Red Bull muss seinen Aufwärtstrend bestätigen, wenn es im Juni auf Powerstrecken geht - Krise ohne Aderlass und mit Unternehmensentwicklung gemeistert
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Zweitagsfliege oder Comeback im Kampf um den WM-Titel? Nach starken Red-Bull-Auftritten in Spanien und in Monaco - mit einem eingefahrenem und einem verschenkten Sieg - stellt die Szene die Beständigkeit des Aufwärtstrends, den die Österreicher seit Mai an den Tag legen, infrage. Ist alles nur auf vorteilhafte Kurscharakteristika zurückzuführen oder hat sich das Team auf alte Stärken besonnen? "Der wahre Test steht in Montreal an", warnt Teamchef Christian Horner.
Dann wartet eine Powerstrecke auf Daniel Ricciardo und Max Verstappen. Die Nagelprobe für die Ausbaustufe des überarbeiteten Renault-Antriebs, auf den in Nordamerika beide Piloten werden zählen können. Im Fürstentum hatte nur der Australier das neue Aggregat im Auto, was sich laut Horner bezahlt gemacht hätte. "Sonst wäre die Pole-Position nicht drin gewesen", sagt er über den ersten Startplatz an der Sonne seit fast drei Jahren und grinst: "Es gibt viel Positives mitzunehmen."
Eine Portion Frust wird Red Bull im Gepäck haben. Ricciardo schäumte wegen des missratenen Boxenstopps. "Und es ist frustrierend, mit einem zweiten Platz dazustehen, wenn man Mercedes das Wochenende über richtig aufgescheucht hat", knirscht Horner mit den Zähnen. Schnitzer wie den am vergangenen Sonntag war man von der Mannschaft bisher nicht gewohnt. Das weiß auch die Konkurrenz und nimmt sich vor Red Bull in Acht - wenn sie nicht schon überrollt wurde.
Motivieren statt meckern: Wie Renault wieder auf Kurs kam
Williams, in den vergangenen zwei Jahren noch sicherer WM-Dritter, ist abgehängt. Chefingenieur Rob Smedley befürchtet, dass sich daran so schnell nichts mehr ändert: "Ihre Philosophie ist es, Autos mit viel Abtrieb zu entwickeln. Das passt zu dieser Strecke", analysiert der Brite. "Aber das Antriebsupdate wird ihnen helfen, auch auf mittelschnellen Kursen gut zu sein." Weil Red Bull mit seinem guten Chassis auf Highspeed-Bahnen besonders wenig Flügel auf das Auto bauen kann, ohne dafür in den Kurven büßen zu müssen, scheinen alle Schwachstellen ausgemerzt.
Sogar mit der Zuverlässigkeit klappte es zuletzt. "Renault hat gute Arbeit abgeliefert", lobt Horner. "Die Verbesserungen am Antrieb bringen uns schätzungsweise um bis zu eine Sekunde nach vorne. Hoffentlich zahlt sich das in Kanada und in Aserbaischan noch mehr aus." Dann kann das Ziel nur Mercedes heißen, auch wenn Ferrari in der Konstrukteurs-WM noch mit neun Punkten die Nase vorne hat. Die Silberpfeile sind mit 76 Zählern, also rund drei Rennsiegen, ebenfalls in Sichtweite.
Gerhard Berger wundert die Entwicklung nicht: "Das Kunststück, das Red Bull gelungen ist: in der Durststrecke der vergangenen drei Jahre nicht zu viele Leute zu verlieren und die Schlüsselpersonen bei Laune zu halten", erklärt der Ex-Pilot und erkennt neue Harmonie mit dem Antriebspartner: "Man hat im vergangenen Jahr viele Querelen erlebt. Jetzt ist Renault bereit, die Tür aufzumachen und Hilfe anzunehmen. Der Motor wird besser und fahrbarer, bekommt mehr Leistung."
Für 2017 plant Red Bull einen millionenschweren Großangriff auf Mercedes. Ein neuer High-Tech-Prüfstand und ein 360-Grad-Simulator sind geplant, das lässt man sich 30 Millionen kosten. "Ich glaube nicht, dass Dietrich Mateschitz viel Geld nachschiebt", meint Berger über den Patron des Konzerns. "Er entwickelt sein Unternehmen weiter. Dazu gehört der Windkanal, dazu gehört es, Renault zu motivieren. Es ist wieder wirklich Freude dabei. Das hat man in den vergangenen Jahren nicht mehr gesehen."