Sebastian Vettel schreitet durch Titel vier weiter voran auf seinem Weg zur Formel-1-Legende - Für Adrian Newey und Christian Horner ist er bereits angekommen
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Sebastian Vettel hat es tatsächlich geschafft und ist im zarten Alter von 26 Jahren zum vierten Mal Weltmeister. Dadurch lässt er Formel-1-Legenden wie Ayrton Senna, Niki Lauda oder Nelson Piquet nach Titeln hinter sich und zieht gleich mit Alain Prost, der ebenfalls vier Meisterschaften gewann. So betritt der Deutsche den illustren Kreis der vier erfolgreichsten Fahrer der Geschichte ; nur der Argentinier Juan Manuel Fangio (fünf Titel) und Rekordchampion Michael Schumacher (sieben Titel) liegen noch vor ihm.
Auf dem Weg zur Legende zählt jedoch nicht nur die Anzahl der Meisterschaften, sondern noch eine ganze Reihe weiterer Faktoren, aufgrund derer Vettel in den Augen vieler Kritiker noch nicht auf dem Gipfel angekommen ist. Sein Chefdesigner Adrian Newey sieht das jedoch anders - und zwar gerade deshalb, weil er diese Faktoren erfüllt: "Um eine Legende zu werden, musst du zwei oder mehr Weltmeisterschaften gewonnen haben, das hat er bereits abgehakt", leitet der Brite gegenüber 'The Guardian' ein. "Dann geht es, denke ich, um die Art, wie man die Dinge angeht."
"Seb ist extrem professionell. Trotz seiner Jugend sind ihm seine Erfolge der vergangenen Jahre nicht zu Kopf gestiegen oder haben ihn irgendwie verändert. Er ist noch immer sehr bescheiden und einfach ein guter Mensch", so Newey. Warum Vettel von vielen noch nicht als Legende angesehen wird, kann der Red-Bull-Ingenieur sich erklären: "Das hat auch mit Neid zu tun. Diese Dinge brauchen ihre Zeit. Die Leute sind träge, wenn es darum geht, dass sich ihre Ansichten innerhalb kurzer Zeit ändern sollen. Es würde mich aber absolut verblüffen, wenn die Leute ihn in den kommenden Jahren nicht als Legende anerkennen würden - für mich ist er bereits eine."
Das Chamäleon
Teamchef Christian Horner sieht noch andere Stärken beim Heppenheimer - etwa seine Anpassungsgabe: "Als er anfing, war das Nachtanken während der Rennen noch erlaubt, dann wurde es verboten; er war auf Bridgestone-Reifen schnell, ist auf Pirelli-Reifen schnell; er hat mit dem angeblasenen Diffusor dominiert, er kam auch ohne Diffusor klar. Sebastian ist in der Lage, sich auf all das einzustellen, was von ihm verlangt wird. Er klagt nicht darüber, er macht es einfach. Das zeichnet diese Großen aus: Sie passen sich an, und sie machen es schneller als alle anderen", gibt der Brite gegenüber der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' zu bedenken.
Hinzu komme Vettels schiere Akribie und seine Gier nach Erfolg: "Er arbeitet furchtbar hart - in jeder Beziehung. Er ist mental unglaublich stark und will trotzdem noch stärker werden; er sitzt zwischen den Rennen, sooft es geht, im Simulator, entwickelt den Rennwagen und prägt sich die Eigenarten der jeweiligen Strecken ein; er bringt sich in den Diskussionen mit den Ingenieuren ein; er nimmt sich Zeit für die Mechaniker in der Garage. Sebastian macht all das, was für ihn einen kompletten Rennfahrer ausmacht, und er lässt nicht nach, er will immer mehr - das ist sehr beeindruckend."
Darüber hinaus steche der Vierfachchampion durch seinen angenehmen Charakter heraus: "Er ist außerordentlich beliebt - sowohl bei den Mechanikern an der Strecke als auch bei den Mitarbeitern in der Fabrik. Sebastian ist einfühlsam, er würdigt die Leistung jedes Einzelnen. Jeder kann sich an ihn wenden, er gibt allen das Gefühl, dass sie wichtig sind für den Erfolg. Er betrachtet sich selbst nicht als den Superstar, der kommt, ins Auto einsteigt und dann wieder verschwindet. Er sieht sich als Teil dieses Teams. So eine Mentalität ist unglaublich wichtig für den Spirit", erklärt Horner.
Niemals aufgeben
Für Newey sei ein entscheidender Erfolgsfaktor auch Vettels Intelligenz: "Die Top-Fahrer, mit denen ich zusammenarbeiten durfte, teilen allesamt die Fähigkeit, gleichzeitig zu fahren und dabei Sachverhalte mental zu verarbeiten. Dann ziehen sie sich regelmäßig zurück, um das Aufgenommene zu verarbeiten. Jedes einzelne Mal, wenn Seb aus dem Auto steigt, hat er etwas Neues gelernt, was er beim nächsten Mal einbringen wird. Er macht sehr selten den gleichen Fehler zweimal."
Eine von Vettels größten Fähigkeiten sei laut Horner, dass er auch dann die Nerven behält und optimistisch bleibt, wenn die Situation ausweglos erscheint - das hat er bereits mehrfach unter Beweis gestellt: "Sebastian gibt niemals auf. 2010 blieb er in Südkorea mit einem Motorschaden liegen. Jeder hat seine Titelchancen abgeschrieben, aber er ging danach zu den Mechanikern und sagte, dass alles möglich ist, dass weiter gekämpft wird - bis zum Schluss. Ein paar Wochen später war er Weltmeister."
Newey erinnert sich zudem an zwei Sternstunden in Abu Dhabi: 2010 hat Vettel dem extremen Druck standgehalten, das Rennen unbedingt gewinnen zu müssen. Nach der Pole-Position gelang ihm auch der Rennsieg, und er wurde zum ersten Mal Weltmeister. Auch 2012 habe Vettel nach einem frustrierenden Qualifying (letzter Startplatz) noch ein fantastisches Rennen gezeigt, an das sich auch Horner erinnert: "Sebastian hat sich nie darüber beschwert, er hat nicht diskutiert, nicht lamentiert, sondern im Kopf sofort umgeschaltet und überlegt, wie er das Beste aus der Situation machen kann. Im Rennen ist er noch Dritter geworden."
Immer ein kleines bisschen besser
Schon bei seinem ersten Treffen mit Vettel habe sein späterer Teamchef gespürt, dass dieser junge Deutsche etwas Besonderes hat: "Das erste Mal trafen wir aufeinander, als er gerade seine Führerscheinprüfung bestanden hatte. Er fuhr als 18-Jähriger beim Red-Bull-Werk vorbei. Er stand plötzlich vor der Tür und sagte: 'Hi, ich bin Sebastian Vettel aus dem Juniorteam. Kann ich mir das Werk mal anschauen?' Im Prinzip hat er also die Initiative ergriffen. Damals fuhr er noch in der Formel BMW, einer Nachwuchsklasse", erinnert er Horner gegenüber 'Sky Sports F1'. "Er stach gleich durch sein großes Selbstvertrauen hervor. Er wollte einfach verstehen, worum es in der Formel 1 ging."
Letzten Endes sei Vettel im entscheidenden Moment einfach immer zur Stelle und hebe sich von seinen Konkurrenten ab: "Er sticht überall ein bisschen heraus. Und er hat eine sehr gute Konstanz. Er kann diese Leistungen auch wiederholen, gerade dann, wenn der Druck groß ist. Er macht eigentlich nichts anders als die anderen Piloten, er macht es aber eben diesen Tick besser", so Horner.
Den nächsten Beweis auf seinem Weg zur Formel-1-Legende kann der Red-Bull-Pilot dann im kommenden Jahr erbringen: "2014 ist ein weißes Blatt Papier. Da spielen die Fahrer noch eine viel wichtigere Rolle als dieses Jahr. Sie müssen mehr darüber nachdenken, wie sie ein Rennen angehen", ahnt sein Teamchef. Sollte Vettel auch im nächsten Jahr wieder den Titel holen können, dürften ihn wohl noch mehr Kritiker in den Legendenstatus erheben.