Die Lotus-Mannschaft hatte sich von der Stärke der Konkurrenz in den Freien Trainings täuschen lassen und war mit dem Qualifying Räikkönens nicht zufrieden
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Er wurde immer wieder zu den Favoriten gezählt, trotzdem darf der Grand-Prix-Sieg Kimi Räikkönens am Sonntag beim Saisonauftakt in Melbourne als Überraschung gelten. Mit brillanter Taktik und einer absolut fehlerfreien Vorstellung setzte sich der Lotus-Pilot gegen die Konkurrenz von Ferrari und Red Bull letztlich souverän durch. "Ich hatte das gesamte Wochenende über ein gutes Auto. Es gab keine Probleme mit den Reifen", lobt Räikkönen den E21 und die umstrittenen Pirelli-Pneus.
Deshalb war bei den Schwarz-Goldenen auch gar kein Plan B nötig. Das A-Modell funktionierte wie am Schnürchen. "Wir dachten uns schon, dass die Zweistopp-Strategie aufgehen könnte. Ich erwischte dann auch einen guten Start und alles klappte perfekt", schwärmt Räikkönen von seinem Aufritt in Down Under. Die Unsicherheit saß trotzdem mit im Cockpit: "Ich hatte aber auch meine Zweifel, wo es doch das erste Rennen war. Du weißt halt nicht, wie sich die Reifen verhalten werden."
Hinzu kam, dass Lotus im Winter keine Longruns absolviert hatte. Beirren ließ sich Räikkönen davon nicht: "Ich wusste aber um mein gutes Auto und hatte das Gefühl, dass uns ein gutes Rennen bevorstehen würde." Nachdem es für den Finnen ohne Kleinholz durch die erste Kurve gegangen war, war die Zuversicht vollendet. Und so war es ihm sogar noch möglich, im Fernduell mit dem in den Schlussrunden heranstürmenden Fernando Alonso Paroli zu bieten und sogar die schnellste Rennrunde zu drehen.
Räikkönen kontrolliert Rennen und Konkurrenz
Räikkönen rekapituliert: "Fernando holte auf mich auf, als ich etwas weniger Druck machte. Dann hatte ich auch noch ein bisschen Verkehr." Im Gegensatz zu seinen Red-Bull-Kollegen legte er es aber nicht auf den prestigeträchtigen Bestwert an: "Ich wollte einfach sicherstellen, dass wir einen etwas größeren Vorsprung haben würden, falls der Regen kommen würde oder Probleme auftreten würden." Mit so viel Selbstvertrauen kann es eigentlich nur noch ein Saisonziel geben, doch das spricht Räikkönen nicht aus.
"Es fühlt sich gut an, aber jetzt ist gerade mal ein Rennen gefahren", bremst er die Euphorie und will mit der Truppe aus Enstone weitermachen wie bisher: "Das ändert nichts an unseren Zielen und an unserer Arbeitshaltung. Wir freuen uns über diesen Sieg, doch es ist noch viel zu tun, wenn man die WM gewinnen will." Für Ciaron Pilbeam ist es dennoch ein Raketenstart: "Es ist ein sehr guter Beginn für Lotus, ein sehr guter Start in die Saison. Hoffentlich sehen wir noch mehr davon", sagt der Chefrenningenieur 'Sky Sports F1'.
Eric Boullier verrät im Gespräch mit 'RTL', wieso der Lotus so reifenschonend ist: "Es geht, weil das Design des Autos und das Setup es zulassen. Es war schon im vergangenen Jahr unsere Stärke." Im Winter sei hart daran gearbeitet worden, diese weiter auszubauen. Doch alles wäre noch keinen Pokal wert, säße nicht ein wie entfesselt fahrender Ex-Weltmeister hinter dem Steuer. Den Fahrstil Räikkönens nennt der Teamchef einen "Teil des Erfolges", schließlich dürfte auch er jetzt als Reifenflüsterer gelten.
Grosjean mit Balanceproblemen
Nach eigener Aussage hätte es Boullier nach dem Qualifying nicht erwartet, dass Räikkönen den Grand Prix gewinnen kann. "Damit rechnest du nicht, bevor das Rennen zu Ende ist", blickt er zurück. Pilbeam stimmt mit ein: "Wir haben gar nicht gewusst, was wir erwarten sollten. Einige Autos sahen im Qualifying wirklich schnell aus und wir haben nicht die Startpositionen gehabt, die wir uns versprochen hatten", sagt er über eine Ausgangslage, die eigentlich nicht optimal gewesen ist.
Doch das Blatt wendete sich sehr bald: "Als wir ins Rennen gingen, wurde klar, dass viele Probleme mit den Reifen hätten - mehr als Kimi", so Pilbeam weiter. Er ließ sich auch von den Eindrücken aus dem Freien Training täuschen: "Das Tempo am Freitag war ein ganz anderes als im Rennen bei einigen Teams." Boullier nennt das Wochenende wegen Wetterkapriolen, Streckenbedingungen und der Verschiebung des Qualifyings auf Sonntag "bizarr". "Wir wussten, wir hätten eine gute Chance, auf das Podium zu kommen, wenn wir über eine gute Strategie verfügen", so Boullier weiter.
Keine Garantie für Topform in Malaysia
Was bei Räikkönen alles tadellos funktionierte, das klappte bei Romain Grosjean in Melbourne gar nicht. Der Franzose, der nur einen Platz hinter seinem Teamkollegen ins Rennen gegangen war, wurde Zehnter und blieb insgesamt blass. "Romain hatte kein besonders gutes Rennen. Er hat am Start Plätze verloren, als Kimi welche aufholte", meint Pilbeam. "Die Balance in seinem Auto war nicht so gut, aber er ist ein hervorragender Fahrer und hat das Zeug, um vorne mitzufahren. Er wird seinen Weg gehen."
Wie langanhaltend die Topform des E21 ist, wagt der Franzose nicht zu prognostizieren und will auch nicht vorhersagen, ob einer seiner Piloten den Erfolg schon in einer Woche wiederholen kann, wenn der zweite Grand Prix des Jahres in Malaysia steigt. "Das wissen wir nicht", rätselt Boullier. "Das einzige, was wir wissen, ist, dass wir nichts wissen." Er befürchtet, dass die Konkurrenz noch Reserven findet: "Die Teams werden reagieren und versuchen, die Daten zu analysieren." Räikkönen können sie nicht kopieren.