirm hingegen sei durch seine Größe begrenzt, rechtfertigt der Ingenieur seine Methoden.
Zu viele Kollegen sollten ihm nach jedoch nicht auf diese altmodische Weise arbeiten, denn alles müsse zu einem bestimmten Zeitpunkt seinen Weg in den Computer finden, die Software durchlaufen und letztlich gebaut werden. Während später einmal über 100 Ingenieure am Projekt mitarbeiten, beschränken sich die grundlegenden Entwürfe noch auf eine kleinere Gruppe, erklärt Newey: "Beim RB10 (dem Fahrzeug für 2014; Anm. d. Red.) haben wir das Auto zunächst in aerodynamischer Hinsicht in Front und Heck aufgeteilt, die Mitte des Autos dann noch einmal in Motor und Kühlung. Die Kühlung wird eine Riesenherausforderung nächstes Jahr."
Ob ein Teil sich dann in die richtige Richtung entwickelt, merke Newey nicht durch eine innere Stimme, sondern meist durch einen einfachen Trick: "Ich nenne es die 24-Stunden-Regel: Sieht eine Idee nach 24 Stunden immer noch gut aus? Das entscheidet dann darüber, ob sie behalten oder verworfen wird. Natürlich entwickelt man auch ein Gespür für diese Prozedur." Dennoch sei das menschliche Gehirn das wirklich Erstaunliche in einem solchen Vorgang: "Du kannst etwas komplett anderes zwischendurch machen - etwa eine Tasse Tee aufgießen - und plötzlich weißt du, ob es richtig oder falsch war."
Leider seien heutzutage nicht mehr so viele Schlupflöcher für geniale Ingenieursideen im Regelwerk auszumachen, wie es in der Vergangenheit häufig der Fall war, klagt der 54-Jährige: "Es wird weniger und weniger. Ein Ingenieur in den frühen Siebzigern zu sein, das hätte mich fasziniert. Du hattest fast gar keine Regeln, auf der anderen Seite aber auch kaum Ressourcen. Du hast ein Auto ausprobiert, und wenn es eine gute Idee war, hattest du Glück. Wenn nicht, musstest du aber das Vorjahresauto nehmen und auf die nächste Saison hoffen", erklärt Newey.