Viele gehen davon aus, dass Red Bull keine andere Wahl hat, als 2016 Ferrari-Motoren zu verwenden, doch hinter den Kulissen wird ein Geheimplan sondiert
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Nach Bekanntwerden der Trennung von Renault sowie der Absage von Mercedes scheint es für Red Bull auf dem Motorenmarkt in der Formel 1 für 2016 nur noch eine Möglichkeit zu geben: Ferrari. Doch der Rückschluss, dass angesichts scheinbar mangelnder Alternativen ein Vertrag mit Ferrari so gut wie beschlossene Sache ist, sei "falsch", stellt Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko in Singapur klar: "Ich habe gesagt: Wenn wir keine wettbewerbsfähigen Motoren haben, dann steigen wir aus."
Was die Medien als klares Signal für eine Zusammenarbeit mit Ferrari werten, kann laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' aber auch ein Indiz für einen Geheimplan sein, mit dem derzeit noch kaum jemand rechnet. Da fallen einem spontan die Gespräche mit Audi im vergangenen Winter ein, die theoretisch wieder aufgenommen werden könnten - 'auto motor und sport' berichtet sogar, dass sich Dietrich Mateschitz kürzlich mit Audi-Vertretern getroffen haben soll.
Doch wer Red Bull kennt, der weiß, dass das österreichische Unternehmen gern kreativ denkt. Und weil in der Strategiegruppe ohnehin schon über ein Zweiklassen-Motorensystem gesprochen wird (zum Beispiel, damit kleine Teams billigere Vorjahresantriebe einsetzen dürfen), sucht Red Bull offenbar hier nach Möglichkeiten. Konkret: Ein unabhängiger Motorenhersteller könnte beauftragt werden, einen konventionellen Antrieb ohne Hybrid für die Formel 1 flott zu machen.
Ecclestone will Alternative zum V6-Hybrid
Das klingt auf den ersten Blick unrealistisch, soll aber Wunschszenario von Bernie Ecclestone sein. Der hat sich heute - Zufall oder nicht - im 'Independent' erneut kritisch gegenüber den aktuellen V6-Hybridmotoren geäußert. Ecclestone und Mateschitz schwebt angeblich vor, dass ein unabhängiger Motorenbauer einen konventionellen Verbrennungsmotor bauen darf - und die Hersteller weiterhin an ihren Hybridantrieben festhalten dürfen, die für ihr Marketing so wichtig sind.
Entsprechende Anfragen wurden in der Branche bereits lanciert, Red Bull sondiert laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' den Markt. So wäre es aus technischer Sicht möglich, beispielsweise einen WEC-Motor relativ rasch für die Formel 1 anzupassen (Stichwort 1.000 PS). "Wir können auch sehr kurzfristig reagieren", sagt Marko und meint: schon für 2016, und das bis Dezember. Aber die Formel 1 müsste dafür eine sogenannte "Balance of Power" (BoP) einführen.
Sprich eine Art Handicap-Regel, um beide Antriebsformate in etwa chancengleich zu gestalten. Das war in der Formel 1 letztmals 2006 der Fall, als Toro Rosso aus Kostengründen mit schaumgebremsten V10-Motoren weiterfahren durfte, obwohl eigentlich schon das V8-Reglement in Kraft war. In der Langstrecken-WM WEC funktioniert das BoP-Prinzip reibungslos. Ob es auch auf die Formel 1 anwendbar wäre, daran scheiden sich die Geister.
Red Bull und Ecclestone arbeiten zusammen
Ecclestone kann sich das vorstellen, schließlich wäre ein solches Konzept auch ein Rettungsanker für die strauchelnden Teams, die immer mehr Geld aus den FOM-Einnahmen fordern, um überleben zu können. Ebenfalls ins Bild passt, was Red-Bull-Teamchef Christian Horner über die aktuelle Situation sagt: "Bernie ist eingeweiht." Und meint damit alle Pläne, die Red Bull gerade schmiedet, wohlgemerkt ohne sie konkret zu nennen.
Fest steht: Red Bull denkt gerade um. "Es ist nicht unser Ziel, in der WM Fünfter oder Sechster zu sein. Wir brauchen einen neuen Motor", wird Mateschitz von der 'Speedweek.de' zitiert. Es habe bisher "positive Gespräche" mit Ferrari gegeben, zwischen Marko und Maurizio Arrivabene. Marko selbst bestätigt: "Es gibt eine Gesprächsbasis mit Ferrari. Da warten wir auf eine Antwort. Aber für uns ist klar: Eine B-Version kommt nicht in Frage."
Und er betont erneut: "Wenn wir keinen wettbewerbsfähigen Motor haben, dann gibt es Red Bull im Jahr 2016 nicht mehr in der Formel 1. Du kannst das beste Chassis und den besten Fahrer haben, aber ohne den richtigen Motor hast du keine Chance. Das ist keine Drohung. Wir sagen nur, was wir tun, wenn wir keinen konkurrenzfähigen Motor bekommen. Dann hören wir auf." Und zwar sowohl mit Red Bull als auch mit Toro Rosso.
Red Bull: Toto Wolff als Sündenbock
Mercedes ist jedenfalls keine Alternative mehr, auch nicht unter der "Tarnung" von Aston Martin, wie vor einigen Wochen ausgeheckt wurde. Die Gespräche mit Aston Martin wurden abgebrochen. Aber: "Noch vor Kurzem war Mercedes für uns der bevorzugte Partner", bestätigt Mateschitz. Woran das gescheitert ist? "Fragen Sie Toto Wolff", entgegnet Marko. Denn Red Bull habe bei Mercedes sehr wohl um Motoren für 2016 angefragt.
Das hat Niki Lauda kürzlich dementiert - Red Bull sei nie konkret an Mercedes herangetreten. Marko, der heute Mittag mit seinem österreichischen Landsmann zusammengesessen ist und fast täglich mit Lauda frühstückt, sagt dazu nur: "Ich widerspreche meinem Freund Lauda eigentlich nicht gern, aber da irrt er sich. Wir haben das schriftlich gemacht. Fragen Sie Toto Wolff, der weiß mehr. Auch über die Motivation dahinter."
Sollte es Red Bull gemeinsam mit Ecclestone gelingen, die Weichen für eine BoP-Formel mit reinem Verbrennungsmotor zu stellen, wäre wohl Cosworth der bevorzugte Partner. Vielleicht auch, weil die Cosworth-Basis nicht weit von Brixworth entfernt liegt und man so gute Karten beim Abwerben von Mercedes-Ingenieuren hätte. Und wenn das nicht reichen sollte, könnte immer noch das österreichische Unternehmen AVL mit Antriebs-Know-how aushelfen.
Ferrari als Übergangslösung?
Ferrari wäre nur "für die nächsten zwei, drei Jahre eine sehr akzeptable Lösung", macht Mateschitz klar, dass er sich einen Status als Ferrari-Kunde bestenfalls als Übergangsphase vorstellen kann. Wenn der ambitionierte BoP-Plan scheitert, liegt es allerdings nahe, für 2016 trotzdem auf Ferrari zu setzen - und vielleicht danach doch noch einmal beim Volkswagen-Konzern anzuklopfen. Der war der Formel 1 schon mal mehr abgeneigt, als er es derzeit ist.
'BBC'-Orakel Eddie Jordan, der schon das damals als unwahrscheinlich geltende Schumacher-Comeback vorhergesagt hat, berichtet heute sogar, dass sich Mateschitz und Volkswagen bereits einig sind. Ein Audi-Einstieg bei Red Bull wurde vergangenen Winter noch in letzter Minute abgeblasen. Doch Formel-1-Skeptiker Ferdinand Piëch wurde seither entmachtet - und Mateschitz hat angeblich mit dessen Nachfolger Martin Winterkorn verhandelt.
Aber Recherchen von 'Motorsport-Total.com' am späten Freitagabend haben ergeben, dass Jordan diesmal nicht richtig informiert ist. Aus dem nahen Volkswagen-Umfeld heißt es, dass Mateschitz und Winterkorn zwar tatsächlich unverändert in Kontakt stehen, es aber keine neuen Entwicklungen gibt und ein Formel-1-Einstieg derzeit kein Thema ist. Was wirklich Sache ist, werden die nächsten Monate zeigen. Bis allerspätestens Dezember muss laut Marko Klarheit herrschen.