Red Bull will Ferrari in diesem Jahr noch mehrfach ärgern und noch mindestens einen Sieg einfahren - Wirklich konkurrenzfähig ist man aber wohl erst 2017
© Foto: xpbimages.com
Die Plätze vier und sieben für Max Verstappen und Daniel Ricciardo waren ganz sicher nicht das Red-Bull-Traumergebnis in Kanada. Trotzdem bewerten die Bullen das Wochenende in Montreal durchaus positiv. Hintergrund: Im Vergleich zum Vorjahr hat Red Bull sich deutlich gesteigert. Lag man im Qualifying 2015 noch rund 1,7 Sekunden hinter der Pole-Zeit von Lewis Hamilton, fehlten Ricciardo zwölf Monate später nur 0,354 Sekunden auf die Bestzeit des Weltmeisters.
"Auf dieser Art Strecke hatte man Mercedes ganz klar vorne erwartet. Der Rückstand von drei, vier Zehnteln ist immer noch da, aber Ferrari und Red Bull haben aufgeschlossen", bemerkt auch Ex-Toro-Rosso-Mitbesitzer Gerhard Berger und hält fest: "Es wird spannender. Wenn Red Bull hier auf drei Zehntel an Mercedes dran ist, kann man sich ausrechnen, dass die da oder dort zuschlagen können in dieser Saison."
Ebenfalls bemerkenswert: Im Rennen konnte Verstappen den Mercedes von Nico Rosberg bis zum Ende des Rennens hinter sich halten - obwohl der Deutsche mit DRS angriff. "Vor zwölf Monaten wäre das nicht möglich gewesen", ist sich Teamchef Christian Horner sicher. Einen großen Anteil daran hat die in diesem Jahr deutlich stärkere Antriebseinheit von Renault. Das jüngste Update brachte die Bullen noch einmal einen Schritt nach vorne.
"Licht am Ende des Tunnels"
"Auf manchen Strecken sind wir stärker als Ferrari", gibt sich Horner im Gespräch mit 'Formula1.com' angriffslustig und nennt die vergangenen Rennen in Spanien und Monaco als Beispiel. "Aber im Rennen davor, in Sotschi, waren sie stärker als wir. Ich denke, es wird ein faszinierender Kampf werden", so der Teamchef. Doch was ist mit Klassenprimus Mercedes? Sind die Silberpfeile für Red Bull unter normalen Umständen weiterhin unerreichbar?
"Ich denke, dass die Lücke zu Mercedes zu groß ist", erklärt Horner im Hinblick auf den WM-Kampf und ergänzt: "Der Kampf mit Ferrari wird schon hart genug werden. Unser Fokus ist es, auf dem Momentum aufzubauen, das wir erreicht haben, und vielleicht noch ein oder zwei Rennen in dieser Saison zu gewinnen." Denn insgesamt ist Mercedes zwar noch zu stark, aber auf einigen Strecken erhofft sich Horner einen offenen Kampf.
"Vermutlich in Singapur, und vielleicht sogar in Budapest", erklärt der Teamchef, der außerdem verrät, dass man in Budapest und Silverstone auch mit Ferrari kämpfen möchte. "Dann noch Singapur und Japan. Solche Strecken", verrät Horner. "Sie haben definitiv einen Schritt nach vorne gemacht", erklärt auch Weltmeister Lewis Hamilton und prophezeit: "Ich könnte mir vorstellen, dass wir im nächsten Jahr eine viel engere Saison haben."
Denn auch wenn Red Bull bereits jetzt einen deutlich stärkeren Eindruck macht als 2015, werden die Bullen wohl erst 2017 wieder ein komplett ernstzunehmender Gegner im Kampf um den WM-Titel sein. "Mercedes ist das Maß der Dinge, und wird auch nächstes Jahr die Benchmark sein. Aber bei Red Bull ist wieder eine irrsinnige Motivation entstanden, die sehen wieder Licht am Ende des Tunnels", erklärt Berger gegenüber der 'Bild'.
Red Bull bald dauerhaft vor Ferrari?
Die These des Österreichers: "Ich glaube, dass Red Bull schneller an Mercedes rankommt als Ferrari, vorausgesetzt, Renault kriegt das mit dem Motor hin. Und beide Mercedes-Jäger, Red Bull und Ferrari, haben inzwischen verstanden, dass man zwei Fahrer vom Kaliber Hamilton/Rosberg braucht, um Konstrukteurs-Weltmeister zu werden. Red Bull hat deshalb neben Ricciardo den jungen Verstappen schnell nachgezogen."
"Was ich beeindruckend finde, dass Red Bull ein, zwei harte Jahre hinter sich hatte und in der Lage war, die Mannschaft in dieser schwierigen Zeit beisammen zu halten", lobt Berger bei 'Sky' und erklärt: "Normalerweise ist das die Zeit, wo einer nach dem anderen der guten Leute abspringt und zur Konkurrenz geht. Bei Red Bull kann ich das nicht sehen. Die sind wieder im Aufwind und haben Rückenwind."
Beim kommenden Rennen in Baku dürfte es mit einem weiteren Sieg allerdings schwierig werden. "Die extrem lange Gerade wird uns nicht helfen", erklärt Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko und verrät: "Unsere Simulationen zeigen, dass wir dort 1,2 Sekunden pro Runde verlieren. Es ist fast unmöglich, das in den Kurven aufzuholen, obwohl wir ein großartiges Auto haben."
Doch trotz der 2,2 Kilometer langen Geraden sieht Marko sein Team auch in Aserbaidschan "auf einem Level mit Ferrari". Es wird sich zeigen, ob Red Bull sich am Wochenende tatsächlich erneut zur zweiten Kraft hinter Mercedes aufschwingen kann - oder ob vielleicht überraschenderweise noch mehr möglich ist. Denn auch in Kanada hatte man schließlich nicht erwartet, so eng an den Silberpfeilen dran zu sein...