Laut Christian Horner kann es "einschüchternd" sein, Kollege von Sebastian Vettel zu sein, aber Daniel Ricciardo nimmt's locker: "Möchte den besten Seb, den es gibt"
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47 Mal hat Daniel Ricciardo bisher an einem Formel-1-Rennen teilgenommen, besser als Siebter (Schanghai und Monza 2013) war er aber noch nie. 2014 soll er Teamkollege von Seriensieger und -Weltmeister Sebastian Vettel werden, dem zuletzt nicht einmal Mark Webber das Wasser reichen konnte. Dabei hat der schon 212 Grands Prix auf dem Buckel, ebenso wie neun Siege und insgesamt 39 Podestplätze.
Die Rollenverteilung bei Red Bull für 2014 scheint also schon Monate vor dem Saisonbeginn festzustehen: Vettel ist die Nummer 1, soll den fünften WM-Titel hintereinander holen, und Ricciardo in erster Linie lernen - und vielleicht den einen oder anderen Achtungserfolg erzielen. "Er weiß, dass er große Fußstapfen zu füllen hat", sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Gegen Sebastian Vettel anzutreten, ist eine ziemlich einschüchternde Aussicht - für jeden Fahrer. Aber Daniel ist ein junger Kerl mit jeder Menge rohem Talent, einem großartigen natürlichen Speed."
Und es hat schon viele gesetzte Nummer-2-Fahrer gegeben, die ihren vermeintlich übermächtigen Teamkollegen gleich einmal wachrütteln konnten. Gerhard Berger fällt einem da spontan ein, als er 1990 in Phoenix acht Zehntelsekunden vor seinem McLaren-Teamkollegen Ayrton Senna (5.) die Pole-Position holte; Eddie Irvine bei Ferrari, in Melbourne 1996 zwei Zehntelsekunden vor Michael Schumacher in der dritten Reihe, oder auch Jacques Villeneuve bei Williams, der im gleichen Grand Prix bei seiner Formel-1-Premiere vor Platzhirsch Damon Hill auf Pole-Position stand.
Berger, Irvine, Villeneuve... Ricciardo?
Allerdings gibt es bei all diesen Fällen eine Parallele: Letztendlich setzten sich die Superstars doch durch. Senna wurde 1990 Weltmeister, Berger nur WM-Vierter; Schumacher beendete die Saison 1996 als Dritter, Irvine als Zehnter; und Villeneuve forderte Hill zwar bis zum letzten Rennen heraus, musste sich dann aber doch mit 97:78 Punkten geschlagen geben. Ricciardo findet es "nicht beängstigend", nun in ähnlicher Konstellation gegen Vettel antreten zu müssen, aber er ist von dessen Leistungen beeindruckt: "Was Sebastian anstellt, ist phänomenal. Er ist in der Form seines Lebens. Alles läuft ziemlich glatt für ihn. Aber er verdient das."
"Er hat gute Starts, bleibt vorne und macht, was er machen muss. In der ersten Runde zieht er meist zwei Sekunden vom Rest des Feldes weg. Sie haben nie die Chance, in das DRS-Fenster zu kommen. Er macht alles richtig, aber das ist gut für mich", erklärt der 24-Jährige selbstbewusst. Denn auf dem Weg zum WM-Titel wird er eines Tages auch Vettel schlagen müssen: "Ich möchte den besten Seb, den es gibt. Nur so kann ich mich wirklich testen und sehen, wie gut der beste Daniel Ricciardo ist. Ich bin glücklich, dass er in richtig guter Form ist. Je größer die Herausforderung, desto mehr werde ich es genießen!"
Für Ricciardo spricht, dass er nichts zu verlieren hat: Kann er von Anfang an auch nur halbwegs mit Vettel mithalten, wäre das eine positive Überraschung. Hat er aber zunächst keine Chance, wird man ihm Zeit einräumen. Und: Als langjähriger Red-Bull-Kaderfahrer sind die Strukturen im Team nicht neu für ihn. "Daniel und Jean-Eric Vergne sind Red-Bull-Racing-Fahrer, ausgeliehen an Toro Rosso. Übrigens auch Daniil Kwjat", erläutert Teamchef Christian Horner. "Insofern stehen wir natürlich in Dialog, mit Daniel natürlich jetzt mehr, seit er sich auf den Wechsel von Toro Rosso zu Red Bull Racing vorbereitet."
Ricciardo schon jetzt gut ins Team integriert
"Aber zuerst muss er sich darauf konzentrieren, die Saison bei Toro Rosso zu Ende zu fahren, bevor er voll in unser Programm für nächstes Jahr involviert wird. Er kennt das Team ziemlich gut, war ja ein Mitglied des Juniorteams. Auch aus seiner Zeit bei Toro Rosso und als Ersatz- und Simulatorfahrer bei uns. Ich denke, dass er genau den richtigen Charakter und die richtige Herangehensweise hat, um das Beste aus dieser Erfahrung zu machen, um von Sebastian als Teamkollege zu lernen. Ich glaube ganz ehrlich, dass er nächstes Jahr für eine Überraschung sorgen kann", so Horner.
Ricciardo selbst, der aus den vergangenen vier Rennen nur einen WM-Punkt geholt hat, hat über 2014 "noch gar nicht groß nachgedacht", wie er sagt: "Natürlich freue ich mich darauf, aber ich komme an diese Strecke und konzentriere mich darauf, was ich an diesem Wochenende machen muss und wie wir in die Top 10 kommen können. Ich denke nicht dran, dass ich im kommenden Jahr hoffentlich um Siege fahre. Ich bin immer noch darauf konzentriert, die Dinge mit Toro Rosso gut zu beenden." Da geht es immerhin noch gegen Sauber um Platz sieben in der Konstrukteurs-WM.
Erst wenn dieses Kapitel nach Brasilien abgeschlossen ist, will sich Ricciardo auf seine neue Aufgabe konzentrieren: "Wir haben noch nicht viel gemacht, waren die vergangenen Wochen auf Achse", sagt er und kündigt an: "Nächste Woche werde ich in England sein, ein bisschen Arbeit im Simulator arbeiten, mich einfach einarbeiten. Nach Brasilien werde ich sofort zurück in England und bereit für den Wechsel sein. Ich werde tun, was getan werden muss, und dann über Weihnachten nach Hause jetten." Um ein letztes Mal Urlaub zu machen, bevor die große Aufgabe Vettel kommt...